Gesetzliche Regelungen und keine Werkverträge: Um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zu verbessern, kommt es auf den Staat an. „Der Kontrolldruck auf die Branche muss nachhaltig erhöht werden“, fordert das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) in seinem aktuellen Report. Dazu braucht es neue Kontrollstrategien zwischen den Arbeitsschutzbehörden, der Unfallgenossenschaft, den Sozialversicherungen, den Finanzbehörden und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit.
„Die neuesten Versprechungen der Branche sind Folge des politischen Drucks, nicht aber eines Umdenkens“, kritisiert das IAQ-Team mit Prof. Dr. Gerhard Bosch, Frederic Hüttenhoff und Dr. Claudia Weinkopf. Für die Mindestlohnforschung verfolgt das IAQ seit Jahren die Entwicklungen in der deutschen Fleischwirtschaft. Sie ist inzwischen zum Synonym für Ausbeutung, Lohndumping und soziale Verantwortungslosigkeit der Arbeitgeber geworden. Gesetzliche Vorgaben, Mindestlohn und „freiwillige Selbstverpflichtungen“ wurden immer wieder umgangen, scheiterten am Widerstand der Branche und ihrer Lobby oder einfach mangels wirksamer Sanktionen.
Statt vieler Kleinbetriebe gibt es heute einen industrialisierten Wirtschaftszweig mit wenigen Marktführern, die die meisten Tätigkeiten ausgelagert haben, um so den durch die EU-Osterweiterung verfügbaren Pool billiger Arbeitskräfte besser auszuschöpfen. Die skandalösen Arbeitsbedingungen ließen sich in undurchsichtigen Subunternehmerstrukturen verschleiern.
Der Branchenmindestlohn ab August 2014 führte immerhin dazu, dass die zuvor von Werkvertragsunternehmen entsandten Beschäftigten jetzt meist Arbeitsverträge nach deutschem Arbeitsrecht haben und damit in das hiesige Sozialversicherungssystem einbezogen sind, was ihnen insbesondere Zugang zu einer Krankenversicherung verschafft hat.
Das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ (GSA Fleisch) von 2017 wirkt nur begrenzt: Zwar hat sich laut Berufsgenossenschaft die Zahlungsmoral bei den Sozialbeiträgen verbessert, eine große Kontrollaktion der Arbeitsschutzbehörden in NRW deckte aber im Spätsommer 2019 weiterhin massive Verstöße bei den Arbeitszeit- und Hygienestandards auf. Zudem müssen die Beschäftigten ihre Lohnansprüche weiterhin über ein zivilgerichtliches Verfahren einfordern und vor Gericht die Beweislast tragen. „Um zumindest Mindestlohnverstöße wirksamer aufzudecken und Lohnansprüche durchzusetzen, müssen Arbeitszeiten manipulationssicher erfasst werden. De Beschäftigten brauchen das gesetzliche Recht zur Einsicht der Angaben,“ fordert das IAQ-Team.
Redaktion: Claudia Braczko, Tel. 0157/71283308, claudia.braczko@uni-due.de
IAQ: Prof. Dr. Gerhard Bosch, Tel. 0203/37 9-1339, gerhard.bosch@uni-due.de, Frederic Hüttenhoff, Tel. 0203/ 37 9-2394, frederic.huettenhoff@uni-due.de, Dr. Claudia Weinkopf, Tel. 0203 37 9-1353, claudia.weinkopf@uni-due.de
https://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2020/report2020-07.php
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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