Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere haben Überzeugungen, allerdings ist es schwieriger, sie nachzuweisen als bei Menschen. Vier Kriterien zur Definition haben Dr. Tobias Starzak und Prof. Dr. Albert Newen vom Institut für Philosophie II der Ruhr-Universität Bochum in der Zeitschrift „Mind and Language“ vorgeschlagen. Der Artikel ist am 16. Juni 2020 online erschienen.
Das erste Kriterium für das Vorhandensein von Überzeugungen, das die Philosophen herausgearbeitet haben, besagt, dass ein Tier Informationen über die Welt besitzen muss. Diese dürfen aber nicht einfach nur zu einer automatischen Reaktion führen, wie bei einem Frosch, der instinktiv nach einem vorbeifliegenden Insekt schnappt.
Stattdessen muss das Tier zweitens in der Lage sein, die Informationen für ein flexibles Verhalten zu nutzen. „Das ist dann der Fall, wenn eine Information mit unterschiedlichen Motivationen verknüpft werden kann“, erklärt Albert Newen. „Zum Beispiel, wenn das Tier die Information, dass es hier in diesem Moment Futter gibt, sowohl zum Essen als auch zum Verstecken des Futters verwenden kann.“
Informationen können neu verknüpft werden
Das dritte Kriterium besagt, dass die Information in einer Überzeugung intern strukturiert ist, man also einzelne Aspekte einer Information getrennt verarbeiten kann. Das zeigt sich zum Beispiel in Experimenten mit Ratten, die lernen können, dass sie eine bestimmte Sorte Futter zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort finden. Ihr Wissen hat eine Was-wann-wo-Struktur.
Viertens müssen Tiere mit Überzeugungen in der Lage sein, die Informationskomponenten neu zu verknüpfen. Diese neu zusammengebaute Überzeugung sollte dann flexibles Verhalten ermöglichen. Auch das können Ratten, wie der US-amerikanische Forscher Jonathan Crystal in Versuchen in einem achtarmigen Labyrinth demonstrierte. Die Tiere lernten, dass, wenn sie morgens normales Futter in Gang drei des Labyrinths erhielten, mittags Schokolade in Gang sieben zu finden war.
Krähen und Buschhäher erfüllen alle Kriterien
Als Beispiel für Tiere mit Überzeugungen führen die Bochumer Autoren außerdem Krähen und Buschhäher an. Die britische Forscherin Nicola Clayton führte entscheidende Experimente mit Buschhähern durch. Wenn die Vögel hungrig sind, haben sie zunächst die Tendenz, Futter zu essen. Sind sie satt, verstecken sie die Reste systematisch. Sie erfassen dabei, welches Futter – Wurm oder Erdnuss – sie wann wo versteckt haben. Sind sie in den folgenden Stunden hungrig, suchen sie zunächst die Würmer, die sie lieber mögen. Nach Ablauf der Zeit, mit der Würmer verderben, steuern sie dann nur noch die Erdnuss-Verstecke an.
„Wenn die Vögel annehmen, dass die Würmer verdorben sind, ändern sie ihr Verhalten – ein gutes Beispiel für eine Überzeugung“, sagt Tobias Starzak. Die Tiere reagieren auch in anderen Situationen flexibel, beispielsweise, wenn sie merken, dass sie beim Verstecken von Konkurrenten beobachtet werden – dann verstecken sie das Futter später neu.
Flexible Verhaltensweisen, die als Überzeugungen zu deuten sind, wurden auch bei Ratten, Schimpansen und Bordercollies gezeigt. „Vermutlich haben aber noch viel mehr Tierarten Überzeugungen“, schätzt Albert Newen.
Prof. Dr. Albert Newen
Institut für Philosophie II
Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 22139
E-Mail: albert.newen@rub.de
Albert Newen, Tobias Starzak: How to ascribe beliefs to animals, in: Mind and Language, 2020, DOI: doi.org/10.1111/mila.12302
Bei einigen Tieren haben Forscher Überzeugungen nachgewiesen, zum Beispiel bei manchen Vogelarten.
Julia Weiler
© Julia Weiler
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Philosophie / Ethik
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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