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25.08.2020 10:40

Bioenergie für eine konsistente Klimaschutz- und Energiepolitik — Empfehlungen des FVEE

Petra Szczepanski Öffentlichkeitsarbeit
ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE)

    In den Diskussionen zur aktuellen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes finden mögliche Systembeiträge der Bioenergie nur wenig Beachtung. Die energetische Biomassenutzung stellt im Stromsektor einen ergänzenden Baustein dar, um verbleibende Energiebedarfe flexibel und kostengünstig zu decken, wenn Wind und Sonne tageszeitlich oder wetterbedingt nicht zur Verfügung stehen. Energie aus Biomasse kann mittel- bis langfristig aber auch verstärkt zum Strukturwandel in den Sektoren Prozesswärme und Verkehr beitragen.

    Für eine erfolgreiche Energiewende ist es nach Einschätzung des FVEE daher wichtig, biogene Energieträger sektorenübergreifend optimal zu nutzen. In jedem Fall sind für eine effiziente und nachhaltige Nutzung von Bioenergie verlässliche Preissignale und einheitliche ökologische Leitplanken erforderlich. Nur in einem solchen Rahmen investieren die Akteure in zukunftsfähige Technologien und mobilisieren noch ungenutzte Reststoffpotenziale.

    Bedeutung der Bioenergie für Energiewende und Klimaschutz

    Aktuell stammen rund 60 % der erneuerbaren Energien in Deutschland aus der energetischen Nutzung von Biomasse. Vor allem die regenerative Erzeugung von Wärme und Kraftstoffen wird derzeit weitgehend durch biogene Energieträger gedeckt. Mit dem zunehmenden Ausbau von Wind- und Solarenergie wird Bioenergie nicht mehr die Hauptlast der erneuerbaren Energieerzeugung tragen. Stattdessen wird sie zukünftig entsprechend ihrer Stärken zur Erfüllung besonderer Aufgaben im Energiesystem beitragen:

    Flexibilität

    Im Unterschied zu Wind- und Solarenergie steht Bioenergie zeitlich und räumlich flexibel zur Verfügung. Gegenwärtig stellen z. B. Biogasanlagen bis zu 2,9 GW Leistung zum Ausgleich von Schwankungen im Stromsystem bereit. Sie leisten somit einen wichtigen Beitrag für eine nachfragegerechte Energiebereitstellung und damit zur Versorgungssicherheit.

    „Energie-Allrounder“

    Durch die Möglichkeit, Biomasse in feste, flüssige und gasförmige Energieträger umzuwandeln (z. B. Holzpellets, synthetische Kraftstoffe oder Biogas/-methan), kann Bioenergie Energienachfrage in allen Wirtschaftssektoren decken, die durch Strom nicht oder nur zu sehr hohen Kosten befriedigt werden kann (Sektorkopplung). Hierzu zählen etwa die Nachfrage nach Kraftstoffen für schwer elektrifizierbare Verkehrsbereiche (Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr) sowie nach Hochtemperatur-Prozesswärme in der Industrie.

    Basis für eine nachhaltige Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft

    Soll die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre zukünftig dazu beitragen, nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren, kann im Rahmen der energetischen Nutzung von Biomasse Kohlenstoff abgetrennt und langfristig im geologischen Untergrund gespeichert werden (BECCS, bioenergy with carbon capture and storage). Alternativ zur Speicherung kann der gewonnene biogene Kohlenstoff zur Schließung von Stoffkreisläufen etwa in der chemischen Industrie beitragen (BECCU, bio-energy with carbon capture and utilization).

    Entwicklungsziele für die Bioenergie

    Anders als bei Wind- oder Sonnenenergie liegt der Schwerpunkt der weiteren Entwicklung der Bioenergie in Deutschland nicht auf der kontinuierlichen Steigerung der installierten Leistung, die eine weitere Inanspruchnahme von Agrar- und Forstflächen zur Folge hätte. Vorrangig ist stattdessen, vorhandene Potenziale sektorenübergreifend so einzusetzen, dass sie den höchsten Nutzen im Energiesystem entfalten. Dabei ist die Priorität der stofflichen Nutzung zu beachten.
    Es sollten demnach insbesondere Abfälle und Reststoffe zum Einsatz kommen und verstärkt mobilisiert werden, wenn dies nachhaltig möglich ist. Die effiziente Nutzung dieser Potenziale kann zur Verringerung der Kosten der Energiewende und somit zur Verbesserung der Akzeptanz einer klimaneutralen Wirtschaft beitragen.
    Aus ökologischer Sicht ist sicherzustellen, dass sowohl die nationale Erzeugung als auch der Import von Biomasse im Einklang mit ökologischen Zielen, unter anderem aus den Bereichen Boden-, Gewässer- und Biodiversitätsschutz, steht. Perspektivisch sollte der Einsatz von Biomasse nicht nur ökologische Mindestanforderungen erfüllen, sondern sogar zu mehr Umweltqualität beitragen. Beispiele hierfür sind der Anbau von Energiepflanzen zur Verbesserung degradierter Böden, die für die Produktion von Lebensmitteln ungeeignet sind, sowie die energetische Verwertung von Gras als Baustein in Strategien zum Grünlanderhalt.

    Beiträge der Energieforschung für die Bioenergie

    Bioenergie ist im engen Zusammenspiel mit anderen erneuerbaren Energieformen und mit Blick auf die Ziele einer effizienten und ökologisch nachhaltigen Nutzung zu entwickeln.
    Vor diesem Hintergrund leistet die Bioenergieforschung insbesondere diese Beiträge:
    • Identifizierung nachhaltiger Biomassepotenziale und Wege für ihre Nutzbarmachung
    • Entwicklung von Technologien zur effizienten und umweltverträglichen Umwandlung von Biomasse insbesondere aus Abfällen und Reststoffen in feste, flüssige und gasförmige Energieträger
    • Verbesserung technischer und wirtschaftlicher Bedingungen für eine integrierte stofflich-energetische Biomassenutzung, insbesondere unter Berücksichtigung eines Energiesystems mit hohen Anteilen an fluktuierender erneuerbarer Energie
    • Identifizierung sektorenübergreifend optimaler Einsatzmöglichkeiten für Bioenergie im Energiesystem durch systemische Analysen im Sinne gesamtökonomischer Betrachtungen einschließlich damit verbundener Umweltwirkungen
    • Bereitstellung umfassender Daten zur Entwicklung der Bioenergie (Monitoring)
    • Erarbeitung von handlungsorientiertem Wissen zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Bioenergie-Transformationspfaden

    EMPFEHLUNGEN DES FVEE
    an die Politik für eine nachhaltige Bioenergienutzung

    Die optimale Verwendung von Bioenergie ist eine komplexe Herausforderung. Sie erfordert daher eine ressortübergreifende Koordinierung wirtschaftlicher, ökologischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.

    Fairer Wettbewerb

    Damit Bioenergie gesamtwirtschaftlich optimal eingesetzt wird, müssen Wettbewerbsverzerrungen zugunsten fossiler Alternativen konsequent und zügig beseitigt werden. Neben einem wirksamen CO2-Preis ist hierfür ein umfassender Abbau von Subventionen für fossile Energieträger notwendig, etwa von Ermäßigungen, Ausnahmen und Spitzenausgleichen bei Strom- und Energiesteuer oder der Agrardieselvergütung. Erst unter diesen Bedingungen werden beispielsweise Biogasanlagen intelligent weiterentwickelt und standortgerecht Strom, Wärme, Kraftstoff oder eine Kombination dieser Energieformen bereitstellen. Auch die Entwicklung intelligenter Wärmetechnologien auf Basis von Biomasse sowie die kosteneffiziente und umweltverträgliche Aufteilung biogener Ressourcen auf die Verkehrsträger Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr setzen faire Wettbewerbsbedingungen voraus. Wird ein ausreichender CO2-Preis erst schrittweise etabliert, sollten bestehende und zukunftsfähige Bioenergie-Lösungen zwischenzeitlich nach Maßgabe ihres Klimaschutzbeitrags gefördert werden, um langfristig benötigte Infrastruktur und Know-how zu sichern.

    Ökologische Standards

    Ergänzend dazu bedarf es einer ressortübergreifenden Koordinierung zur Schaffung einheitlicher ökologischer Mindeststandards für die Erzeugung, Verarbeitung und Verwendung von Biomasse, die in gleicher Weise für stoffliche und energetische Nutzungspfade gelten müssen. Beispielsweise sind an die Erzeugung oder den Import von Futtermitteln die gleichen Anforderungen bezüglich Biodiversität, Boden, Wasser und Arbeitnehmerrechte anzulegen, wie an den Anbau von Biomasse zur energetischen Nutzung.

    Klare Zielvorgaben

    Im Hinblick auf die langfristige Entwicklung der Bioenergie ist weiterhin ein eindeutiges Bekenntnis zum Ziel der Klimaneutralität 2050 erforderlich, um langfristig Investitionssicherheit zu schaffen. Gleiches gilt für eine Entscheidung zur Nutzung von BECCS-Technologien, die eine breite gesellschaftliche Debatte um die Rolle von CCS in der deutschen Klimaschutzstrategie voraussetzt.

    Ausrichtung der Forschung

    Bezogen auf die Bioenergie-Forschung ist es notwendig, die sektorenübergreifende Integration von Bioenergie in das Energiesystem stärker ins Zentrum der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zu stellen. Die Forschung muss darüber hinaus umfassender als bislang um Maßnahmen zur Innovationsförderung ergänzt werden, damit sich zukunftsweisende Technologien im industriellen Maßstab etablieren können. Die dafür notwendigen Strukturen wie marktorientierte Forschungsverbünde oder etablierte Innovationscluster, Netzwerke und Plattformen müssen unterstützt und weiter ausgebaut werden.

    Kontakte für inhaltliche Fragen

    FVEE-Geschäftsführer
    Dr. Niklas Martin
    Telefon 030 288 7565 71, www.fvee.de, fvee@helmholtz-berlin.de

    DBFZ - Deutsches Biomasseforschungszentrum
    Prof. Dr. Daniela Thrän (Bereichsleiterin Bioenergiesysteme)
    Telefon 0341 2434 – 435, www.dbfz.de, daniela.thraen@dbfz.de

    Bitte um Beleg
    Bitte senden Sie bei Verwendung der Presseinformation einen Hinweis an die FVEE Geschäftsstelle (fvee@helmholtz-berlin.de).

    Über den FVEE

    Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien ist eine bundesweite Kooperation von Forschungsinstituten. Die Mitglieder erforschen und entwickeln Technologien für erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energiespeicherung und das optimierte technische und sozio-ökonomische Zusammenwirken aller Systemkomponenten. Ziel ist die Transformierung der Energieversorgung zu einem nachhaltigen Energiesystem.

    Die Mitgliedseinrichtungen des FVEE

    DBFZ (Deutsches Biomasseforschungszentrum)
    DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt)
    Fraunhofer IEE (Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik)
    Fraunhofer ISE (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme)
    Fraunhofer IWES (Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme)
    GFZ (Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum)
    HZB (Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie)
    ISFH (Institut für Solarenergieforschung Hameln Emmerthal)
    IZES gGmbH (Institut für Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme)
    Forschungszentrum Jülich
    KIT (Karlsruher Institut für Technologie)
    UFZ (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung)
    Wuppertal Institut (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie)
    ZAE Bayern (Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung)
    ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung)


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    DBFZ - Deutsches Biomasseforschungszentrum
    Prof. Dr. Daniela Thrän (Bereichsleiterin Bioenergiesysteme)
    Telefon 0341 2434 – 435, www.dbfz.de, daniela.thraen@dbfz.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Energie, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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