Erstmals ist es Physikern gelungen, einen hochenergetischen Strahl schwerer Elemente (Ionenstrahlen) auf eine Ausdehnung kleiner als ein Tausendstel Millimeter zu fokussieren. Für diesen Schritt in den Bereich von Nanometern beschleunigten Bochumer Wissenschaftler Ionen - geladene Teilchen - schwerer Elemente wie z.B. Silizium oder Titan durch eine Hochspannung von einigen Millionen Volt und zwangen sie dann durch eine supraleitende, magnetische Linse auf einen Fleck kleiner als ein Hundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haares.
Bochum, 05.11.1998
Nr. 243
Mit Megavolt zu Nanometern
Auf dem Weg zu noch kleineren Mikrochips
Physiker fokussieren Hochenergie-Ionenstrahlen auf Nanobereich
Erstmals ist es Physikern gelungen, einen hochenergetischen Strahl schwerer Elemente (Ionenstrahlen) auf eine Ausdehnung kleiner als ein Tausendstel Millimeter zu fokussieren. Für diesen Schritt in den Bereich von Nanometern beschleunigten Wissenschaftler der Mikrostrahlgruppe am Lehrstuhl Physik mit Ionenstrahlen (Fakultät für Physik und Astronomie der RUB, Inhaber: Prof. Dr. Claus Rolfs) Ionen - geladene Teilchen - schwerer Elemente wie z.B. Silizium oder Titan durch eine Hochspannung von einigen Millionen Volt und zwangen sie dann durch eine supraleitende, magnetische Linse auf einen Fleck kleiner als ein Hundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Der so fokussierte Strahl erwies sich als noch intensiv genug, daß mit ihm nicht nur Strukturen dieser Größen (wie z.B. auf einem Mikrochip) verändert, sondern auch erzeugt werden können. Mit dieser Technik eröffnen sich vielversprechende Anwendungen in der Materialbearbeitung und -erzeugung.
Technik bisher auf leichte Elemente beschränkt
Strukturen im Bereich von Nanometern zu erzeugen oder bearbeiten, ist an sich keine Besonderheit und wird heute in der sogenannten Nanotechnologie bereits mit verschiedenen Methoden realisiert. Dabei gehören auch fokussierte Teilchenstrahlen wie Elektronen oder Ionen bereits zum Handwerkszeug der Wissenschaftler und der Industrie. Die Anwendungsmöglichkeiten, die sich für Ionen eröffnen sind dabei im Wesentlichen durch die Ionenart, ihre Energie, ihre Intensität und natürlich den Durchmesser des Strahls bestimmt. Allerdings war die so gute Fokussierung von Ionen mit Energien, wie sie bei der Beschleunigung durch Spannungen größer als eine Million Volt erreicht werden, und mit großen Intensitäten bislang auf leichte Ionen beschränkt, z. B. auf Protonen oder Alpha-Teilchen, also geladene Formen des Wasserstoffs bzw. des Heliums. Diese Ionenstrahlen werden hauptsächlich für die Analyse von kleinen Strukturen benutzt - auch von Wissenschaftlern des RUB-Instituts für Physik mit Ionenstrahlen. Um Strukturen zu bearbeiten oder zu verändern, wie z.B. elektrisch leitfähige Bahnen unter Oberflächen von Halbleitern, benötigt man jedoch schwerere Elemente. Ihre Fokussierung glückte bisher nur mit wenigen Ionensorten und niedrigen Beschleunigungsspannungen von bis zu Hunderttausend Volt.
Schwere Elemente in "dynamischer Mikrosonde" fokussiert
Die ermutigenden Erfolge gelangen an einem neuen Aufbau der sogenannten Mikrostrahlanlage am Dynamitron-Tandem-Beschleunigerlabor an der RUB (DTL). Mit diesem Beschleuniger können Ionenstrahlen vieler Elemente mit verschiedenen Energien erzeugt werden. Der nur ca. einen Millimeter dünne Strahl wird durch Blenden weiter verengt und durch einen supraleitenden, ringförmigen Magneten auf weniger als einem Mikrometer (=1000stel Millimeter) fokussiert. Während herkömmliche Anlagen auf die Fokussierung eines Ionentyps mit einer Energie optimiert sind, hat der neue Aufbau den Vorteil, daß mit ihm alle Ionen und unterschiedlicher Energien fokussiert werden können. Deshalb heißt die Anlage auch "dynamische Mikrosonde". Der neue Aufbau erweitert das Feld möglicher Anwendungen wesentlich, ohne daß Abstriche bei der Auflösung des Mikrostrahls in Kauf genommen werden müßten.
Hohe Anforderungen an die Technik
Die Fokussierung von Ionenstrahlen gleicht in vieler Hinsicht der von Lichtstrahlen; auch die Begriffe entstammen der Optik. Wie bei der Linse eines Photoapparats müssen die Abbildungsfehler der supraleitenden magnetischen Linse klein gehalten werden. Der Aufbau stellt hohe Forderungen an die Technik: Die einzelnen Komponenten des Aufbaus müssen präzise in einem Bereich von einem Tausendstel eines Millimeters ausgerichtet und gegen Vibrationen oder Veränderungen bei Temperaturschwankungen geschützt sein; dabei hat die Anlage eine Ausdehnung von mehr als 10 Metern. Die Bochumer Wissenschaftler haben deshalb geeignete Vorrichtungen und Techniken entwickelt, um den Strahl auf eine bestimmte Stelle einer Probe zu lenken und die Qualität der erzeugten Strukturen, wie bei einer Belichtung, zu kontrollieren.
Neue Anwendungsbereiche
Da der Bochumer Mikrostrahl für einige Elemente besonders intensiv ist, eröffnen sich neue Anwendungsbereiche. Man kann nicht nur, wie bisher, einen kleinen Anteil eines Elements einem Material, gleichsam als Gewürz, beimischen, sondern in relativ kurzer Zeit eine Struktur erzeugen, die aus diesem Element oder einer seiner chemischen Verbindungen besteht. Diese Möglichkeit wird zur Zeit von den Bochumer Wissenschaftlern genutzt; mit dem Mikrostrahl erzeugen sie elektrisch leitende Bahnen in einem halbleitenden Material.
Ionen "verkehrt durchs Fernrohr" bald als Bochumer Patent
Eine andere Variante dieser Technik haben die Bochumer Wissenschaftler schon vor einiger Zeit zum Patent angemeldet. Dabei soll eine Maske, in der die gewünschten Strukturen eingearbeitet sind, mit dem Be-schleunigerstrahl abgerastert und durch die Mikrostrahlanlage verkleinert auf eine Probe abgebildet werden. Es handelt sich dabei um eine Verkleinerung, wie man sie aus der Optik kennt, wenn man verkehrt herum durch ein Fernrohr schaut. Dieses Ionenprojektion genannte Verfahren rückt mit dem jetzt erzielten Fortschritt in greifbare Nähe.
Weitere Informationen
Dr. Hans Heinrich Bukow, Ruhr-Universität Bochum, Experimentalphysik III, Fakultät für Physik und Astronomie, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-3575; Fax: 0234/7094-172, E-Mail: bukow@ep3.ruhr-uni-bochum.de
Bilderläuterung
"Das Herzstück der Bochumer Mikrostrahl-Anlage ist ein supraleitender Magnet in dem blauen Gehäuse, von dem man im Wesentlichen den Behälter für das flüssige Helium erkennt, mit dem der Magnet auf etwa -270° C abgekühlt wird. Hinter dem runden Flansch ist die Stelle, an der der Strahl seinen Focus hat und an der die Probe mit einem Manipulator positioniert werden kann. Hierzu kann das Ziel der Ionen durch ein eingebautes Mikroskop und eine Fernsehkamera beobachtet werden. Der Bildschirm zeigt den Ausschnitt einer Halbleiterprobe, die mit dem Mikrostrahl verändert werden soll."
Bochumer Mikrostrahl-Anlage
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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