Es wird allgemein angenommen, dass eine schnelle und reversible DNA-Methylierung im Gehirn für die Stabilität des Langzeitgedächtnisses wesentlich ist, aber es ist nur sehr wenig darüber bekannt, wie synaptische Signale die DNA-Methylierung steuern können, um dauerhafte Veränderungen in der plastizitätsbezogenen Genexpression hervorzurufen. Eine neue Studie der Gruppe von Michael R. Kreutz am Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg (LIN) zeigt einen Mechanismus auf, wie die Aktivität von Synapsen die Stabilität und Menge an DNA-methylierendem Enzym kontrolliert. Die Studie ist im Journal „Neuropsychopharmacology“ erschienen.
Der genetische Code in unserer DNA ist nicht „in Stein gemeißelt“ sondern durch biochemische Prozesse veränderbar. Dieses Phänomen nennt man Epigenetik. Die DNA-Methylierung ist die wichtigste und am besten untersuchte epigenetische Modifikation der DNA. Die Forschung hat gezeigt, dass sich die DNA-Methylierung auf die Feinabstimmung der Genexpression auf die neuronale Aktivität im Gehirn auswirkt. DNMT3A1 ist das primäre Enzym im erwachsenen Gehirn, das die DNA neu methyliert. Wie wird dieses Enzym reguliert, um passgenaue epigenetische Signaturen in der DNA zu setzen?
Neuronaler Mechanismus schafft Kontrolle
Die Autoren der Studie haben einen Mechanismus entdeckt, der die synaptische Kontrolle der DNMT3A1-Spiegel in Neuronen ermöglicht. Dadurch entsteht ein aktivitätsabhängiges Zeitfenster für eine reduzierte DNA-Neu-Methylierung an einer Gruppe von Zielgenen. Um das Enzym zielgerichtet abzubauen, wird es mit einem Marker, einer sogenannten Neddylierung, biochemisch gekennzeichnet. Das geschieht beispielsweise, wenn Mäuse lernen, sich an die exakte Platzierung von Objekten in einer Arena zu erinnern. Wenn dieser Neddylierungs-Prozess blockiert wird, sind Synapsen weniger plastisch und die Mäuse haben ein deutlich schlechteres Erinnerungsvermögen. „Wir wollten wissen, wie Synapsen DNA-Methylierung steuern können und warum der kontrollierte Abbau des DNA-Methylierungsenzyms so wichtig für das Gedächtnis ist. Wir fanden heraus, dass eines der Target-Gene der Plastizitätsfaktor BDNF ist, der speziell für solche räumlichen Lern- und Gedächtnisprozesse eine zentrale Rolle spielt“, erklärt Erstautorin Gonca Bayraktar. „Diese Befunde sind spannend, weil bekannt ist, dass Störungen in der DNA-Methylierung auch eine Begleiterscheinung neuropsychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie oder Depression sind, und dass das BDNF-Genprodukt auch bei diesen Krankheiten stark reduziert ist“.
Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg
Das LIN ist ein Grundlagenforschungsinstitut, das sich Lern- und Gedächtnisprozessen im Gehirn widmet. Das LIN wurde 1992 als Nachfolgeeinrichtung des Institutes für Neurobiologie und Hirnforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR gegründet und ist seit 2011 Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es bildet einen der Eckpfeiler des Neurowissenschaftsstandortes Magdeburg. Das LIN beherbergt moderne Labore für die neurowissenschaftliche Forschung – vom Hightech-Mikroskop bis zum Kernspintomographen.
Aktuell arbeiten rund 230 Personen am LIN, davon ungefähr 150 Wissenschaftler aus rund 28 Ländern. Sie erforschen kognitive Prozesse und deren krankhafte Störungen im Gehirn von Mensch und Tier.
https://www.nature.com/articles/s41386-020-0780-2
Die Autoren der Studie
Reinhard Blumenstein
LIN
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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