Oft heißt es, dass Privatpatientinnen und Privatpatienten in Deutschland schneller einen Arzttermin bekämen als gesetzlich Versicherte. Wissenschaftliche Erkenntnisse gab es dazu bislang jedoch kaum. Eine Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Cornell University bestätigt nun den Verdacht: Im Rahmen eines Feldexperiments fragte eine Testperson Termine bei knapp 1.000 Facharztpraxen in ganz Deutschland an: Die Praxen boten den Privatversicherten mit einer statistisch signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einen Termin an. Wenn ein Termin angeboten wurde, mussten gesetzlich Versicherte im Durchschnitt mehr als doppelt so lang darauf warten wie Privatpatienten.
Das Wichtigste in Kürze:
- Für die Studie fragte eine Testperson einem standardisierten Protokoll folgend telefonisch Termine für Allergietests, Hörtests und Magenspiegelungen bei rund 1000 Facharztpraxen in ganz Deutschland an, wobei jede Praxis im Abstand von einigen Wochen zweimal von der gleichen Testperson angerufen wurde. Der zufällig zugewiesene Versicherungsstatus wurde dabei immer genannt. Das Feldexperiment fand zwischen April 2017 und Mai 2018 statt.
- 85 Prozent aller fiktiven Patientinnen und Patienten bekamen einen konkreten Termin angeboten. Die Wahrscheinlichkeit, einen Termin zu erhalten, war bei Privatversicherten jedoch sieben Prozent höher als bei gesetzlich Versicherten.
- Wenn ein Termin angeboten wurde, mussten gesetzlich Versicherte im Durchschnitt 25 Tage auf den Termin warten, bei Privatversicherten betrug die Wartezeit nur 12 Tage.
- Bei Magenspiegelungen und Allergietests, bei denen die Vergütungsunterschiede zwischen Privat- und gesetzlich Versicherten am größten sind, war die Differenz in der Wartezeit besonders groß. Auch für einen Hörtest, bei dem die die Preisunterschiede zwischen privaten und gesetzlichen Behandlungen deutlich geringer sind, erhielten Privatversicherte schneller einen Termin, der Unterschied war jedoch deutlich geringer.
- In der Frage, ob überhaupt ein Termin angeboten wurde, bestand nur bei Magenspiegelungen und Allergietests ein signifikanter Unterschied. Für einen Hörtest bekamen alle Patienten gleich häufig einen Termin angeboten.
- Die Studie zeigt auch, dass die Ungleichbehandlung bei den Wartezeiten in Städten und Kreisen mit hoher Bevölkerungsdichte tendenziell größer ist als in ländlichen Kreisen. Zudem scheinen die Unterschiede in Ostdeutschland etwas geringer zu sein als in Westdeutschland.
„Unsere Studie bestätigt den Verdacht, dass Privatpatienten von vielen Fachärzten bevorzugt werden“, sagt RWI-Gesundheitsökonom Ansgar Wübker, einer der Autoren der Studie. „Die Ergebnisse legen nahe, dass die höhere Vergütung der Hauptgrund für die Bevorzugung von Privatversicherten ist.“ Ko-Autorin Anna Werbeck (RWI) ergänzt: „Solange die großen Unterschiede in den Erstattungssätzen bestehen, haben Fachärzte einen Anreiz, Privatpatienten bei der Terminvergabe vorzuziehen.“
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Ihre Ansprechpartner/in dazu:
Prof. Dr. Ansgar Wübker, Tel.: (0201) 81 49-242
Leonard Goebel (Kommunikation), Tel.: (0201) 81 49-210
Prof. Dr. Ansgar Wübker, Tel.: (0201) 81 49-242
Anna Werbeck, Ansgar Wübker und Nicolas R. Ziebarth (2020), Ruhr Economic Paper #846 “Cream Skimming by Health Care Providers and Inequality in Health Care Access: Evidence From a Randomized Field Experiment”
https://www.rwi-essen.de/publikationen/ruhr-economic-papers/1068/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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