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18.06.2020 20:34

Waldverlust verstärkt Biodiversitätswandel

Kati Kietzmann Medien und Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

    Der Verlust von Waldflächen verringert nicht grundsätzlich die biologische Vielfalt – aber er kann sie stark verändern. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Die im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie zeigt anhand von Biodiversitätsdaten der vergangenen 150 Jahre von mehr als 6000 Orten, dass der Rückgang von Wäldern auf der ganzen Welt bestehende Zunahmen oder Rückgänge bei den vorherrschenden Tier- und Pflanzenarten verstärkt. Doch diese Veränderungen werden mitunter erst nach Jahrzehnten deutlich.

    Wälder stellen die Lebensgrundlage für etwa 80 % der an Land lebenden Tier- und Pflanzenarten dar – vom Adler über die Glockenblume bis hin zum Zilpzalp und vielen anderen. Diese Vielfalt ist Garant für wichtige Ökosystemleistungen. Und manche Arten, wie der in Deutschland unter Naturschutz stehende Alpenbockkäfer, fühlen sich in Altholzbeständen am wohlsten. Doch durch den Menschen verändern sich die Wälder, zum Beispiel, wenn sie Weide- oder Ackerflächen weichen müssen.

    Wissenschaftler verschiedener internationaler Forschungseinrichtungen, darunter Dr. Shane Blowes vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), haben nun untersucht, welche Folgen der Waldverlust für die Arten und die Biodiversität über die Zeit und an verschiedenen Orten weltweit hat. Sie fanden heraus, dass der Rückgang von Waldflächen sowohl die Zunahme als auch den Rückgang verschiedener Arten und der Biodiversität insgesamt befördert.

    Waldverlust verstärkt sowohl Zunahmen als auch Rückgänge der Biodiversität

    „Die Biodiversität, also welche Tier- und Pflanzenarten auf der Welt vorkommen, befindet sich immer im Wandel. Die Arten, die wir heute bei einem Spaziergang im Wald sehen, sind vermutlich andere als die, die wir als Kind gesehen haben“, sagt Erstautorin Gergana Daskalova von der Universität von Edinburgh. „Erstaunlicherweise haben wir herausgefunden, dass ein Rückgang des Waldes nicht unbedingt auch zu einem Rückgang der Biodiversität führt: Wenn sich eine Pflanzen- oder Tierart ohnehin im Rückgang befindet, dann verschlimmert sich dies durch den Waldverlust. Umgekehrt trifft das aber auch zu, wenn Arten zunehmen.“

    Die Studie griff auf die Datensätze BioTIME und Living Planet zurück, die mit den Daten von Forschern auf der ganzen Welt gefüttert werden. Indem sie mehr als 5 Millionen Einträgen zur Zahl verschiedener Pflanzen und Tiere mit Informationen zu früheren oder aktuellen Waldrückgängen zusammenführten, konnten die Wissenschaftler die globalen Auswirkungen des Waldverlustes auf die Biodiversität untersuchen. „Für ein globales Bild davon, wie sich unser Planet verändert, mussten wir verschiedene Arten von Informationen kombinieren – von Beobachtungen von Pflanzen und Tieren bis hin zu Satellitenaufzeichnungen aus dem Weltall“, erklärt Dr. Isla Myers-Smith von der Universität von Edinburgh.

    Veränderungen der Biodiversität möglicherweise erst nach Jahrzehnten

    Die Forschungsergebnisse zeigen sowohl unmittelbare als auch spätere Auswirkungen des Waldverlustes auf die Ökosysteme. Dies legt nahe, dass die Reaktionen der Biodiversität auf den Einfluss des Menschen vielfältig sind und über Jahrzehnte hinweg auftreten können. So waren sowohl Veränderungen der Biodiversität innerhalb weniger Jahre feststellbar, wie bei kurzlebigen Gräsern und lichtliebenden Pflanzen und Insekten, doch mitunter auch erst nach Jahrzehnten, wie bei langlebigen Bäumen und größeren Vögeln oder Säugetieren. Diese langlebigen Arten reagieren nicht sofort auf den Verlust der Waldflächen, stattdessen können die Folgen erst nach vielen Jahren anhand der gesammelten Daten deutlich werden.

    Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass der Waldverlust in einigen tropischen Gegenden stärker voranschreitet als jemals zuvor, was zu einem Rückgang verschiedener Tierarten führt. In Nordamerika und in Europa wurde der stärkste Waldverlust meist vor Jahrhunderten verzeichnet, doch auch geringere Rückgänge führen heute zu Veränderungen der Biodiversität und befördern die Zunahme einiger Arten und den Rückgang anderer.

    “Indem wir die verschiedenen Weisen – sowohl positive als auch negative – besser verstehen, auf die sich Waldverlust auf die Biodiversität auswirkt, können wir zukünftige Schutz- und Wiederherstellungsmaßnahmen globaler Ökosysteme verbessern. Gemeinsame Forschungsprojekte, die Daten aus der ganzen Welt zusammenführen, helfen uns, ein umfassendes Bild davon zu erstellen, wie es um die Wälder, aber auch die Pflanzen und Tiere weltweit bestellt ist“, sagt Dr. Shane Blowes.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Shane Blowes, shane.blowes@idiv.de


    Originalpublikation:

    Gergana N. Daskalova, Isla H. Myers-Smith, Anne D. Bjorkman, Shane A. Blowes, Sarah R. Supp, Anne E. Magurran, Maria Dornelas (2020). Landscape-scale forest loss as a catalyst of population and biodiversity change. Science. DOI: 10.1126/science.aba1289


    Bilder

    Der fortschreitende Waldverlust verändert Ökosysteme auf der ganzen Welt
    Der fortschreitende Waldverlust verändert Ökosysteme auf der ganzen Welt
    Malkolm Boothroyd
    Malkolm Boothroyd


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Geowissenschaften, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der fortschreitende Waldverlust verändert Ökosysteme auf der ganzen Welt


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