Tagung zur Geschichte der Anthropologie vom 22.-24. Januar an der Universität Jena
Jena (20.01.04) Woher kommen wir? Wo gehen wir hin? Auf diese Fragen nach Her- und Zukunft des Menschen suchen Philosophen und Wissenschaftler seit Jahrtausenden Antworten. Eines der weltweiten Zentren der biologischen Anthropologie, die sich mit Fragen der Abstammung und Variabilität des Menschen befasst, ist im 19. und 20. Jahrhundert die Jenaer Universität. Hier nimmt sich u. a. Ernst Haeckel (1834-1919) der Anthropologie an und erweitert sie um eine evolutionsbiologische Sicht. "Haeckels anthropologisches Konzept sollte dann für die Biowissenschaften um 1900 bestimmend werden, wobei einzelne seiner anthropologischen Deutungen, wie der Sozialdarwinismus, von der nationalsozialistischen Biologie aufgenommen wurden", erläutert Dr. Uwe Hoßfeld von der Universität Jena. Der Wissenschaftshistoriker organisiert gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach und Dirk Preuß die internationale Tagung "Anthropologie nach Haeckel", die vom 22.-24. Januar an der Friedrich-Schiller-Universität stattfindet. Veranstaltet von der Senatskommission zur Aufarbeitung der Jenaer Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert und vom Ernst-Haeckel-Haus werden neue Erkenntnisse zur Geschichte der Anthropologie präsentiert und diskutiert.
Charles Darwins Buch "Über die Entstehung der Arten" von 1859 markiert einen wesentlichen Einschnitt in der Entwicklung der Anthropologie, die in Jena unmittelbar durch Forscher wie Matthias J. Schleiden und Ernst Haeckel aufgenommen wurde. Damit wurde die Jenaer Universität zu einem "Mekka für Zoologen", beschreibt Dr. Hoßfeld diese Entwicklung. "Hier wurden die Ergebnisse des Darwinismus durch Haeckel und sein Umfeld so günstig rezipiert bzw. kritisch hinterfragt wie an keiner anderen deutschen Universität."
Doch diese Entwicklung zeigte auch ihre Schattenseite, als die Anthropologie durch die Nazis ideologisch umgedeutet und ausgenutzt wurde. Von Haeckels Anthropologie führen direkte Verbindungslinien zum Sozialdarwinismus, zur Rassenhygiene, Eugenik und Rassenkunde. "Zu jener Zeit seit Beginn der 1930er Jahre hatte die derart ideologisierte Anthropologie den Weg einer objektiven wissenschaftlichen Forschung verlassen", konstatiert Prof. Breidbach. "Nun standen v. a. rassenkundliche und rassenhygienische Fragestellungen im Blickpunkt des Interesses und wurden mehr und mehr Grundlage politischer Ideologien, die eine Höher- bzw. Minderwertigkeit von Menschengruppen zum Inhalt hatten", so der Direktor des Ernst-Haeckel-Hauses weiter.
Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft nahm die Anthropologie in Deutschland keinen einheitlichen Verlauf. "Die unterschiedlichen Entwicklungen des Faches Anthropologie nach Haeckel im geteilten Deutschland hätten nicht verschiedener verlaufen können", fasst Mitorganisator Preuß zusammen.
Dieser Bandbreite widmet sich die Jenaer Tagung. Von der Paläoanthropologie über die Konstitutionsbiologie und Rassenkunde bis hin zur Bevölkerungsbiologie, Rassenhygiene und Humangenetik reichen die Themen. "Dabei wird besonders auf die Zeit nach Haeckel eingegangen und das Beispiel der Universität Jena thematisiert", sagt Hoßfeld. Doch auch Vergleiche mit anderen deutschen Hochschulen sowie Einrichtungen im benachbarten Ausland werden zur Sprache kommen. Denn am Ende der Tagung sollen, so hoffen die Organisatoren, die neuen Erkenntnisse auch dazu nützen, "gegenwärtige strukturelle Probleme anthropologischer Forschung aus wissenschaftshistorischer Sicht erklären zu helfen".
Aktuelle Erkenntnisse und faszinierende Einblicke in das Thema erhält die Öffentlichkeit durch zwei Abendvorträge. Am Donnerstag (22.01.) begibt sich Prof. Dr. Friedemann Schrenk, Leiter des "Arbeitskreises Paläobiologie der Wirbeltiere" der Universität Frankfurt/M., "Auf Adams Spuren". Der Vortrag über unsere Verwandtschaftsverhältnisse zu den afrikanischen Hominiden findet von 18.45-20.00 Uhr im Großen Hörsaal der Zoologie (Erbertstr. 1) statt. Prof. Dr. Peter Bowler von der Universität Belfast spricht am Freitag (23.01.) von 18-19 Uhr über "Conceptions of Early Man in 19th and 20th Century". Er trägt im Senatssaal im Universitätshauptgebäude (Fürstengraben 1) vor. Zu beiden Vorträgen ist die Öffentlichkeit herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.
Kontakt:
Dr. Uwe Hoßfeld
Ernst-Haeckel-Haus - Institut für Geschichte der
Medizin, Naturwissenschaft und Technik der Universität Jena
Berggasse 7, 07745 Jena
Tel.: 03641 / 949505
Fax: 03641 / 949502
E-Mail: b7houw@nds.rz.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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