Forscher*innen ist es gelungen, Bakterien bei der Proteinsynthese in der Zelle zu beobachten
Den Wissenschaftler*innen der TU Berlin und des EMBL Heidelberg mit Unterstützung aus der Universität Göttingen und dem Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen, ist es jetzt gelungen, das sogenannte Expressom, eine Art molekulare Maschine in Bakterien, die für die Proteinproduktion zuständig ist, erstmals in lebenden Zellen eines Bakteriums zu beobachten. Das Besondere dabei: Sie konnten sämtliche Schritte – von der DNA (Erbinformation) bis zum fertigen Protein – im Expressom beobachten. Um die Struktur bis ins Detail aufzuklären, kombinierten die Wissenschaftler*innen die sogenannte Crosslinking Massenspektrometrie, bei der Informationen über die Zusammensetzung und relative räumliche Orientierung von Proteinkomplexen gesammelt werden, mit der hochauflösenden Kryo-Elektronentomographie. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Science publiziert.
Proteine sind wichtige Bausteine des Lebens, sie sind der aktive Bestandteil nahezu aller zellulären Prozesse. Alle Zellen stellen daher Proteine selbst her. Dazu verwenden sie die in der DNA hinterlegte Erbinformation als Bauanleitung. Die DNA wird dabei nicht direkt abgelesen, sondern erst durch einen Proteinkomplex, die sogenannte RNA Polymerase, abgeschrieben. Die dabei entstehende sogenannte Boten-RNA wird dann durch eine weitere große molekulare Maschine, das Ribosom, in Proteine übersetzt.
Proteinkomplex bis ins Detail sichtbar gemacht
Diese Prozesse der Abschrift (Transkription) und Übersetzung (Translation) laufen in menschlichen Zellen in räumlich getrennten Kompartimenten ab. In einfachen Organismen hingegen, wie zum Beispiel Bakterien, finden sie in direkter räumlicher Nähe statt.
In der Vergangenheit vermutete die Wissenschaft bereits, dass es hierbei möglicherweise zur Bildung eines Mega-Komplexes, des sogenannten Expressoms, kommt, welcher sich aus der RNA Polymerase und dem Ribosom zusammensetzt. Um diese These nachzuweisen, standen die Wissenschaftler*innen allerdings vor einem Problem: Betrachteten sie die komplette Zelle, reichte die räumliche Auflösung nicht, um einen schlüssigen Beweis für die Kopplung zu erbringen. Um die einzelnen Komponenten zu analysieren, mussten wiederum die zellulären Strukturen zerstört werden, wobei unweigerlich auch die sensiblen Proteinkomplexe zerfielen.
Rund 90.000 Mal schmaler als ein menschliches Haar
Das Team unter der Leitung von Professor Dr. Juri Rappsilber, Leiter des Fachgebiets Bioanalytik an der TU Berlin, und Dr. Julia Mahamid (EMBL) konnte jetzt genau dieses Expressom mit einer sensationell hohen Auflösung von weniger als einem Nanometer in einer lebenden Zelle beobachten und analysieren. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 90.000 Nanometer breit. Dazu kombinierten die Teams die an der TU Berlin entwickelte Crosslinking Massenspektrometrie, die die Zusammensetzung und räumliche Orientierung von Proteinkomplexen aufklärt, und die hochauflösende Kryo-Elektronentomographie, ein spezielles bildgebendes Verfahren für molekulare Strukturen. Beide Technologien wurden derart verwendet, dass das untersuchte Bakterium – der menschliche Lungenparasit Mycoplasma pneumoniae – intakt belassen wurde, um so nah an einem lebenden System wie möglich zu forschen.
Ein neuer Blick in die Zelle
Überraschend fanden die Forschenden dabei heraus, dass es sich bei dem Bindeglied zwischen der RNA Polymerase und dem Ribosom nicht um den bislang vermuteten Kandidaten handelt, sondern um das Protein NusA. Mit dieser Erkenntnis eröffnen sich nicht zuletzt auch neue Ansatzpunkte für die Entwicklung von Antibiotika gegen bakterielle Erreger.
„Die Studie enthüllt damit nicht nur die Organisation zweier Proteinkomplexe mit zentraler Bedeutung für das bakterielle Leben, sondern ist auch ein weiterer wichtiger Schritt im jungen wissenschaftlichen Feld der in situ Strukturbiologie“, so Juri Rappsilber. „Nach diesem technologischen Durchbruch steht zu erwarten, dass weitere zelluläre Prozesse in Bakterien, aber auch in menschlichen Zellen in naher Zukunft mit hoher Auflösung aufgeklärt werden können. Dies wird unser Verständnis für die molekularen Grundlagen des Lebens verbessern und vielfältige Ansatzpunkte für Therapien aufzeigen.“
Mehr Informationen:
https://science.sciencemag.org/content/369/6503/554.full
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Juri Rappsilber
TU Berlin
Fachgebiet Bioanalytik
Tel.: 030 314-72374
E-Mail: juri.rappsilber@tu-berlin.de
https://science.sciencemag.org/content/369/6503/554.full
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