Dem Mikrobiom im Darm schreiben Wissenschaftler eine wichtige Bedeutung für die Gesundheit zu. Welche Mechanismen im Einzelnen dahinterstecken, ist bislang jedoch weitgehend unbekannt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen liefern jetzt einen Beweis dafür, dass Darmbakterien einen direkten Einfluss auf den Fettstoffwechsel ihres Wirts nehmen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in Nature Communications.
Der menschliche Organismus enthält rund zehnmal so viele Mikroorganismen wie humane Zellen. Prominent sind insbesondere die Mikroben-WGs auf der Haut und im Darm. Sie üben eine Schutzfunktion aus und verhindern etwa, dass sich Krankheitserreger ausbreiten können. Doch in den letzten 15 Jahren wurde immer deutlicher: Die Mitbewohner im Körper leisten noch viel mehr. Sie unterstützen das Immunsystem, die Verdauung und die Nährstoffaufnahme ins Blut. Sie liefern wertvolle Vitamine und Bausteine und nehmen sogar Einfluss auf das Gemüt. Schlussendlich: Die Mikroorganismen im Darm entscheiden mit über Gesundheit und Krankheit ihres Wirts.
Über welche Mechanismen Darm-Mikroben den Stoffwechsel ihres Wirts im Detail beeinflussen, ist noch weitgehend unbekannt. Auch ist nicht immer eindeutig, welche Rolle die von den Mikroben hergestellten Nährstoffe und Bausteine tatsächlich für den Wirtsorganismus spielen. Ruth Ley, Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, hat dies nun gemeinsam mit ihrem Team am Beispiel der Sphingolipide untersucht. Dabei handelt es sich um eine wichtige Gruppe von Lipiden, also Fettmolekülen, die etwa wichtige Bestandteile der Zellmembran aber auch vieler Signalmoleküle darstellen. Ein Ungleichgewicht im Sphingolipid-Haushalt, steht im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz oder Fettleber.
Der menschliche Körper kann selbst Sphingolipide synthetisierten. Außerdem werden die Fette über die Nahrung aufgenommen. „Es gibt aber im Darm-Mikrobiom einen auffallend hohen Anteil an Bakterien, die ebenfalls Sphingolipide produzieren“, sagt Ley. „Das betrifft rund 30 bis 40 Prozent des Mikrobioms, ist also so dominant, dass es nahe liegt, dass die Spingolipide aus Bakterien eine Rolle für den Wirt spielen.“ Bislang ist jedoch lediglich bekannt, dass die bakteriellen Sphingolipide an den Signalwegen der entzündlichen Immunantwort im Darm beteiligt sind. Ob sie auch Einzug in den Fettstoffwechsel des Wirts halten, war bislang nicht geklärt.
Ruth Ley und ihr Team haben zunächst im Zellkulturexperiment belegt, dass menschliche Zellen in der Lage sind, die Sphingolipide aus den Bakterien für ihre Stoffwechselaktivitäten zu nutzen. Gleichzeitig drosselt das Vorhandensein bakterieller Sphingolipide die zelleigene Produktion.
Um nun zu prüfen, welche Rolle die Sphingolipide aus dem Mikrobiom im lebenden Organismus spielen, arbeiteten die Tübinger Max-Planck-Wissenschaftler mit steril gezüchteten Mäusen, die von keinerlei Mikroorganismen besiedelt sind. Diese Tiere haben gegenüber Mäusen mit einem normalen Mikrobiom einen deutlich veränderten Fettstoffwechsel. So produzieren die keimfrei gehaltenen Tiere mehr Sphingolipode in der Leber als ihre Artgenossen, die unter normalen Bedingungen aufwachsen.
Dies änderte sich gravierend, als die Wissenschaftler um Ruth Ley nun die keimfreien Tiere mit dem Sphingolipid-synthetisierenden Mikroorganismus Bacteroides thetaiotaomicron animpften. Fortan reduzierte sich die Sphingolipid-Produktion in der Leber der Tiere auf ein normales Maß.
Außerdem ließen sich bakterielle Sphingolipide auch im Blut der Nager nachweisen – allerdings nicht in der Leber selbst. Vermutlich werden die Fette in den Stoffwechsel einbezogen, ohne dafür selbst in die Leber transportiert zu werden. Möglicherweise werden sie umgewandelt, bevor sie in die Leber gelangen, oder sie senden Signale in die Leber, so die Überlegung der Wissenschaftler. „Dass sich die Sphingolipid-Synthese in der Leber der Tiere durch das Vorhandensein bakterieller Sphingolipide reduziert, zeigt uns deutlich, dass sie Einfluss nehmen auf den Stoffwechsel“, so Ley.
Noch gilt es zu untersuchen, ob sich dieser Befund so auch im menschlichen Organismus bestätigen lässt. Dennoch liefern die Ergebnisse der Max-Planck-Forscher bereits jetzt entscheidende Hinweise darauf, wie das Mikrobiom auf direktem Wege den Fettstoffwechsel und damit die Gesundheit beeinflussen kann.
Prof. Ruth Ley, Ph.D.
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
Tel.: 07071 601-449
e-Mail: ruth.ley@tuebingen.mpg.de
Johnson EL, Heaver SL, Waters JL, et al. Sphingolipids produced by gut bacteria enter host metabolic pathways impacting ceramide levels. Nat Commun. 2020;11(1):2471. Published 2020 May 18. doi:10.1038/s41467-020-16274-w
http://mpg.de/9751550/entwicklungsbiologie_ley
Abbildung der in der Studie verwendeten Bacteroides thetaiotaomicron
Jürgen Berger
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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