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13.05.2020 17:00

Fehlende Komponente der angeborenen Immunsignalisierung entdeckt

Laura Alvarez Public Relations
CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

    Die Superti-Furga Gruppe am CeMM hat in Zusammenarbeit mit Boehringer Ingelheim ein neues Schlüsselelement der aus mehreren Komponenten bestehenden Maschinerie entdeckt, die für die Bestimmung von Art und Schweregrad der durch einen Krankheitserreger dargestellten Bedrohung verantwortlich ist. Das neue Protein "TASL" ist für die Signalübertragung von sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TLR) in den Endosomen unerlässlich und führt in bestimmten Immunzellen zur Aktivierung des Genaktivators IRF5.

    Wie Zellen Krankheitserreger erkennen und das Immunsystem rasch alarmieren, ist ein grundlegender Prozess, der für das Überleben jeder Spezies, auch des Menschen, von hoher Bedeutung ist. Eine Schlüsselrolle wird den sogenannten Adaptern zugeschrieben, die molekularen Plattformen im Zellinneren gleichen, auf denen Signale von Pathogen-Detektoren zwecks Sicherheit und Genauigkeit integriert und in dauerhafte Signale umgewandelt werden, was zur Aktivierung der für das Auslösen einer "Alarmbereitschaft" wichtigsten Gene, wie etwa den Interferonen, führt. Forscher im Labor von Giulio Superti-Furga am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben in Zusammenarbeit mit Boehringer Ingelheim ein neues Schlüsselelement der aus mehreren Komponenten bestehenden Maschinerie entdeckt, die für die Bestimmung von Art und Schweregrad der durch einen Krankheitserreger dargestellten Bedrohung verantwortlich ist. Das neue Protein mit dem Namen TASL ist für die Signalübertragung von sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TLR) in den Endosomen unerlässlich und führt in bestimmten Immunzellen zur Aktivierung des Genaktivators IRF5. Ein feinfühliges Abstimmen dieser Maschinerie ist außerordentlich wichtig, da zu viel Leistung auch in Abwesenheit eines Pathogens zu Entzündungen führt, wie dies etwa bei Autoimmunerkrankungen der Fall ist. Diese spezifische Version der Maschinerie scheint besonders mit Krankheiten wie dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) in Zusammenhang zu stehen. Diese Entdeckung zeigt ein mögliches neues Ziel für die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen und möglicherweise auch der Überreaktion auf virale und andere Infektionen auf und wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

    Das Immunsystem ist das natürliche Abwehrsystem des Körpers und besteht aus einem Netzwerk an Zellen, Molekülen, Geweben und Organen, die den Körper gemeinsam vor Infektionserregern, wie Viren, Bakterien oder pathogenen Pilzen schützen. Das Immunsystem ist mit einem ausgeklügelten Repertoire an Wahrnehmungsmechanismen ausgestattet, welche diese Krankheitserreger erkennen und für eine angemessene Immunantwort sorgen. Autoimmunerkrankungen entstehen, wenn das Immunsystem die Fähigkeit verliert, eigene von fremden Strukturen zu unterscheiden.
    Frühere Studien haben gezeigt, dass das zur größten Familie der Transportproteine im menschlichen Körper gehörende SLC15A4 als wesentlicher für die korrekte Funktionsweise dieser TLRs erforderliche Bestandteil bekannt ist. Aufgrund ihres großen Forschungsinteresses an der Erkennung von Pathogenen durch das angeborene Immunsystem und an der Charakterisierung von Solute Carriers, haben Forscher aus der Gruppe um Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor von CeMM, untersucht, wie SLC15A4 die Fähigkeit der TLRs zur Erkennung von Krankheitserregern beeinflusst, um damit ein besseres Verständnis für seine Rolle in Autoimmunerkrankungen und insbesondere bei SLE zu erzielen.

    In ihrer Studie nahmen Erstautor Leonhard Heinz und das Team, zusammen mit Forschern von Boehringer Ingelheim in Ridgefield, präzise Ermittlungen vor, im Zuge derer sie bisherige Ergebnisse zu SLC15A4 und die Verbindung zu dieser Gruppe speziell lokalisierter TLRs nicht als gegeben voraussetzten. Mit Mitteln der Biochemie und Massenspektrometrie bestimmten sie akribisch die molekularen Wechselwirkungen, an denen SLC15A4 beteiligt war. Dies führte zur Identifizierung des bisher nicht charakterisierten Proteins CXorf21, das den funktionell "verwaisten" Genen zugerechnet wird, welche lediglich eine Nummer erhalten und dem Ursprungschromosom zugeordnet werden. Das Gen war zuvor, wie SLC15A4, lose mit SLE assoziiert worden.
    Das Team zeigte, dass die Wechselwirkung zwischen TASL und SLC15A4 für die Lokalisierung und Funktion des TASL-Proteins wesentlich war und konnte die beteiligten Abschnitte beider Proteine präzise bestimmen. Ein Heureka-Moment für das Verständnis des Proteins trat mit der Beobachtung ein, dass TASL ein bestimmtes für die Rekrutierung und Aktivierung von IRF5 wesentliches Motiv beherbergt. „Nach STING, MAVS und TRIF ist das neue Protein TASL der vierte Schlüssel-Adapter für angeborene Immunität als Plattform für das Aufeinandertreffen einer Kinase und eines Genaktivators aus der IRF-Familie“, so Manuele Rebsamen, CeMM Senior Postdoctoral Fellow und Projektleiter der Studie.

    Diese Erkenntnisse werfen die Möglichkeit auf, dass eine pharmakologische Beeinflussung des SLC15A4/TASL-Komplexes die Regulierung der TLR-Antworten erlauben und folglich die Entzündungsreaktionen im Körper modulieren könnte. „Es war uns klar, dass SLC15A4 in der endosomalen TLR-Funktion eine Schlüsselrolle spielt und am Erkrankungsgeschehen beteiligt ist, aber der zugrunde liegende Mechanismus wurde nicht verstanden. Das sind genau die spannenden wissenschaftlichen Fragen, mit denen wir uns an unserem Institut gerne beschäftigen“, berichtet Giulio Superti-Furga, Wissenschaftlicher Direktor von CeMM und Studienverantwortlicher. Er fügt hinzu: „Wir freuen uns, dass die Vision, die wir mit Boehringer Ingelheim teilen, nämlich dass es sich bei Solute Carriers um eine Gruppe krankheitsrelevanter Proteine handelt, die einer näheren Erforschung würdig ist, mit dieser erfolgreichen und spannenden Partnerschaft belohnt wurde.”

    Diese Studie ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem CeMM und der Drug Concept Discovery Group unter der Leitung von Charles Whitehurst und JangEun Lee im Immunology and Respiratory Diseases Department bei Boehringer Ingelheim (Ridgefield, CT, USA). Die Forscher profitierten auch von der Unterstützung der Proteomics and Metabolomics (Pro-Met-) Facility und der Biomedical Sequencing Facility (BSF) am CeMM.

    Die Studie „TASL is the SLC15A4-associated adaptor for IRF5 activation by TLR7–9“ wurde am 13. Mai 2020 im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht. DOI: 10.1038/s41586-020-2282-0.

    Autoren:
    Leonhard X. Heinz, JangEun Lee, Utkarsh Kapoor, Felix Kartnig, Vitaly Sedlyarov, Konstantinos Papakostas, Adrian César-Razquin, Patrick Essletzbichler, Ulrich Goldmann, Adrijana Stefanovic, Johannes W. Bigenzahn, Stefania Scorzoni, Mattia D. Pizzagalli, Ariel Bensimon, André C. Müller, F. James King, Jun Li, Enrico Girardi, M. Lamine Mbow, Charles E. Whitehurst, Manuele Rebsamen, Giulio Superti-Furga

    Fördermittel:
    Diese Studie wurde mit Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Horizon 2020“ der Europäischen Union (Advanced Grant Nr. 695214 zugunsten von Giulio Superti-Furga), des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF SFB F4711) und von Boehringer Ingelheim (Research Collaboration Agreement BI-CeMM 238114) finanziert.

    Giulio Superti-Furga ist Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Direktor des CeMM sowie Professor für Medizinische Systembiologie an der Medizinischen Universität Wien. Er wurde an der Universität Zürich, bei Genentech, am IMP Wien und am EMBL Heidelberg zum Molekularbiologen ausgebildet. Er erhielt vier Förderungen des Europäischen Forschungsrates, ist Mitglied fünf wissenschaftlicher Akademien und hat mehr als 200 Publikationen veröffentlicht. CeMM, dem er seit 2005 als Direktor vorsteht, befindet sich mitten im großen Campus des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, von wo aus Superti-Furga zusammen mit etwa 180 Wissenschaftlern und Ärzten der klinischen Welt eine genomische und systemische Sicht näherbringt, um die medizinische Praxis zu verbessern. Für CeMM trieb er einen einzigartigen Modus der Super-Kooperation voran, in dem Biologie mit Medizin, Experimente mit Computertechnologie, Entdeckung mit Translation und Wissenschaft mit Gesellschaft und Kunst verbunden werden. Zu den aktuellen Interessensgebieten zählen Möglichkeiten zur Schaffung funktioneller Ansätze in der Präzisionsmedizin und die Rolle des menschlichen Transportoms in der Pathophysiologie und der Arzneimittelentdeckung. Er ist wissenschaftlicher Koordinator des Innovative Medicine Initiative Konsortiums „RESOLUTE“, das sich der Deorphanisierung von SLC-Transportern verschreibt.

    Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
    www.cemm.oeaw.ac.at


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Giulio Superti-Furga (GSuperti@cemm.oeaw.ac.at)
    Manuele Rebsamen (MRebsamen@cemm.oeaw.ac.at)


    Originalpublikation:

    Die Studie „TASL is the SLC15A4-associated adaptor for IRF5 activation by TLR7–9“ wurde am 13. Mai 2020 im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht. DOI: 10.1038/s41586-020-2282-0.


    Weitere Informationen:

    https://cemm.at/index.php?id=35&no_cache=1&tx_news_pi1%5Bnews_preview%5D...


    Bilder

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    Ella Maru Studio / CeMM
    Ella Maru Studio / CeMM

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    CeMM
    Laura Alvarez / CeMM


    Anhang
    attachment icon Pressetext Heinz et al (Deutsch)

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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