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09.06.2020 11:00

Im Kopf des Dinosauriers

Dr. Eva-Maria Natzer Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    SNSB-Paläontologe Oliver Rauhut konnte zusammen mit Kollegen der Universität Greifswald und der Université de Fribourg zeigen, dass sich Spinosaurier wohl vorwiegend von kleinen Beutetieren wie Fischen ernährten. Auf diese Ernährungsweise deuten die inneren Strukturen eines Spinosaurier-Schädels hin. Mittels computertomographischer Analysen gelang es, die Form des Gehirns sowie die Bogengänge des Innenohrs zu rekonstruieren. Die Ergebnisse der neuen Studie veröffentlichten die Paläontologen nun in der wissenschaftlichen Zeitschrift Scientific Reports.

    Die Spinosaurier sind eine Gruppe von großen bis gigantischen Raubdinosauriern, die in der Kreidezeit (von vor etwa 145 bis vor etwa 66 Mio. Jahren) insbesondere auf der Südhalbkugel weit verbreitet waren. Obwohl die größten Formen, wie etwa der bekannte Spinosaurus, mit bis zu 18 Metern Länge selbst den berühmten Tyrannosaurus (der etwa 12 m erreichte) noch klein aussehen lassen, entsprechen die Spinosaurier nicht so ganz unserem typischen Bild eines Raubdinosauriers. Im Gegensatz zu den mächtigen, kräftig gebauten Schädeln eines Tyrannosaurus oder eines Allosaurus war ihr Schädel eher niedrig und langgestreckt, und es wird seit einiger Zeit vermutet, dass diese Tiere sich hauptsächlich von Fischen und ähnlicher, eher kleiner Beute ernährt haben.

    Einen wichtigen Einblick in die Lebensweise eines Tieres können die Sinnesorgane und die Hirnstruktur geben. Bei Tyrannosaurus hat man durch solche Studien zum Beispiel herausfinden können, dass diese Tiere einen hervorragenden Geruchsinn hatten, was für ein großes Raubtier mit Sicherheit ein großer Vorteil war. Leider sind jedoch von Spinosauriern bisher wenige Schädelreste bekannt, und viele Aspekte der Schädelanatomie dieser Tiere sind daher noch unklar.

    Eine erste Untersuchung des Hirnraumes und der damit assoziierten Sinnesorgane eines Spinosauriers haben nun Marco Schade von der Universität Greifswald zusammen mit Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München (SNSB-BSPG) und Serjoscha Evers von der Université de Fribourg durchgeführt. Dafür untersuchten sie den Schädel des mittelgroßen Spinosauriers Irritator aus der unteren Kreide (vor ca. 115 Mio. Jahren) von Brasilien. Um die inneren Strukturen des Schädels, wie etwa den Hirnraum und das Innenohr, sichtbar zu machen, wurde der versteinerte Schädel am Deutschen Herzzentrum München und bei Zeiss Messtechnik in Essingen mit hochauflösenden Computertomographen durchleuchtet. Die so gewonnenen Daten erlaubten es, die Form des Gehirns und seiner umgebenden Gewebe sowie die Bogengänge des Innenohrs zu rekonstruieren, die für die Balance und Bewegung eines Tieres eine große Rolle spielen.

    Die Ergebnisse zeigten, dass die Form des Gehirns bei Spinosauriern durchaus der anderer großer Raubdinosaurier entsprach. Interessant waren jedoch die Befunde am Innenohr und einer assoziierten Gehirnregion, dem sogenannten Flocculus. Letzterer ist bei heutigen Tieren hauptsächlich für die Fixierung der Augen bei Bewegungen wichtig und war bei Irritator deutlich stärker ausgeprägt als bei anderen großen Raubdinosauriern. Zusammen mit der Struktur des Innenohres deutet dies darauf hin, dass dieses Tier schnelle, sehr präzise Bewegungen mit dem Schädel durchführen konnte, ohne dabei eine potentielle Beute aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig zeigt die Struktur des Innenohres, dass der Schädel normalerweise wohl mit relativ stark nach unten gerichteter Schnauze gehalten wurde, ähnlich wie bei Störchen. Dadurch wurde das Sichtfeld über der Schnauze frei, was dem Tier eine bessere Fixierung von möglichen Beutetieren erlaubte. Diese Eigenschaften waren für ein Tier, das sich darauf spezialisiert hat, kleinere Beutetiere mit schnellen Bewegungen des Kopfes zu packen sicherlich von großem Vorteil und unterstützen somit die Interpretation der Spinosaurier als Raubtiere, die eher auf die Ergreifung kleinerer Beutetiere, wie eben Fische, spezialisiert waren.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Oliver W.M. Rauhut
    Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG)
    Richard-Wagner-Str. 10
    80333 München
    Tel.: 089 2180 6645
    E-Mail: rauhut@snsb.de


    Originalpublikation:

    Schade M, Rauhut OMW, Evers SW (2020) Neuroanatomy of the spinosaurid Irritator
    challengeri (Dinosauria: Theropoda) indicates potential adaptations for piscivory. Scientific Reports https://www.nature.com/articles/s41598-020-66261-w


    Weitere Informationen:

    https://bspg.palmuc.org - Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie
    https://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns


    Bilder

    Rechte Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri.
    Rechte Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri.
    Foto: Marco Schade
    Marco Schade

    Digitale Darstellung der linken Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri
    Digitale Darstellung der linken Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri
    Foto: Marco Schade
    Marco Schade


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Geowissenschaften, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Rechte Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri.


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    Digitale Darstellung der linken Schädelhälfte des Spinosauriers Irritator challengeri


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