Prof. Dr. Stefan Timmermanns von der Frankfurt UAS nimmt Stellung zu dem Verbot der umstrittenen Konversionsbehandlungen in Deutschland
Die Bundesregierung hat im Juni 2020 sogenannte Konversionstherapien bei Minderjährigen verboten. Diese stark umstrittene Methode soll angeblich Personen mit LSBTIQ*-Hintergrund, also schwule, lesbische und bisexuelle Menschen von ihrer Homosexualität „heilen“ oder transidente Personen von ihrem Wunsch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen abbringen. Ebenso gilt das Verbot bei Betroffenen, die zwar volljährig sind, jedoch durch Zwang, Drohung oder Täuschung zu einer „Umpolung“ ihrer sexuellen Orientierung bewegt oder von Transitionsschritten, der Annäherung an ihr empfundenes Geschlecht, abgehalten werden. Werbung für diese Behandlungsform wird zudem mit einer Geldstrafe geahndet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte zuvor eine Fachkommission berufen, die Vorschläge für ein wirksames rechtliches Verbot dieser Therapie erarbeiten sollte. Unter den beratenden Fachleuten war auch Prof. Dr. Stefan Timmermanns, Professor für Sexualpädagogik und Diversität in der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Der Sexualpädagoge begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung, mahnt jedoch, dass auch junge Erwachsene von diesen „Behandlungsmethoden“ betroffen sein können und hätte sich daher für das Gesetz eine höhere Altersgrenze gewünscht.
„Bis heute wird Homosexualität in vielen Teilen der Gesellschaft nicht als selbstverständlich betrachtet. Deutschland ist nach Malta erst das zweite Land, in dem ein Verbot der sogenannten Konversionsbehandlung gilt – die neue Gesetzgebung ist ein bedeutender Schritt für Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität ausgegrenzt und diskriminiert werden. Mit ihrer Entscheidung setzt die Bundesregierung einen Meilenstein für die Gleichberechtigung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transidenten Menschen“, betont Timmermanns.
Durch sogenannte Konversionsbehandlungen werde in vielen Fällen ein physischer und psychischer Druck auf die Betroffenen ausgeübt, der im schlimmsten Fall zu Depressionen oder gar zu einem Suizid führen könne. „Es wäre darum wichtig gewesen, den vollständigen Schutz über das 18. Lebensjahr bis mindestens zum 27. auszudehnen – nicht wenige homo-, bi- und transsexuelle Personen haben erst in dieser Zeit ihr Coming-out und sind besonders vulnerabel und unsicher in ihrer sexuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Identität“, erklärt Timmermanns.
Des Weiteren hätten Eltern sehr viel Einfluss auf ihre minderjährigen Kinder und könnten auch nach der Einführung des neuen Gesetzes strafrechtlich nur schwer verfolgt werden. „Eltern können immer noch einen mehr oder minder subtilen Druck ausüben. Es wird in der Praxis sehr schwierig werden, ihnen eine ‚gröbliche Verletzung‘ ihrer Fürsorgepflicht nachzuweisen, falls diese ihre Kinder zu einer solchen Behandlung zwingen“, mahnt Timmermanns. Verstöße gegen das Verbot von Konversionsbehandlungen werden fortan mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Verstöße gegen das Verbot der Werbung, des Anbietens und Vermittelns werden mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet.
Zur Person:
Prof. Dr. Stefan Timmermanns ist seit 2013 an der Frankfurt UAS tätig. Unter anderem wirkte er an der Studie „Wie leben lesbische, schwule, bisexuelle und trans* Jugendliche in Hessen?“ mit, die Teil der Umsetzung des Hessischen Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt ist und aus Landesmitteln finanziert wurde. Details der Erhebung sind unter http://bit.ly/LSBTQ-Jugendliche nachzulesen. Zudem arbeitet er aktuell gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an der Auswertung der Studie „Wie geht’s euch?“ zu psychosozialer Gesundheit, Wohlbefinden und Diskriminierung von LSBTIQ* in Deutschland, an der 8756 Personen teilgenommen haben. Die Ergebnisse dieser vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Untersuchung werden voraussichtlich im Frühjahr 2021 veröffentlicht.
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Prof. Dr. Stefan Timmermanns, Telefon: +49 69 1533-2851, E-Mail: timmermanns.stefan@fb4.fra-uas.de
Weitere Informationen zum Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit unter: http://www.frankfurt-university.de/fb4.
Gerne steht Prof. Dr. Timmermanns für Interviews, Fragen und weitere Statements rund um das Thema zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich bei Interesse per E-Mail an pressestelle@fra-uas.de oder telefonisch an +49 69 1533-3337.
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