Rund 10 Prozent der COVID-19-Patienten erkranken lebensgefährlich und benötigen intensivmedizinische Behandlung. Eine neue Studie liefert Ärztinnen und Ärzten nun wichtige Informationen zum individuellen Risiko und für die Therapie schwer erkrankter Patientinnen und Patienten schon bei deren Aufnahme auf der Intensivstation. Dafür wertete ein internationales Team von Intensivmedizinern unter der Leitung von Matthias Hilty und Reto Schüpbach vom Universitätsspital Zürich Daten aus dem neuen RISC-19-ICU Register aus.
Nach ersten Erfahrungen brauchen rund 20 Prozent der COVID-19-Patienten Spitalpflege, 10 Prozent der Patientinnen und Patienten erkranken lebensbedrohlich und benötigen intensivmedizinische Behandlung. Die schnell ansteigende Zahl dieser Patienten bringt auch gut organisierte Gesundheitssysteme zur Erschöpfung. Die Berichte von überfüllten Intensivstationen und überforderten Gesundheitseinrichtungen prägten denn auch das Bild der neuen Krankheit COVID-19 über Wochen hinweg.
Für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ist deshalb der offene Austausch fundierter Informationen über den Krankheitsverlauf und über Risikofaktoren dieser Patienten von unschätzbarem Wert für deren Behandlung und für die Vorbereitung der Infrastruktur.
RISC-19-ICU-Register: Datenschatz zu Risikopatienten
Eine Gruppe von Intensivmedizinern des Universitätsspitals Zürich lancierte dafür schon im März 2020 ein internationales Register, in dem Intensivmedizinerinnen und -mediziner anonymisierte Daten ihrer Patienten eintragen und die Datenauswertungen abrufen können. Während der Pandemiewelle wurden tägliche Auswertungen allen Intensivstationen zur Verfügung gestellt. Sie tragen damit laufend zu mehr Wissen über kritisch kranke Patienten und wirksame Therapien bei. Am RISC-19-ICU-Register sind mittlerweile 54 Zentren in 10 europäischen Ländern beteiligt.
Im Register werden 27 Parameter jedes Patienten beim Eintritt in die Intensivstation erfasst, darunter Alter, Geschlecht und Gewicht, Vorerkrankungen und Raucher/Nichtraucher, aber auch Vorerkrankungen und der bisherige Verlauf der Erkrankung und die vorgängige Aufenthaltsdauer auf der Normal- oder Notfallstation. Ein Fokus der Datenerhebung liegt darauf, wie sich die Organfunktion und Blutwerte der Patienten während der Therapie auf der Intensivstation entwickeln, welche Komplikationen und Begleiterkrankungen auftreten und wie sie behandelt werden.
Schon beim Spitaleintritt das Komplikations- und Sterberisiko erkennen
Ein Team aus Ärzten des Instituts für Intensivmedizin des Universitätsspital Zürich unter der Leitung von Dr. med. Matthias Hilty und Prof. Reto Schüpbach hat nun eine Auswertung von Daten aus dem RISC-19-ICU-Register in einer Studie in EClinicalMedicine (www.thelancet.com/journals/eclinm/home) publiziert. Für die Studie untersuchte es Daten von 639 COVID-19 Patientinnen und Patienten, die auf Intensivstationen in Europa behandelt werden mussten im Hinblick auf eine Verschlechterung ihres Zustands während des Aufenthalts auf der Intensivstation, ihr Sterberisiko und Todesursachen.
Die Auswertung zeigte, dass 75 Prozent der Patienten, die mit COVID-19 auf eine Intensivstation eingeliefert werden mussten, Männer im mittleren Alter (53-71 Jahre) sind, rund 50 Prozent davon hatten eine oder mehrere Vorerkrankungen. Dieser Wert bestätigt die bisherigen Beobachtungen. 51 Prozent zeigten ein akutes Lungenversagen (ARDS), und 49.6 Prozent mussten künstlich beatmet werden. Die Mortalität der Patienten beträgt 23.4 Prozent, bei rund einem Viertel davon trat ein Multiorganversagen auf. Anders als anfänglich angenommen, erwies sich für das Sterberisiko nicht nur eine Lungenfunktionsstörung als ausschlaggebend, sondern Patienten, die beim Eintritt an Sauerstoffmangel litten, deren Nieren und Gefässsystem nicht funktionierten und deren Blutgerinnung gestört war, sterben laut den Registerdaten häufiger.
Für Matthias Hilty, Oberarzt am Institut für Intensivmedizin des USZ, Koordinator des RISC-19-ICU-Registers und einer der Studienautoren, sind diese konkreten Aussagen ein grosser Gewinn: «Die Ergebnisse unserer Studie geben Intensivmedizinern einen Kompass an die Hand, mit dem sie schon beim Eintritt des Patienten abschätzen können, welchen Verlauf bei ihm die Krankheit nehmen könnte, mit welchen Komplikationen, zusätzlichen Infektionen und Interventionen wie künstliche Beatmung oder Nierenersatzverfahren am ehesten gerechnet werden muss. Für viele Kliniken ist eine solche Charakterisierung extrem hilfreich, speziell während einer ausserordentlichen Lage. Anhand der Daten konnten wir zudem einige bisherige Annahmen bestätigen, andere revidieren. Die Daten aus dem Register werden auch Grundlage für zahlreiche weitere Studien sein und damit zum besseren Verständnis der Krankheit und zur lebensrettenden Versorgung gerade der schwer an COVID-19 Erkrankten beitragen.»
Dr. med. Matthias Hilty
Institut für Intensivmedizin, Universitätsspital Zürich
matthias.hilty@usz.ch, 044 255 86 20 (Medienstelle)
Publikation
P.D. Wendel Garcia et al., Prognostic factors associated with mortality risk and disease progression in 639 critically ill patients with COVID-19 in Europe: Initial report of the international RISC-19-ICU prospective observational cohort, EClinical Medicine (2020), doi.org/10.1016/j.eclinm.2020.100449; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2589537020301930?via%3Dihub
http://RISC-19-ICU-Register, https://www.risc-19-icu.net/
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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