idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.07.2020 08:30

Können Rinder ihren Stall sauber halten?

Norbert K. Borowy Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN)

    Verhaltenswissenschaftler entwickeln Kuhtoilette und erforschen die Steuerung des Ausscheidungsverhaltens

    In Zusammenarbeit mit Verhaltensforschern von The University of Auckland in Neuseeland sowie Wissenschaftlern des zum Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) gehörenden Instituts für Tierschutz und Tierhaltung in Celle erforschen Verhaltensbiologen am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf das Ausscheidungsverhalten von Rindern. Können Kühe stallrein werden und somit die Umwelt entlasten und sich selbst besser vor Erkrankungen schützen?

    Haustiere sind in der Regel stubenrein und selbst Schweine suchen (wenn möglich) eine abgelegene Stallecke für ihr Geschäft auf. Ganz anders sieht es bei den Kühen aus. Diese verrichten ihren „Toilettengang“ dort, wo sie sich gerade aufhalten. Das hat negativen Folgen für die Umwelt und die Tiere selbst. Die dabei entstehenden Ammoniakemissionen sind klimarelevant. Durch die Nutzung einer Latrine und die Trennung von Kot und Harn könnten sie aber deutlich vermindert werden. Ein verschmutzter Stall wirkt sich auch ungünstig auf die Klauen- und Eutergesundheit der Tiere aus und erhöht den Reinigungsaufwand erheblich. Eine erwachsene Milchkuh produziert pro Tag durchschnittlich 20 bis 30 Liter Urin und 30 bis 40 Kilogramm Kot.

    Verhaltensforscher wollen Tierwohl und Stallhygiene verbessern

    In einer aktuellen Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass mithilfe assoziativer Lernmethoden wie der operanten Konditionierung ein erfolgreiches Latrinentraining bei Rindern möglich ist. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Neuroscience and Biobehavioral Reviews* veröffentlicht. Darin werden die neurophysiologischen Grundlagen des Ausscheidungsverhaltens bei Säugetieren und mögliche Lernprozesse, die speziell bei Rindern zu einer tierseitigen Kontrollierbarkeit ihres Verhaltens hinsichtlich der Nutzung einer Latrine im Stall erschlossen werden können, dargestellt. Es wurde der Schluss gezogen, dass auch Rinder über die Intelligenz und die neurophysiologischen Grundlagen verfügen, die ein Toilettentraining ermöglichen. Die praktische Umsetzung des Toilettentrainings wird zurzeit mit den Partnern aus Celle und Neuseeland in einem von der VolkswagenStiftung geförderten Verbundvorhaben am FBN untersucht.

    Trainiert wird in eigens für Kälber errichteten Latrinen, die mit einem durchlässigen grünen Belag versehen sind, der gleichzeitig als Spritzschutz fungiert. Urinausscheidungen außerhalb der Latrine werden mit einer kurzen Dusche bestraft, wohingegen sie in der Latrine nach einer Urinausscheidung belohnt werden (s. Video).

    „In einem ersten Schritt wollten wir untersuchen, inwieweit Kühe überhaupt auf ein kontrolliertes Ausscheidungsverhalten trainiert werden können“, sagte Dr. Jan Langbein, Projektleiter am FBN. „Das ist insgesamt ein sehr komplexer Vorgang. Diese Frage können wir aber inzwischen mit einem klaren Ja beantworten, das haben die aktuellen Experimente mit den Kälbern gezeigt. Dabei hat sich die Lernmethode der sogenannten operanten Konditionierung, die auf eine Belohnung bei gewünschtem Verhalten setzt, bewährt. Eine entscheidende Rolle wird die praxistaugliche Integration in den Stallalltag spielen.“

    Hier steht der internationale Durchbruch noch aus, obwohl Wissenschaftler in Dänemark, England, Estland, Australien, Kanada und den Niederlanden daran seit längerem forschen. Deshalb wollen die Wissenschaftler aus Dummerstorf mit ihren Forscherkollegen in Celle und Neuseeland einen großen Schritt weiterkommen. „Wenn wir es wirklich schaffen, die Intelligenz der Tiere für eine Einrichtung von Kuhtoiletten in der Praxis zu nutzen, würden alle profitieren: Die Kühe, die Tierhalter und die Umwelt“, so Projektkoordinator Lars Schrader vom FLI.

    *Publikation
    Neuroscience & Biobehavioral Reviews, Volume 115, August 2020, Pages 5-12
    Dirksen, N., Langbein, J., Matthews, L., Puppe, B., Elliffe, D., & Schrader, L. (2020). Conditionability of ‘voluntary’ and ‘reflexive-like’ behaviors, with special reference to elimination behavior in cattle
    https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2020.05.006

    Video: FBN
    LINK: http://www.fbn-dummerstorf.de/aktuelles/pressemappe/medien-1/
    Nutzung der Kuhlatrine im FBN (siehe unter Videos: Kuhlatrine)

    Die Leibniz-Gemeinschaft
    Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 93 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro. http://www.leibniz-gemeinschaft.de

    http://www.fli.de/de/institute/institut-fuer-tierschutz-und-tierhaltung-itt/

    Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN)
    Vorstand Prof. Dr. Klaus Wimmers
    T +49 38208-68 600
    E wimmers@fbn-dummerstorf.de

    Institut für Verhaltensphysiologie
    Leitung Prof. Dr. Birger Puppe
    T +49 38208-68 800
    E puppe@fbn-dummerstorf.de
    Projektleiter: Dr. Jan Langbein
    T +49 38208-68 814
    E langbein@fbn-dummerstorf.de

    Wissenschaftsorganisation Dr. Norbert K. Borowy
    T +49 38208-68 605
    E borowy@fbn-dummerstorf.de
    http://www.fbn-dummerstorf.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Institut für Verhaltensphysiologie
    Projektleiter: Dr. Jan Langbein
    T +49 38208-68 814
    E langbein@fbn-dummerstorf.de


    Originalpublikation:

    Neuroscience & Biobehavioral Reviews, Volume 115, August 2020, Pages 5-12
    Dirksen, N., Langbein, J., Matthews, L., Puppe, B., Elliffe, D., & Schrader, L. (2020). Conditionability of ‘voluntary’ and ‘reflexive-like’ behaviors, with special reference to elimination behavior in cattle
    https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2020.05.006


    Weitere Informationen:

    http://www.fbn-dummerstorf.de/aktuelles/pressemappe/medien-1/ - Video: FBN - Nutzung der Kuhlatrine im FBN (siehe unter Videos: Kuhlatrine)
    http://www.fli.de/de/institute/institut-fuer-tierschutz-und-tierhaltung-itt/


    Bilder

    Ein Kalb nutzt eine spezielle Latrine und erhält dort auch direkt eine kleine Belohnung.
    Ein Kalb nutzt eine spezielle Latrine und erhält dort auch direkt eine kleine Belohnung.
    Foto: FBN/nordlicht
    Foto: FBN/nordlicht


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Ein Kalb nutzt eine spezielle Latrine und erhält dort auch direkt eine kleine Belohnung.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).