Forschende von sieben Universitäten zeigen in einem neuen Rahmenmodell, wie Menschen ihre Handlungen steuern. Das könnte auch für den Alltag höchst relevant sein.
„Man könnte denken, dass das Greifen einer Kaffeetasse nichts Besonderes ist“, sagt Prof. Dr. Christian Frings von der Abteilung für Allgemeine Psychologie der Universität Trier, „doch es ist eine beachtenswerte Leistung unseres Gehirns, das unsere Handlungen steuert.“ In der Psychologie gibt es viele Modelle, die Teilaspekte menschlichen Handelns beschreiben. Sie erklären unter anderem, wie wir neue Bewegungen wie Tennisspielen lernen oder welche Motivation hinter unseren Handlungen steckt. Doch ein übergreifendes Rahmenmodell fehlte bisher. Nun hat eine Forschungsgruppe einen vielversprechenden Vorschlag gemacht.
„Wir wollen eine Brücke zwischen Handlungssteuerung, Lernen, Gedächtnis und Motivation bauen“, sagt Christian Frings als Sprecher der DFG-Forschungsgruppe „Binding and Retrieval in Action Control“ (BRAC). Der Trierer Wissenschaftler und seine Kolleginnen und Kollegen aus Aachen, Jena, Freiburg, Leiden, Passau und Würzburg beschreiben in ihrem Modell die grundlegenden Prozesse der Handlungssteuerung: Zentral ist die Vorstellung, dass Handlungen aus Merkmalskombinationen von Objekten, Bewegungen und Effekten bestehen. Wenn wir zum Beispiel einen Text tippen möchten, ist das Objekt die Taste, die Bewegung die Muskelanspannung im Finger und der Effekt der getippte Buchstabe. Bei Wiederholungen von Merkmalen werden frühere Merkmalskombinationen abgerufen: Wenn wir das nächste Mal einen Text tippen, können wir das schon ein klein wenig schneller. Man kann sich das 10-Finger-Tippen als immer wieder geübte Merkmalskombination vorstellen.
Das Modell der Forschungsgruppe stellt nun heraus, dass der Prozess der Integration von Merkmalen und der Prozess des Abrufs durch Merkmale unabhängig voneinander sind. Dies hat eine weitreichende Bedeutung: Prozesse wie Aufmerksamkeit, Motivation oder Lernen durch Belohnungen/Bestrafungen können demnach an zwei unterschiedlichen Aspekten der Handlungssteuerung ansetzen: beim Entstehen der Merkmalskombinationen oder aber beim Abruf bereits gebildeter Merkmalskombinationen. Das kognitive System hat automatisch ablaufende Kontrollmechanismen, die das Aufrechterhalten ineffizienter oder inkompatibler Merkmalskombinationen verhindern. Aber man kann diese Prozesse auch willkürlich ansteuern.
Vor allem für die Grundlagenforschung zur Handlungssteuerung sind die Beschreibungen in diesem Modell von Bedeutung – aber nicht nur. „Das Modell ermöglicht, neue Hypothesen und Vorhersagen treffen zu können.“ Beispielsweise kann es helfen, Methoden der Psychotherapie weiterzuentwickeln oder die Bedienung von Fahrassistenzsystemen im Auto, die ja Handlungen von Fahrern unterstützen, zu verbessern.
Dass ihr Modell wirklich ein großer Schritt zum Verstehen menschlichen Handelns ist, zeigt auch die Veröffentlichung im weltweit sehr renommierten, interdisziplinären Fachmagazin „Trends in Cognitive Sciences“. Anders als gewöhnlich können Forschende ihre Aufsätze nicht selbst einreichen. Vielmehr fragt das Magazin gezielt ausgewählte Forschende an.
Im nächsten Schritt wird die Forschungsgruppe ihr Modell für verschiedene Bereiche weiterentwickeln und Anknüpfungspunkte schaffen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Forschungsgruppe mit 1,8 Millionen Euro.
Link zum Aufsatz:
Frings, C., Hommel, B., Koch, I., Rothermund, K., Dignath, D., Giesen, C., ... Philipp, A. (2020). Binding and Retrieval in Action Control (BRAC). Trends in Cognitive Sciences, 1-13.
https://www.cell.com/trends/cognitive-sciences/fulltext/S1364-6613(20)30056-5?_r...
Kontakt
Prof. Dr. Christian Frings
Kognitionspsychologie
Tel. +49-651-201-2958
chfrings@uni-trier.de
https://brac-psy.de/
Der Trierer Psychologie-Professor Christian Frings ist Sprecher der Forschungsgruppe BRAC.
Universität Trier
Universität Trier
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Psychologie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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