Wie jedes Jahr ist auch in diesem Sommer Endspurt auf dem Ausbildungsmarkt. Trotz Corona-Krise wird noch immer jeder elfte Ausbildungsplatz in Deutschland in den beiden Kernberufen des Einzelhandels – Verkäufer/Verkäuferin und Kauffrau/Kaufmann im Einzelhandel – angeboten. Doch warum wählen Jugendliche eine Einzelhandelsausbildung und wie sehen sie ihre Ausbildungssituation? Diesen Fragen ist das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) im Rahmen des Jobstarter-Projekts „DiHa 4.0 – Digitalisierung im Einzelhandel“ in einer Kurzerhebung unter Auszubildenden und Ausbildungsunternehmen in der Region Göttingen nachgegangen.
Die Zahl der Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, ist bereits seit einigen Jahren rückläufig. Auch der Einzelhandel in der Region Göttingen klagt über abnehmende Bewerberzahlen und teils große Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsstellen. Entsprechend groß ist der Wettbewerb um die Ausbildungsbewerberinnen und -bewerber. Besondere Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsstellen haben zum einen kleine und mittlere Betriebe. Hier sind die Ausbildungs-, Arbeits- und Einkommensbedingungen oftmals schlechter als in den Filialen der großen Ketten. Zum anderen ist aber auch der Lebensmitteleinzelhandel trotz seiner breiten Ausbildungsangebote bei Jugendlichen nicht besonders beliebt. „Dies“, so SOFI-Forscher Dr. Klaus-Peter Buss, „liegt nicht nur daran, dass gerade der Lebensmitteleinzelhandel oft von weniger attraktiven Tätigkeiten wie Regaleinräumen oder Kassieren geprägt ist. Vor allem ist das Sortiment für Jugendliche auch nicht besonders sexy.“ Gerade für kleinere und mittlere Betriebe wirkt sich die Lage am Ausbildungsmarkt daher oftmals in einer Negativauslese der Bewerberinnen und Bewerber aus, da sich Jugendliche mit besseren Schulabschlüssen oft auf andere Ausbildungsberufe orientieren. Die Probleme bei der Besetzung der Ausbildungsstellen ließen sich kaum noch auf der einzelbetrieblichen Ebene lösen, so der Göttinger Soziologe. Hier bedürfe es übergreifender Anstrengungen von allgemein- und berufsbildenden Schulen, Unternehmen, Kammern und Verbänden.
Doch warum wählen Jugendliche eine Ausbildung im Einzelhandel? Auffällig sei laut Buss, dass die Jugendlichen heute aufgrund der vielen unbesetzten Ausbildungsstellen im Gegensatz zu früher zwar keine großen Probleme hätten, eine Ausbildungsstelle zu finden. Trotzdem liege für die allermeisten der befragten Jugendlichen zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn eine längere Übergangsphase, in der sie eine weitere Schule besucht, ein Studium begonnen, ein freiwilliges Jahr gemacht oder auch einfach nur gejobbt hätten. Dies verweise auf eine unzureichende Berufsorientierung der Jugendlichen. „Eine Ausbildung gilt für sie zwar als etwas handfestes und vermittelt Sicherheit. Aber zum Einzelhandel kommen viele eher zufällig durch Jobs oder Beispiele aus der Familie. Oder einfach, weil man nicht umziehen will und in der Kleinstadt nichts Anderes angeboten wird. Aber oft ist es nicht so, dass ein Jugendlicher unbedingt Einzelhändler werden will“, berichtet Buss. Entsprechend sehe eine ganze Reihe der befragten Jugendlichen ihre Zukunft nach der Ausbildung auch nicht unbedingt im Einzelhandel.
Um Jugendliche für eine Ausbildung im Einzelhandel zu begeistern, müssten die Betriebe die Ausbildung attraktiver machen. „Wenn man den Berichten der Auszubildenden folgt, bestehen bereits in der Qualität der Ausbildung große Unterschiede zwischen den Betrieben“, konstatiert Buss. Auf der einen Seite gebe es sehr vorbildliche Betriebe, die die Ausbildung systematisch förderten. Auf der anderen Seite sei aus den Berichten der Jugendlichen aber auch deutlich geworden, dass in einer Reihe von Betrieben Azubis vor allem als billige Arbeitskraft eingesetzt würden und keine gezielte Anleitung stattfinde. Mehrere Auszubildende hätten beispielsweise noch nicht einmal einen Ausbildungsplan. „Den Auszubildenden fällt es aber schwer, ihre Rechte alleine durchzusetzen. Auszubildende sind zwar nicht mehr Schüler, aber sie sind auch noch nicht Erwerbspersonen. In der betrieblichen Rangordnung stehen sie ganz unten. Die Ausbildung markiert für sie einen doppelten Übergang: Zum einen erlernen sie einen Beruf als Grundlage für die spätere Erwerbsarbeit. Zum anderen markiert die Ausbildungszeit für viele aber auch den Übergang vom Jugendlichen in das Erwachsenenleben. Daher ist es wichtig, dass der Ausbildungsstatus immer auch ein Stück weit ein Schutzstatus sein muss.“
Die Erhebung sei, so Buss, nicht mehr als ein Blitzlicht auf die Einzelhandelsausbildung, das aber bereits zeige, wie eng hier Licht und Schatten zusammenliegen. Insbesondere verweise die Erhebung auf Handlungsbedarf in Bezug auf die Besetzung von Ausbildungsstellen und auf die Qualitätsunterschiede in der Ausbildung – Probleme, die auch Gegenstand künftiger SOFI-Forschung sein sollen. Die Ergebnisse der Erhebung können auf der Homepage des SOFI unter http://www.sofi.uni-goettingen.de/aktuell/aktuelldetails/news/the-journey-to-the... abgerufen werden.
Die Erhebung fand im Rahmen des Jobstarter-Projekts „DiHa 4.0 – Digitalisierung im Einzelhandel“ statt. Das Ende Juni abgeschlossene Projekt war ein Verbundprojekt der Volkshochschule Göttingen-Osterode, der GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen und des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI) mit dem Ziel, kleinere und mittlere Unternehmen des regionalen Handels in Fragen der Ausbildung und Digitalisierung zu unterstützen. Das Projekt wurde im Rahmen des Ausbildungsstrukturprogramms JOBSTARTERplus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert.
Weitere Informationen und Kontakt:
Dr. Klaus-Peter Buss
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-39
E-Mail: klaus-peter.buss@sofi.uni-goettingen.de
Dr. Jennifer Villarama
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-19
E-Mail: kommunikation@sofi.uni-goettingen.de
www.sofi.uni-goettingen.de
Dr. Klaus-Peter Buss
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-39
E-Mail: klaus-peter.buss@sofi.uni-goettingen.de
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Dr. Klaus-Peter Buss, Mitarbeiter des SOFI
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Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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