Die Stiftung Kindergesundheit begrüßt die kontrollierte Öffnung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.
Nach den quälenden Wochen des Lockdowns gibt es für Familien Wichtigeres als Reisen und Restaurantbesuche: Die Kinder dürfen wieder zur Schule. Sie kehren, wenn auch unter Auflagen, in ihren gewohnten Alltag zurück und erleben den lange vermissten persönlichen Kontakt zu Schulkameraden und Freunden, Lehrerinnen und Lehrer. Dieses direkte Miteinander ist besonders wichtig, denn Kinder brauchen andere Kinder zu ihrer Entwicklung, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.
Die Stiftung setzt sich gemeinsamen mit fünf weiteren Organisationen aus den Bereichen der Bildungsforschung, Erziehungswissenschaft, Kinder- und Jugendmedizin, Ökonomie und Psychologie für eine baldige kontrollierte Öffnung aller Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen im Vorschul- und Schulalter ein. „Den rund elf Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland sind in der aktuellen Krise enorme Einschnitte zugemutet worden“, sagt Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Die wochenlange Schließung von Kitas und Schulen hat massive negative Konsequenzen für ihre soziale, kognitive, emotionale und gesundheitliche Entwicklung“.
Belastung der Eltern schadet auch den Kindern
Die sechs Organisationen benennen in ihrer fachübergreifenden Stellungnahme eine Reihe drohender negativen Folgen des Lockdowns für Kinder und Jugendliche:
- Dauerhafte Belastungen in der Beziehung von Eltern und Kindern durch Überforderung, verursacht durch Homeschooling, Konflikten zwischen Betreuung und Homeoffice, und Belastungen durch Kurzarbeit bzw. drohendem Arbeitsplatzverlust;
- ein erhöhtes Risiko für sexuelle und körperliche Gewalt gegenüber Kindern;
- beeinträchtigte Entwicklung sozialer Kompetenzen durch die Isolation für Kinder und Jugendliche;
- Rückschläge bei der Integration von Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erlernen;
- Einschränkungen der Teilhabe sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen;
- Gefahr von Bildungsrückständen durch reduziertes Angebot von Lerngelegenheiten und professioneller Unterstützung;
- Wegfall oder starke Einschränkung pädagogischer und therapeutischer Angebote für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Eltern können Lehrkräfte nicht ersetzen
„Väter und Mütter können nun einmal nicht die Pädagoginnen und Pädagogen ersetzen, die den Kindern die vielfältigsten Kulturtechniken nahebringen“, sagt Professor Koletzko, „Fernsehgerät, Handy und Computer können das erst recht nicht“.
Besonders große Nachteile seien bei Kindern und Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu befürchten, z. B. bei Lern- und Entwicklungsrückständen, sonderpädagogischem Förderbedarf und bei sozial benachteiligten Familien.
Kinder weniger betroffen als Erwachsene
Gegen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko durch Kinder sprechen zahlreiche Erkenntnisse. Im Vergleich zu Erwachsenen ist die Zahl der durch SARS-CoV-2 infizierten und der symptomatisch erkrankten Kinder erfreulich niedrig, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Nach aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts traten nur 2,7 Prozent der bekannten SARS-CoV-2 Infektionen in Deutschland bei Kindern unter 10 Jahren und lediglich 5 Prozent im Alter zwischen 10 und 19 Jahren auf. Das Risiko schwerer Verläufe ist bei Kindern und Jugendlichen extrem niedrig: Unter den mehr als 9.000 in Deutschland bisher bekannten Covid-19-Todesfällen fanden sich nur zwei Kinder im Alter bis 9 Jahre und zwei weitere im Alter zwischen 10 und 19 Jahren. Auch Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen, die sachgerecht behandelt werden, scheinen kein erkennbar erhöhtes Risiko für eine schwerere Covid-19-Erkrankung zu haben.
Bildungslücken verringern das spätere Einkommen
Die gemeinsame Stellungnahme wurde von der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung, dem Verein für Socialpolitik und der Stiftung Kindergesundheit erarbeitet.
Die Experten haben auch die wirtschaftlichen Folgen geschätzt, die durch die Schließung der Schulen und die dadurch entstehenden Bildungslücken auf die davon betroffene Schülergeneration zukommen könnten. Sie kommen dabei auf enorme Größenordnungen: Das spätere Lebenseinkommen der jetzt nur mangelhaft beschulten Kinder kann sich pro Drittel fehlenden Schuljahres um rund 13.500 bis 30.000 Euro reduzieren. Weitere Einschränkungen im Bildungsumfang werden zusätzliche individuelle und volkswirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
Keine komplette Schließungen mehr
Die Experten sprechen sich nachdrücklich für eine kontrollierte Öffnung von Bildungseinrichtungen im Vorschul- und Schulalter aus, unter angemessenen Vorsichtsmaßnahmen und Rahmenbedingungen zur Risikoreduktion für eine Infektionsübertragung. Kinder und Jugendliche, die von den bisherigen Einschränkungen besonders betroffen sind, müssen gezielt gefördert und individuell unterstützt werden.
Bei auftretenden Infektionen in den Einrichtungen soll eine vollständige Schließung durch Testungen und Nachverfolgung von Infektionsketten soweit als möglich vermieden werden.
Kinder und Familien stärker berücksichtigen!
Die Stiftung Kindergesundheit und ihre Mitstreiter appellieren an die Bundesregierung und die Landesregierungen, bei ihren Entscheidungen die Gruppe der Kinder und ihrer Familien erheblich stärker als bisher in den Fokus zu stellen: Die Politik müsse die massiven negativen Konsequenzen einer hochgradig eingeschränkten Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen deutlich stärker berücksichtigen!
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Schule und Wissenschaft
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