Je diverser in der Genetik, desto besser. Aber nur bei ähnlichen Vorlieben. Einem Forscherteam unter Leitung des IPK Gatersleben ist es gelungen, die Antwort auf eine lange ungelöste Fragestellung bei der Züchtung von Pflanzenhybriden zu liefern. So belegte es, dass Hybriden immer leistungsstärker werden, je weiter ihre Eltern genetisch voneinander entfernt sind. Die Frage, ob es eine ideale genetische Distanz gibt, konnte definitiv verneint werden. Vorausgesetzt, die Eltern sind an vergleichbare Standorte angepasst. Dieses Forschungsergebnis ist in der jüngsten Ausgabe der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Science Advances“ nachzulesen.
Die Pflanzenzüchtung greift seit Jahrzehnten auf das Phänomen Heterosis zurück: Genetisch möglichst unterschiedliche Eltern werden gekreuzt, um Nachkommen zu erzeugen, die leistungsstärker sind als ihre Eltern im Durchschnitt. Die sogenannte Hybridzüchtung wird sehr erfolgreich bei Mais, Zuckerrübe, Roggen oder Sonnenblume eingesetzt. Wie weit die genetische Distanz der Eltern sein darf, um die maximale Leistung der Hybriden hervorzurufen, konnte wissenschaftlich bis vor Kurzem nicht eindeutig geklärt werden. Zwei Studien in den 1960er Jahren brachten widersprüchliche Ergebnisse. Während die eine darauf hindeutete, dass die genetische Distanz der Eltern maximiert werden sollte, legte die andere nahe, dass die Mehrleistung der Nachkommen ab einem gewissen Punkt der Diversität wieder abnimmt.
„Mithilfe der Fortschritte in der Quantitativen Genetik gelang es uns zu belegen, dass es kein Optimum für die genetische Distanz der Eltern gibt“, erklärt Prof. Dr. Jochen Reif. Er leitet die Abteilung Züchtungsforschung am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und die dort angegliederte Arbeitsgruppe Quantitative Genetik. Als wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsaufgabe weiß er: „Die Heterosis steigt mit der genetischen Distanz der Eltern stetig an. Elternpopulationen können so weit auseinander liegen wie möglich, ohne dass ihre Nachkommen in der Leistung abfallen.“ Für die Pflanzenzüchtung sei das eine entscheidende Erkenntnis, brauche sie doch nicht weiter zu befürchten, die optimale genetische Distanz verpasst zu haben. Achtung sei jedoch geboten, wenn es um die Herkunft der Elternpopulationen gehe. Der Genetiker erläutert: „Die Elternpopulationen müssen an die Umwelt angepasst sein, in der ihre Nachkommen angebaut werden sollen, sonst können negative Dominanzeffekte entstehen.“
Zu diesen Ergebnissen konnte das Team unter Leitung des IPK Gatersleben im Rahmen einer groß angelegten Forschungskooperation mit dem Namen ZUCHTWERT kommen. Es wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert und neben dem IPK Gatersleben von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim sowie 15 namhaften Pflanzenzüchtungsunternehmen durchgeführt. „Durch unsere neuesten Entwicklungen in der Biometrie und der Quantitativen Genetik, gepaart mit dem umfangreichen Datenmaterial aus der Züchtungsindustrie, konnten wir endlich Klarheit in diese langjährige Fragestellung bringen“, resümiert Prof. Dr. Jochen Reif und ergänzt: „Zukünftig wird die Pflanzenzüchtung auf rationaler Basis Kreuzungspartner für die Züchtung neuer Hybridsorten auswählen können, selbst für einen so komplexen Organismus wie Weizen.“
Prof. Dr. Jochen Reif
Tel.: +49 39482 5840
reif@ipk-gatersleben.de
Boeven et al. (2020), Negative dominance and dominance-by-dominance epistatic effects reduce grain-yield heterosis in wide crosses in wheat. Science Advances, DOI 10.1126/sciadv.aay4897
Evaluierung der Heterosis für Kornertrag in Feldversuchen
Norman Philipp/ IPK
IPK
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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