Gemeinschaftsunterkunft oder Privatwohnung, Stadt oder Land? Die eigene Wohnsituation hat starken Einfluss auf die Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe auch bei geflüchteten Menschen. Eine positive Entwicklung der Wohnverhältnisse ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im Integrationsprozess anerkannter Schutzsuchender. Das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat untersucht, wie und wo Geflüchtete wohnen und welche Wohn- und Umzugswünsche sie für die Zukunft äußern.
„Unter Geflüchteten ist der Anteil derjenigen, die in privaten Wohnungen leben, von 2016 bis 2018 deutlich gestiegen“, hebt Dr. Kerstin Tanis, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, ein zentrales Ergebnis hervor. „Mit fort-schreitender Aufenthaltsdauer sowie dem damit verbundenen Spracherwerb und Einkommenszuwachs verbessert sich in der Regel auch die Wohnsituation.“ Bei der Frage nach ihrer Wohnortpräferenz zeigt sich, dass die meisten Geflüchteten am liebsten in mittelgroßen Städten wohnen möchten.
Die Wohnsituation Geflüchteter unterscheidet sich von der anderer Bevölkerungsgruppen, da Wohnort und Unterkunftsart zu Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland gesetzlich reguliert sind. So werden Asylsuchende nach ihrer Ankunft zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Spätestens nach Anerkennung des Schutzstatus begeben sich Geflüchtete auf die Suche nach einer privaten Wohnung.
75 Prozent der Geflüchteten leben in Privatwohnungen
Im Detail haben die Analysen aus der Befragung Geflüchteter gezeigt, dass mittlerweile immer mehr Geflüchtete in privaten Wohnungen leben. Im ersten Erhebungsjahr (2016) hat etwas mehr als die Hälfte aller Geflüchteten in privaten Wohnungen oder Häusern gelebt (54 Prozent), in den darauffolgenden Jahren stieg der Anteil deutlich auf rund 75 Prozent im Jahr 2018. Diese positive Entwicklung kann durch fortschreitende Integration, mit der sich bessere Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt ergeben, sowie durch eine niedrigere Anzahl an neuankommenden Geflüchteten erklärt werden. Letzteres führt dazu, dass Kommunen eine geringere Anzahl an Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften unter-bringen und vermehrt auf freiwerdende kommunale Privatwohnungen umverteilen.
72 Prozent der Geflüchteten lebten 2018 in städtischen Regionen. Dabei bewohnten sie mehrheitlich Mehrfamilienhäuser, lediglich rund 17 Prozent Ein- bis Zweifamilienhäuser. Im Mittel nutzten Geflüchtete eine Drei-Zimmer-Wohnung mit rund 4,1 Personen. Jeder Bewohnerin und jedem Bewohner standen darin etwa 28 m² Wohnraum zur Verfügung. Im Vergleich zu 2016 ist der Wohnraum für Geflüchtete 2018 im Schnitt et-was kleiner und gleichzeitig - dem allgemeinen Trend höherer Mieten folgend - etwas teurer geworden.
In der Stadt zufriedener als auf dem Land
Die Zufriedenheit mit der Wohnsituation wurde auf einer Skala abgefragt, von 0 „ganz und gar nicht zufrieden“ bis 10 „ganz und gar zufrieden“. Im Mittel lag die Zufriedenheit bei Geflüchteten in Privatunterkünften bei 7,0 Punkten, in den Vorjahren geringfügig höher. Bei Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften war die Zufriedenheit durchweg geringer. Bei der Zufriedenheit mit der individuellen Wohnsituation zeigt sich neben Indikatoren wie Größe und Ausstattung ein Zusammenhang mit der Lage: Demnach waren Geflüchtete mit einer Wohnung im ländlichen Raum etwas weniger zufrieden als Geflüchtete, die in Städten wohnen.
„Informationen über zukünftige Zu- und Fortzüge von Geflüchteten zu gewinnen, ist für eine effiziente und langfristige Regionalplanung von hoher Bedeutung“, erklärt Studienautorin Dr. Kerstin Tanis. Da sich 2018 nur gut ein Drittel aller Geflüchteten vorstellen konnte, auf dem Land zu leben, ist davon auszugehen, dass nach Auslaufen von Wohnsitzbeschränkungen vermehrt mit einer Land-Stadt Wanderung zu rechnen ist. Der Wunsch umzuziehen ist unter Geflüchteten umso eher vorhanden, wenn die Befragten in ländlichen Regionen oder östlichen Bundesländern leben, und wenn es sich bei den Befragten um Männer oder Personen mit weiterführendem Schulabschluss handelt. Die Wahrscheinlichkeit eines Umzugs ist geringer, wenn Geflüchtete mit ihrer Wohnsituation zufrieden sind oder wenn die Wohnsitzbeschränkung auf ein ganzes Bundesland ausgelegt ist und Geflüchtete damit nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind.
Zur Methodik der Studie
Die vorliegende Studie zieht repräsentative Erhebungsdaten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von volljährigen Geflüchteten in Deutschland heran und beschreibt, wie sich deren Wohnsituation von 2016 bis 2018 entwickelt hat. Sie knüpft dabei an eine Kurzanalyse des BAMF zur Wohnsituation Geflüchteter aus dem Jahr 2018 an. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten ist eine seit 2016 laufende bundesweite Längsschnittbefragung von Personen, die im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2016 nach Deutschland gekommen sind und hier einen Asylantrag gestellt haben, unabhängig von Verlauf und Ausgang des Asylverfahrens. Darüber hinaus werden auch die Haushaltsmitglieder dieser Personen befragt. Grundlage für die Stichprobenziehung war das Ausländerzentralregister.
Die Studie finden Sie unter folgendem Link:
http://www.bamf.de/kurzanalyse-wohnen
Tanis, Kerstin (2020): Entwicklungen in der Wohnsituation Geflüchteter. Ausgabe 05|2020 der Kurzanalysen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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