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14.07.2020 11:22

Paritätsgesetze sorgen für Gleichstellung – oder? Warum Frauen in Parlamenten trotzdem unterrepräsentiert blieben

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    An der männlichen Dominanz bei Direktmandaten können Paritätsgesetze nichts ändern. Mannheimer Politikwissenschaftler empfehlen daher wirkungsvolle freiwillige Maßnahmen wie etwa kompensatorische Listen.

    Am 15. Juli spricht das Thüringer Verfassungsgericht ein Grundsatzurteil zum Paritätsgesetz in Thüringen. Das Gesetz war im Juli 2019 von der damals mit absoluter Mehrheit regierenden Koalition aus LINKEN, SPD und Grünen gegen die Stimmen von Union und AfD beschlossen worden. Es sieht vor, dass Parteien ihre Landeslisten paritätisch in abwechselnder Reihenfolge mit Frauen und Männern besetzen. Würde das Gesetz also dafür sorgen, dass künftig ebenso viele Frauen wie Männer im Landtag vertreten sind?

    Kaum, sagen PD Dr. Christian Stecker (derzeit TU Darmstadt) und Tobias Weiß vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim. Die beiden Politikwissenschaftler haben alle Thüringer Landtagswahlen seit 1990 unter den Bedingungen des geplanten Gesetzes simuliert (siehe unten). Eine paritätische Sitzverteilung zwischen Männern und Frauen wurde dabei in keinem Fall erreicht, meist deutlich verfehlt.

    Frauenanteil bliebe trotz Paritätsgesetz niedrig

    Tatsächlich würde das Gesetz, angewandt auf die letzte Landtagswahl 2019, den Frauenanteil nur geringfügig erhöhen, nämlich von real 31 Prozent auf 36 Prozent in der Simulation. MZES-Projektleiter Christian Stecker: „Nicht nur in Thüringen werden Direktmandate sehr häufig von Männern gewonnen. Das hat großen Einfluss auf die gesamte Sitzverteilung. Ein Paritätsgesetz, wie es nun für Thüringen vorgesehen und in Brandenburg bereits in Kraft ist, ändert daran wenig.“ Der Grund: Das Gesetz schreibt lediglich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf den Landeslisten vor, während die Nominierung von Wahlkreiskandidaten – oder -kandidatinnen – Sache der Parteien bleibt.

    Wissenschaftler sehen die Parteien in der Pflicht

    „Wir sehen daher vor allem die Parteien in der Verantwortung, das Ideal der Gleichstellung durch innerparteiliche Prozesse und Regelungen zu verwirklichen“, betont Dr. Stecker. Die Parteien müssten selbst tätig werden und zum Beispiel mehr Frauen in aussichtsreichen Wahlkreisen nominieren.

    „Eine weitere Möglichkeit sehen wir in kompensatorischen Listen“, ergänzt Tobias Weiß: „Ziehen für eine Fraktion mit 25 Mitgliedern beispielsweise 15 Männer über Direktmandate in den Landtag ein, dann sollten die verbliebenen 10 Listenmandate nicht paritätisch vergeben werden – sie könnten ausschließlich an Frauen gehen, um für die Männerdominanz in den Wahlkreisen zu kompensieren.“ Notwendig wären dafür bindende Selbstverpflichtungen und selektive Mandatsverzichte von männlichen Listenkandidaten. Aber auch dieses Vorgehen stößt an seine Grenzen: „Eine Fraktion wie die Thüringer CDU, die sich aktuell ausschließlich aus Direktmandaten zusammensetzt, hat keine Listenmandate übrig, um ihren traditionell niedrigen Frauenanteil zu erhöhen“, so Stecker.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Christian Stecker
    MZES-Projektleiter
    Universität Mannheim / derzeit TU Darmstadt
    Telefon: 06151 16-57355
    E-Mail: Christian.Stecker@mzes.uni-mannheim.de


    Originalpublikation:

    Zur vollständigen Analyse von PD Dr. Christian Stecker und Tobias Weiß: „Parité vor dem Landesverfassungsgericht in Thüringen – Eine Analyse zur Wirkung des Paritätsgesetzes und eine Idee zu kompensatorischen Listen“: https://www.mzes.uni-mannheim.de/publications/misc/paritaet_th2019.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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