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22.07.2020 20:00

Sag‘ mir, was der Fuchs fraß, und ich sage dir, wie der Mensch zu ihm stand

Dr. Karl Guido Rijkhoek Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Pressemitteilung der Universität Tübingen und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung: Forschungsteam untersucht, was Knochen des Kulturfolgers über sein Lebensumfeld vor rund 40.000 Jahren verraten

    Füchse passten sich schon vor 40.000 Jahren an Menschen an und änderten ihr Nahrungsspektrum. Diese Entwicklung fiel mit dem Auftreten des modernen Menschen in Südwestdeutschland zusammen, als die Höhlen der Schwäbischen Alb stärker genutzt wurden. Die hauptsächliche Ernährungsweise des Fuchses und seine Beziehungen zum Menschen untersuchte ein Forschungsteam des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen für den Zeitraum vor 42.000 bis 32.000 Jahren. Dafür haben die Teammitglieder Chris Baumann, Professor Hervé Bocherens, Dr. Dorothée Drucker und Professor Nicholas Conard Isotopenanalysen von Fuchsknochen aus verschiedenen Fundstellen Südwestdeutschlands, mehreren Höhlen auf der Schwäbischen Alb, herangezogen. Neben den Füchsen, die in der Nähe von Menschen lebten, gab es auch solche, die unabhängig waren und selbst auf die Jagd gingen oder sich an der Beute großer Raubtiere bedienten. Die Ergebnisse hat das Forschungsteam in der Fachzeitschrift PlosONE veröffentlicht.

    Menschen nahmen schon früh Einfluss auf ihre Umwelt. So wird vermutet, dass sie durch ihr Jagdverhalten im späten Pleistozän das Aussterben großer Pflanzenfresser mit verursachten. „Wir haben nun untersucht, ob die Jagdaktivitäten der Menschen manchen Tierarten auch Vorteile verschafft haben könnten“, sagt Chris Baumann. Ursprünglich hätten Rotfuchs und Polarfuchs (Vulpes vulpes und Vulpes lagopus) hauptsächlich von der Jagd auf kleine Säugetiere gelebt. „So war es im Mittelpaläolithikum vor mehr als 42.000 Jahren“, sagt der Wissenschaftler. „Das war in Südwestdeutschland die Zeit der Neandertaler, und die Schwäbische Alb war kaum besiedelt.“

    Eine neue ökologische Nische

    Als seit dem Jungpaläolithikum, in den Kulturperioden des Aurignacien (42.000 bis 34.000 Jahre vor heute) und Gravettian (34.000 bis 30.000 Jahre vor heute) der moderne Mensch in die Region einwanderte und die Höhlen auf der Schwäbischen Alb stärker genutzt wurden, ergab sich für die Füchse eine neue ökologische Nische. „Die Daten aus den Isotopenanalysen der Fuchsknochen deuten darauf hin, dass sich die Nahrungszusammensetzung etlicher Tiere änderte. Wir gehen davon aus, dass diese Füchse sich nun überwiegend von Fleischabfällen ernährten, die Menschen hinterlassen hatten, oder vielleicht sogar von ihnen gefüttert wurden“, sagt Hervé Bocherens. Dabei handelte es sich um Fleisch von großen Tieren, die die Füchse nicht selbst erbeuten konnten wie Mammuts und Rentiere.

    „Die Menschen brachten erlegte Rentiere im Ganzen in ihre Höhlen. Dagegen wurden die riesigen Mammuts vor Ort zerlegt, dort wo sie getötet wurden“, erklärt Baumann. Die Füchse nutzten wahrscheinlich beides als Nahrungsquelle. Sie seien sehr flexibel und stellten sich schnell auf das am leichtesten zu erreichende Futter ein. Auch heute sei bei Füchsen zu beobachten, dass sie sich in der Nähe von menschlichen Siedlungen überwiegend von Abfällen ernährten. Umgekehrt seien in der Vogelherd-Höhle bei Niederstotzingen im Lonetal Unterkiefer von Füchsen mit Schnittspuren aus dem Jungpaläolithikum gefunden worden, die zeigten, dass Menschen Fleisch und Fell der Füchse nutzten.

    Hund, Fuchs und Wolf

    In einer vorhergehenden Publikation hatte das Forschungsteam das Nahrungsspektrum von Hund, Fuchs und Wolf im Zeitraum zwischen 17.000 und 13.000 Jahren vor heute, der Kulturperiode des Magdalenien, von mehreren Fundstätten in Südwestdeutschland und der Schweiz untersucht. „Die Wölfe ernährten sich von einem weiten Spektrum von Beutetieren, während Hunde bei ihrem Futter von Menschen abhingen“, fasst Baumann die Ergebnisse zusammen. Die meisten Füchse besetzten eine eigene ökologische Nische und ernährten sich von kleinen Säugetieren. „Es gab jedoch einen Rotfuchs, der ein ähnliches Nahrungsspektrum hatte wie die Hunde. Er lebte in der Nähe von Menschen, wie heutige Füchse in den Städten.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Chris Baumann
    Universität Tübingen
    Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
    Biogeologie
    chris.baumann[at]uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Chris Baumann, Hervé Bocherens, Dorothée G. Drucker, Nicholas J. Conard: Fox dietary ecology as a tracer of human impact on Pleistocene ecosystems. PlosONE, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0235692

    Chris Baumann, Britt M. Starkovich, Dorothée G. Drucker, Susanne C. Münzel, Nicholas J. Conard, Hervé Bocherens: Dietary niche partitioning among Magdalenian canids in south-western Germany and Switzerland. Quaternary Science Reviews, Volume 227, 1. Januar 2020; https://doi.org/10.1016/j.quascirev.2019.106032


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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