Die Apothekenlandschaft befindet sich momentan im Umbruch. Hauptsächlich in den Städten des Ruhrgebiets zeichnet sich ein „Apothekensterben“ ab – andererseits wächst der Bedarf an Medikamenten, Information und Beratung. Verursacht werden die gegenläufigen Entwicklungen durch den demografischen Wandel, stellt eine aktuelle Studie fest, die das Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) für den Apothekerverband Westfalen-Lippe erstellt hat. Mittel- bis langfristig könnte die Situation in Schieflage geraten, wenn die medikamentöse Versorgung der Bevölkerung vor allem in ländlichen Regionen nicht mehr gesichert werden kann.
In Deutschland gab es im Jahr 2019 fast 20.000 Apotheken, die nahezu 160.000 Menschen einen Arbeitsplatz bieten. Während in den frühen 2000er Jahren die Zahl der Apotheken noch wuchs, ist seit dem Jahr 2010 ein rückläufiger Trend zu beobachten, bei dem die Zahl der Apothekenschließungen die der Neugründungen übersteigt. Gleichzeitig hat die Anzahl der Beschäftigten in Apotheken deutlich zugenommen. Für wachsenden Druck sorgen die Unsicherheiten bei der Preisbindung von rezeptpflichtigen Medikamenten, die zunehmende Konkurrenz durch Online-Angebote und die Abwanderung von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in Forschung und Industrie.
Mit der stetig wachsenden Anzahl älterer Menschen wird sich die Nachfrage nach einer umfassenden, beratungs- und betreuungsintensiven Versorgung mit Arzneimitteln – vor allem vor Ort und angesichts der wachsenden Bedeutung der regionalen Versorgung im Wohnquartier – in Zukunft deutlich erhöhen, so die Studie. Gleichzeitig werden aber auch die Apothekenbesitzer*innen älter und müssen sich um die Nachfolge kümmern. Apotheken sind also doppelt vom demografischen Wandel betroffen.
Wird in ländlichen Regionen eine Apotheke geschlossen, hat das häufig weitreichende Konsequenzen für die Versorgungssituation „vor Ort“: Während in einer Stadt der zusätzliche Versorgungsbedarf infolge einer Schließung durch weitere nahegelegene Standorte aufgefangen werden kann, können auf dem Land im Extremfall ganze Ortschaften von einer Nahversorgung ausgeschlossen werden. „Noch ist es allerdings nicht zu spät, diesen Entwicklungsprozess zu stoppen“, meint Dr. Peter Enste, Direktor des IAT-Forschungsschwerpunkts Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität. „In naher Zukunft müssen aber eine Reihe von Nachfolge- und Übernahmeregelungen abgeschlossen werden, um die Versorgung im gesamten Kammerbezirk sicherzustellen.“
Über mangelndes Interesse des Nachwuchses ist eigentlich nicht zu klagen: Das Pharmazie-Studium ist nach wie vor bundesweit sehr beliebt, steigende Einschreibungszahlen und hohe Auslastungen an den drei nordrhein-westfälischen Fakultäten bestätigen diesen Entwicklungstrend. Es zeigt sich allerdings, dass viele Absolventen den Gang in die Industrie bevorzugen und das Risiko der Selbständigkeit im Rahmen einer Apothekengründung meiden. „Wir sind in der Vergangenheit sehenden Auges in den Ärzte- und Pflegepersonal-Mangel hineingelaufen“, warnt Prof. Dr. Josef Hilbert, Research Fellow am IAT. Das sollte bei den Apothekern nicht noch einmal passieren. „Wenn wir den Beruf jetzt attraktiv weiterentwickeln, können wir noch etwas ändern“ – und das Apothekensterben aufhalten.
Dr. Peter Enste, Tel.: 0209/1707-133, enste@iat.eu; Prof. Dr. Josef Hilbert, hilbert@iat.eu
https://www.iat.eu/media/forschung_aktuell_2020-07_1.pdf
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Wirtschaft
regional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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