idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.07.2020 11:37

Relativ hohe Qualität der Berichterstattung zur Corona-Pandemie

Melanie Nyfeler Kommunikation
Universität Zürich

    In Krisenzeiten spielen Medien eine besonders wichtige Rolle. Die Berichterstattung in der Schweiz war während der Coronavirus-Pandemie qualitativ relativ hoch, wie eine Studie der Universität Zürich zeigt. Defizite gab es jedoch beim Umgang mit Zahlen und Statistiken. Zudem erwiesen sich viele Medien in der sensitiven Phase vor dem Lockdown als zu wenig kritisch.

    Selten war ein Thema so stark präsent in den Schweizer Medien wie die Coronavirus-Pandemie: Im ersten Halbjahr 2020 drehte sich an manchen Tagen bis zu 70 Prozent der gesamten Berichterstattung um dieses Thema. Zum Vergleich erreichte der Anteil Beiträge zur Klimadebatte – das prägende Thema im Wahljahr 2019 – in Spitzenzeiten kaum mehr als 10 Prozent der Gesamtberichterstattung. Das zeigen die Ergebnisse des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich, das Medienbeiträge zur COVID-19-Pandemie in der Deutschschweiz und in der Suisse romande zwischen Januar und Juni 2020 anhand von quantitativen Inhaltsanalysen untersuchte.

    «Medien sollen Ereignisse einordnen, aus verschiedenen Perspektiven beleuchten sowie eine kritische Distanz zu den Entscheidungsträgerinnen und -trägern wahren. Gerade in ausserordentlichen Situationen wie der Coronavirus-Pandemie, in der vieles unsicher ist, sich die Ereignisse überschlagen und Behörden neue Machtbefugnisse erhalten, sind diese Funktionen unverzichtbar», sagt Mark Eisenegger, Kommunikationswissenschaftler und Direktor des fög.

    Hohe Vielfalt und Relevanz

    Die Studie zeigt, dass die Medienberichterstattung zur Pandemie ein vielfältiges Spektrum von Themen unter anderem aus Medizin, Politik oder Wirtschaft abdeckt. Expertinnen und Experten spielen dabei eine wichtige Rolle: Sie kommen in 83 Prozent der Medienbeiträge zu Wort. Auch lässt sich eine relativ hohe Relevanz der Medienberichterstattung beobachten. «Die Medien behandeln die Corona-Pandemie und ihre Folgen mehrheitlich aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive, statt Einzelaspekte oder -schicksale zu beleuchten. Zudem fällt die Berichterstattung insgesamt sachlich aus», erklärt Eisenegger.

    Wenig Diversität bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

    Im wissenschaftlichen Bereich dominieren wenig überraschend Expertinnen und Experten aus der Virologie, Epidemiologie oder Immunologie: Unter den 30 Forschenden, die in den Medien im untersuchten Zeitraum am häufigsten Resonanz erhalten, befinden sich lediglich drei Ökonomen. «Obwohl die Pandemie alle Bereiche der Gesellschaft betrifft, finden andere Disziplinen wie die Soziologie, Psychologie oder Politologie kaum Beachtung», bemängelt Eisenegger. «Wissenschaftlerinnen sind zudem stark unterrepräsentiert». Von den 30 meistthematisierten wissenschaftlichen Expertinnen und Experten sind nur zwei Frauen.

    Zu wenig einordnender Umgang mit Zahlen und Statistiken

    Während die Studie der Medienberichterstattung in Bezug auf Vielfalt und Relevanz insgesamt eine hohe Qualität zuschreibt, stellt sie bei den Einordungsleistungen Defizite fest. Interpretationsbeiträge, die mit substanzieller journalistischer Recherche Hintergründe vermitteln, machen nur rund 6 Prozent aller untersuchten Beiträge aus. Der Grossteil der Berichterstattung entfällt auf Informationsbeiträge, d.h. auf eine reine Vermittlung von Nachrichten. Die Ergebnisse zeigen, dass die Medien insgesamt eine kritische Distanz zu Regierung und Behörden wahren. In der sensiblen Phase vor dem Lockdown, in der einschneidende Massnahmen gegen die Pandemie beschlossen wurden, fällt diese jedoch geringer aus. Zudem spielen Zahlen und Statistiken wie Infektions- oder Todesraten eine grosse Rolle bei der Berichterstattung zu COVID-19: In über 27 Prozent der Beiträge stehen diese im Zentrum und bleiben häufig ohne Einordnung.

    Hohe Qualität beim öffentlichen Rundfunk und den Abonnementsmedien

    Die Studie stellt weiter Unterschiede bei den Medientypen fest. Positiv heben sich Abonnementsmedien und der öffentliche Rundfunk ab: Sie zeichnen sich durch eine besonders hohe Vielfalt an Themen und Expertenaussagen, einer höheren Relevanz und mehr Einordnungsleistungen aus. Sonntags- und Wochenmedien sowie der öffentliche Rundfunk wahren gegenüber Behörden und Regierung die grösste kritische Distanz. Boulevard- und Pendlermedien sind in ihrer Berichterstattung weniger vielfältig und neigen zu einer Vermittlung von Zahlen zur Pandemie ohne Einordnung. Eine alarmistisch-dramatisierende, nur auf Bedrohung beruhende Berichterstattung bleibt jedoch auch hier aus.

    Sprachregionale Unterschiede bei der Berichterstattung

    Die Medien aus der Suisse romande berichten stärker über die Bedrohung des Coronavirus für die Gesundheit, was mit der hohen Infektionsrate in der Suisse romande zu erklären ist. Auf der anderen Seite fällt die Behördenkritik in der Deutschschweiz stärker aus als in der französischsprachigen Schweiz. Die fög-Studie stellt auch deutliche sprachregionale Unterschiede bei den thematisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fest: Während die Medien der Suisse romande beispielsweise den WHO-Experten Tedros Adhanom und Michael Ryan mehr Raum in ihrer Berichterstattung geben, blicken Deutschschweizer Medien stärker nach Deutschland; entsprechend erhält Christian Drosten mehr Resonanz.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Mark Eisenegger
    Direktor Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög)
    Universität Zürich
    Tel.: +41 (0)44 635 21 23
    E-Mail mark.eisenegger@foeg.uzh.ch


    Originalpublikation:

    https://www.foeg.uzh.ch/dam/jcr:26a57cf8-09d4-487f-8b55-ad3ac3c2053f/200729_Stud...


    Bilder

    Themen nach Medientyp (Bild: UZH/fög)
    Themen nach Medientyp (Bild: UZH/fög)

    (Bild: UZH/fög)

    Distanz gegenüber Behörden und Regierung in den untersuchten Medientypen (Bild: UZH/fög)
    Distanz gegenüber Behörden und Regierung in den untersuchten Medientypen (Bild: UZH/fög)

    (Bild: UZH/fög)


    Anhang
    attachment icon Einordnung durch journalistischen Berichterstattungsstil (Bild: UZH/fög)

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Themen nach Medientyp (Bild: UZH/fög)


    Zum Download

    x

    Distanz gegenüber Behörden und Regierung in den untersuchten Medientypen (Bild: UZH/fög)


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).