idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
24.08.2020 17:44

Erdwärme aus dem Muschelkalk

Josef Zens Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

    Das ATES iQ-Projekt soll zeigen, ob sich die 500 Meter unter Berlin liegenden Karbonat-Gesteine zum Heizen von Gebäuden eignen. Seit 2017 wird ein riesiger Speicher stillgelegt, der in den Poren einer 1015 bis 1045 Meter unter dem Berliner Grunewald liegenden Sandsteinschicht Erdgas zwischengelagert hatte, um den schwankenden Bedarf der Stadt zu decken. Der Rückbau dieser Anlage aus dem fossilen Zeitalter ist eine einmalige Gelegenheit, eine nachhaltige, regionale Energiequelle zu erkunden.

    Seit 2017 wird ein riesiger Speicher stillgelegt, der in den Poren einer 1015 bis 1045 Meter unter dem Berliner Grunewald liegenden Sandsteinschicht Erdgas zwischengelagert hatte, um den schwankenden Bedarf der Stadt zu decken. Für die Forscher um Arbeitsgruppenleiter Guido Blöcher vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam und für seine Projektpartner von der Berliner Erdgasspeicher GmbH (BES) bietet dieser Rückbau einer Anlage aus dem fossilen Zeitalter eine einmalige Gelegenheit, eine nachhaltige, regionale Energiequelle zu erkunden: Sie wollen wissen, ob sich die 500 Meter über dem nicht mehr benötigten Erdgasspeicher liegende Schicht aus Muschelkalk eignen könnte, um Erdwärme zur Versorgung von Gebäuden zu nutzen. Und das nicht nur in der Metropole, sondern vielleicht auch im boomenden und ebenfalls energiehungrigen Umland.

    Dabei interessieren die Forscher sich vor allem für zwei Schichten im Muschelkalk, die jeweils aus 15 Meter dicken Lagen aus Schaumkalk mit sehr vielen Poren bestehen. Dieses Gestein ähnelt tatsächlich einem sehr harten Schaum, der vor Urzeiten entstand, als sich am Grund eines flachen Meeres um kleine Sandkörner oder um Reste von Muschelschalen langsam eine Kalkhülle bildete. In den Poren dieses Schaumkalks steckt reichlich Wasser fest, das normalerweise nur entlang von Klüften fließen kann, die sich im Gestein bilden. Weil der Muschelkalk und auch das darin eingeschlossene Wasser unter dem Berliner Grunewald in einer Tiefe zwischen 500 und 550 Metern ungefähr 32 Grad warm sein sollte, könnte man die darin steckende Energie als Erdwärme nutzen. Und man könnte in diesem Schaumkalk auch im Sommer überflüssige Wärme für den Winter speichern.

    Wie gut sich eine solche Gesteinsschicht in der Tiefe nutzen lässt, hängt ganz entscheidend davon ab, wie viel Wasser im Karbonat-Gestein des Schaumkalks steckt und welche Mengen durch die dort unten natürlich entstandenen Klüfte strömen können. „Um das herauszubekommen, müsste man normalerweise eine Bohrung bis in den Schaumkalk vorantreiben“, erklärt Guido Blöcher. Das ist aber ein teures Unterfangen.

    Viel preiswerter ist es dagegen, die ja bereits für die Erdgasspeicher angelegten Bohrungen zu nutzen. Genau das machen jetzt die GFZ-Forscher. Durch diese Bohrungen holen sie zunächst einmal Wasserproben aus dem Muschelkalk der Tiefe an die Oberfläche. Die Hydrochemikerin Simona Regenspurg untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe die dort enthaltenen Stoffe, um zu erkunden, woher das Wasser kommt und wie man es nutzen könnte: „Welche Mengen an Salz und anderen Stoffen sind im Wasser gelöst?“, fragt die GFZ-Forscherin sich.

    Für die Salze interessiert Simona Regenspurg sich, weil diese ausfallen und so die technischen Prozesse beim Nutzen der Erdwärme behindern könnten. Kennt man die Mengen und die Zusammensetzung dieser Salze, können die Ingenieure später auch besser Korrosion verhindern. Zusätzlich analysiert in einem neuen GFZ-Schwerpunkt zur Erforschung des Lebens in der Tiefe der Geomikrobiologe Jens Kallmeyer, welche Mikroorganismen im Wasser enthalten sind und wie deren Aktivitäten den Untergrund beeinflussen.

    Um die Menge des Wassers abzuschätzen, das aus den Klüften im Schaumkalk fließt, planen die Forscher unterschiedliche Analysen. „Lifttest“ nennen sie ein wenig scherzhaft eine dieser Methoden, bei der Stickstoff in die Bohrung gepumpt wird. Dadurch schießt das Wasser nach oben und die Forscher können messen, wie viele Kubikmeter Wasser in einer Stunde aus der Bohrung kommen. Bei einer weiteren Methode drücken sie mit Stickstoff das in der Bohrung stehende Wasser rund hundert Meter nach unten. Über ein Ventil wird dann an der Oberfläche der eingepresste Stickstoff sehr schnell abgelassen und das Wasser steigt in der Bohrung wieder nach oben. „Aus diesem Wiederansteigen können wir berechnen, welche Wassermengen später in einer Stunde gefördert werden können“, erklärt Guido Blöcher. An Hand dieser Mengen kann die BES dann abschätzen, ob sich das Nutzen der Erdwärme dort rentiert.

    Bis in die Tiefe von 550 Metern führen die Ingenieure und Techniker um den GFZ-Forscher Jan Henninges ein Messkabel in die Bohrung ein, dessen optische Fasern entlang der gesamten Länge der Bohrung gleichzeitig die Temperatur misst. Pressen sie später die 100 Kubikmeter an der Oberfläche abgekühlten Wassers aus dem Muschelkalk, das sie bei diesem Versuch fördern wollen, in die Bohrung zurück, um so den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, beobachten die Forscher diesen Temperaturverlauf genau. Bleibt das Bohrloch an einer Stelle längere Zeit kalt, ist dort offensichtlich Wasser in die Umgebung eingedrungen. „Auf diese Weise können wir erkennen, wo sich durchlässige Gesteinsschichten entlang der Bohrung befinden“ erklärt Jan Henninges. Und schon präsentieren die Forscher der BES eine weitere wichtige Information für eine spätere Nutzung der Erdwärme über die alten Bohrungen für den Erdgasspeicher. Ihre im Grunewald erprobten Konzepte und die dort erzielten Ergebnisse wollen die GFZ-Forscher später auch auf das Berliner Umland übertragen, unter dem ebenfalls eine Muschelkalkschicht das Nutzen von Erdwärme ermöglichen könnte.

    Medienkontakt:
    Josef Zens
    Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Helmholtz-Zentrum Potsdam
    Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
    Telegrafenberg
    14473 Potsdam
    Tel.: +49 331 288-1040
    E-Mail: josef.zens@gfz-potsdam.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr.-Ing. Guido Blöcher
    Arbeitsgruppenleiter in der Sektion Geoenergie
    Helmholtz-Zentrum Potsdam
    Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
    Telegrafenberg
    14473 Potsdam
    Tel.: +49 331 288-1414
    E-Mail: guido.bloecher@gfz-potsdam.de

    PD Dr. Simona Regenspurg
    Arbeitsgruppenleiterin in der Sektion Geoenergie
    Helmholtz-Zentrum Potsdam
    Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
    Telegrafenberg
    14473 Potsdam
    Tel.: +49 331 288-1437
    E-Mail: simona.regenspurg@gfz-potsdam.de


    Weitere Informationen:

    http://-Link zur Pressemeldung mit weiteren Bildern:
    https://www.gfz-potsdam.de/medien-kommunikation/meldungen/detailansicht/article/...


    Bilder

    Echtzeitmonitoring in der Bohrung durch faseroptische Temperaturmessung.
    Echtzeitmonitoring in der Bohrung durch faseroptische Temperaturmessung.
    Daniel Acksel
    CCBY-SA 4.0: Daniel Acksel, GFZ


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Energie, Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Echtzeitmonitoring in der Bohrung durch faseroptische Temperaturmessung.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).