Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass Menschen in Care-Berufen eine Gesellschaft tragen. Sie sind unverzichtbar für die Versorgung von den Menschen, die Unterstützung jeglicher Art benötigen. „Wir brauchen jetzt politische Entscheidungen, die die so genannte Systemrelevanz der Menschen in den Care-Berufsgruppen durch bessere Arbeits- und Lohnbedingungen honorieren: Damit wir auch zukünftig ausreichend und gute Fachkräfte bekommen“, sagt Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff.
In einer gemeinsamen Stellungnahme sprechen sich die Hochschulen für angewandte Wissenschaften in kirchlicher Trägerschaft für bessere Arbeitsbedingungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen aus. Diese Hochschulen sind in der RKHD vereint, der Rektorenkonferenz der kirchlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften Deutschlands. Die Evangelische Hochschule Freiburg ist Mitglied der RKHD.
Stellungnahme der RKHD-Hochschulen
Die Corona-Pandemie hat uns allen eindrücklich vor Augen geführt, wie dringend wir als Gesellschaft auf die Menschen angewiesen sind, die im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen arbeiten.
Als staatlich refinanzierte Hochschulen für angewandte Wissenschaften in kirchlicher Trägerschaft, die Fachkräfte für diese gesellschaftlich notwendigen Arbeitsbereiche ausbilden, sprechen wir uns für bessere Arbeitsbedingungen aus: für höhere Personalschlüssel, die auch Reserven für Krisensituationen beinhalten und für angemessene Löhne für alle Berufsgruppen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen. Nur wenn diese Berufe attraktiver werden, lässt sich der Fachkräftemangel überwinden.
Pflegende wurden zu Beginn der Pandemie-Krise medienwirksam bejubelt und zusammen mit Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und anderen Sozial- und Gesundheitsberufen offiziell als „systemrelevant“ eingestuft. Die darin deutlich werdende neue gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung ist jedoch nicht genug.
Zusätzliche Intensivbetten und Beatmungsplätze alleine reichen nicht; ohne Pflegende ist die Versorgung von Corona-Patient*innen genauso wenig gesichert, wie die der Bewohner*innen in Pflegeheimen.
Als potenzielle Patient*innen sind wir alle auf ein funktionierendes Gesundheitswesen angewiesen. Ohne Erzieher*innen in KiTas gibt es keine Notbetreuung für Eltern, die in den Kliniken oder anderen Bereichen der sogenannten kritischen Infrastruktur arbeiten. Ohne Heilpädagog*innen kann die Unterstützung von Menschen mit Behinderung nicht gewährleistet werden. Ohne Sozialarbeiter*innen werden die Jugendlichen und Erwachsenen, deren Leben in der Pandemie-Krise oder auf Grund anderer Schicksalsschläge aus den Fugen geraten ist, nicht die Unterstützung erhalten, um ihr Leben zu meistern. In der Pandemie-Krise haben sich soziale Probleme und Ungleichheiten zudem verschärft. Wir brauchen Sozialarbeiter*innen daher noch dringender als zuvor, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern.In der Krise hat sich gezeigt, dass der Fachkräftemangel im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen eine Bedrohung der Menschenrechte und ein Problem für die politische und wirtschaftliche Stabilität unserer Gesellschaft darstellt. Das gilt, obwohl die Kapazitäten der Intensivstationen zum Glück bislang ausreichend waren.
Fast die Hälfte der Corona-bedingten Todesfälle müssen in Pflegeheimen beklagt werden und auch die Erkrankungsraten unter den dort Pflegenden sind erschreckend hoch. Viele Pflegende mussten trotz Infektionsverdacht oder sogar noch mit Symptomen weiterarbeiten, weil die Versorgung der Bewohner*innen andernfalls zusammengebrochen wäre. Dabei hätten mit einer angemessenen Personalausstattung viele Todes- und Krankheitsfälle wohl verhindert werden können.
Nicht nur ältere Menschen in Heimen, auch Jugendliche und Menschen mit Behinderung in betreuten Wohneinrichtungen waren wochenlang sozial stark isoliert und durften selbst von engen Familienangehörigen nicht besucht werden. Fortschritte in Bezug auf ihre Selbstbestimmung und Teilhabe, die durch die UN-Kinderrechts- und die UN-Behindertenrechtskonvention erreicht wurden,sind unter Druck geraten. Therapeutische, rehabilitative und tagesstrukturierende Angebote mussten eingestellt, Werkstätten für behinderte Menschen und Schulen geschlossen werden.
Gerade die Menschen, die von Ausgrenzung bedroht und auf Unterstützung angewiesen sind, mussten die größten Einschränkungen ihrer Rechte in der Krise hinnehmen. Welche Schädigungen sie davongetragen haben, ist heute noch nicht absehbar. Mit einer besseren personellen aber auch finanziellen und räumlichen Ausstattung von Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens hätten diese extremen Einschränkungen deutlich milder ausfallen können.
Die christliche Wertschätzung eines jeden Menschen, aber auch die Achtung der Menschenrechte, halten uns an, aus den genannten Erfahrungen zu lernen. Schon vor der Corona-Pandemie haben Wissenschaftler*innen darauf hingewiesen, dass wir es mit einer veritablen gesellschaftlichen Krise – der Krise der Care-Arbeit – zu tun haben. Ähnlich wie in der Umwelt- und Klimakrise ist es fatal, dass wir nicht nachhaltig mit den Ressourcen für unsere Wirtschafts- und Lebensweise umgehen.
Die Sorge-Arbeit, die Frauen, die heute zunehmend erwerbstätig sind, früher vielfach unentgeltlich leisteten, wird nicht adäquat durch sozialstaatliche Leistungen kompensiert. Stattdessen werden die „Nebenkosten“ unserer Wirtschafts- und Lebensweise soweit irgend möglich minimiert, was sich in Arbeitsverdichtung und geringer Entlohnung von Erzieher*innen, Pflegekräften, Hebammen und Entbindungspfleger, Sozialarbeiter*innen, Heilpädagog*innen und vielen anderen im Sozial- und Gesundheitswesen Tätigen zeigt. Wenn Arbeitsverdichtung und geringe Entlohnung nicht mehr weiter möglich sind, wird die Arbeit ausgelagert. Das passiert, wenn etwa osteuropäische Pflegekräfte prekär beschäftigt in Pflegeheimen oder als 24-Stunden-Kräfte in Familien arbeiten.
Viele dieser Beschäftigten aus den Nachbarländern haben zu Beginn der Corona-Pandemie ad hoc gekündigt, weil sie wegen der Grenzschließungen und Quarantäneregelungen sonst lange ihre eigenen Familien nicht hätten wiedersehen können; andere haben ihren Aufenthalt im Pflegekontext um viele Wochen verlängert und so auf die Erholungsphasen bei ihren Familien verzichtet. Dazu kommt, dass fast ein Viertel der Beschäftigten im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen als Risikopersonen nicht arbeiten konnten bzw. können; die meisten anderen hatten zunächst keine Schutzausrüstungen und waren daher vermeidbaren Gesundheitsrisiken ausgesetzt.
Aus all dem muss nun die Konsequenz gezogen werden, dass sich die gestiegene Wertschätzung der genannten Berufsgruppen in höheren Personalschlüsseln, besseren Arbeitsbedingungen, und angemessener Entlohnung niederschlagen muss. Nur so lässt sich das notwendige Personal für ein krisenfestes Sozial- und Gesundheitswesen gewinnen, auf das wir alle gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich angewiesen sind.
- Mitglieder der RKHD -
Evangelische Hochschule Berlin, Evangelische Hochschule Darmstadt, Evangelische Hochschule Dresden, Evangelische Hochschule Freiburg, Evangelische Hochschule Hamburg, Evangelische Hochschule Ludwigsburg, Evangelische Hochschule Nürnberg, Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Katholische Hochschule Freiburg, Katholische Hochschule Mainz, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Katholische Stiftungshochschule München
https://www.eh-freiburg.de/neuigkeiten/who-cares-rkhd-hochschulen-fordern-besser...
Rektorin Prof.in Dr.in Renate Kirchhoff
Marc Doradzillo
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Pädagogik / Bildung
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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