Ein internationales Expertenteam, darunter auch ESO-Mitarbeiter, hat einen neuen Bericht erstellt, der praktische Wege untersucht, um mit den Auswirkungen großer Satellitenkonstellationen auf die Astronomie umzugehen. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass große Konstellationen heller Satelliten in der niedrigen Erdumlaufbahn die bodengestützte optische und infrarote Astronomie grundlegend verändern und das Erscheinungsbild des Nachthimmels für Sterngucker weltweit beeinflussen könnten. Der Bericht bietet auch eine Roadmap für Observatorien und Satellitenbetreiber, um diese Auswirkungen durch eine Zusammenarbeit zu verringern.
Der Bericht bietet zwei Hauptergebnisse: Erstens wirken sich erdnahe Satelliten überproportional auf wissenschaftliche Programme aus, die Beobachtungen in der Dämmerung erfordern, wie etwa die Suche nach erdbedrohenden Asteroiden oder nach sichtbaren Gegenstücken von kurzlebiger Quellen von Gravitationswellen. Satelliten, die in einer Höhe von weniger als 600 km kreisen, beeinträchtigen die astronomischen Beobachtungen in den dunkelsten Stunden der Nacht nur begrenzt. Satelliten in höheren Lagen jedoch, wie die von OneWeb geplante 1.200 km hohe Konstellation, können im Sommer die ganze Nacht und in anderen Jahreszeiten einen Großteil der Nacht beleuchtet werden. Diese Konstellationen könnten schwere Folgen für viele Forschungsprogramme an den weltweit führenden optischen Observatorien haben. Je nach Höhe und Helligkeit könnten die Satellitenkonstellationen auch für Astrofotografen, Hobby-Astronomen und andere Natur-Enthusiasten den Blick in den Sternenhimmel beeinflussen.
Zweitens bietet der Bericht eine Reihe von Möglichkeiten, um den Schaden für die Astronomie durch große Satellitenkonstellationen zu verringern: Die Betreiber könnten weniger Satelliten starten, Satelliten in Höhen unter 600 km einsetzen, Raumfahrzeuge abdunkeln oder Sonnenschirme verwenden, um ihre reflektierenden Oberflächen zu beschatten, und die Höhe eines jeden Satelliten steuern, um weniger Sonnenlicht Richtung Erde zu reflektieren. Andererseits könnte die astronomische Gemeinschaft zu den Abschwächungsmaßnahmen beitragen, indem sie den Betreibern hilft, Grenzwerte für die Satellitenhelligkeit zu ermitteln und zu berechnen, wie effektiv verschiedene Möglichkeiten zur Verringerung dieser Helligkeit wären. Der Bericht empfiehlt außerdem, dass Observatorien die Entwicklung eines Tools zum Entfernen oder Maskieren von Satellitenspuren und ihren Auswirkungen auf astronomischen Bildern unterstützen sowie eines Tools zum Berechnen von Satellitenbahnen und der Vermeidung ihrer Spuren. Die ESO prüft zusammen mit anderen Observatorien die Kosten für diese Abmilderungsmaßnahmen.
Der Bericht ist das Ergebnis des virtuellen SATCON1-Workshops, der von NOIRLab, einem Astronomiezentrum der US National Science Foundation und der American Astronomical Society organisiert wurde. Vom 29. Juni bis zum 2. Juli kamen mehr als 250 Wissenschaftler, Ingenieure, Satellitenbetreiber und andere Interessengruppen zusammen, um die Auswirkungen von Megakonstellationen zu erörtern und Möglichkeiten zu ihrer Eindämmung zu erkunden. Die ESO-Experten Olivier Hainaut, Andrew Williams und Angel Otarola waren unter den Teilnehmern des Workshops und sind Autoren des neuen Berichts.
Ausgehend von Bedenken der astronomischen Gemeinschaft hinsichtlich der Auswirkungen von Satellitenkonstellationen auf die wissenschaftliche Forschung hatte die ESO Anfang des Jahres eine Studie von Hainaut und Williams über diese Auswirkungen veröffentlicht, die sich hauptsächlich auf Beobachtungen mit ESO-Teleskopen im sichtbaren und infraroten Bereich konzentrierte. Es wurden insgesamt 18 repräsentative Satellitenkonstellationen berücksichtigt, die von SpaceX, Amazon, OneWeb und anderen entwickelt werden. Dabei stellte sich heraus, dass große Teleskope wie das Very Large Telescope der ESO und das entstehende Extremely Large Telescope der ESO von diesen Konstellationen „mäßig betroffen“ sein werden. Die Studie, in der auch die Auswirkungen auf Einrichtungen außerhalb der ESO untersucht wurden, ergab, dass die größten Auswirkungen bei Weitfelduntersuchungen zu verzeichnen sein könnten, insbesondere bei solchen mit großen Teleskopen, wie dem Vera C. Rubin-Observatorium von NOIRLab.
Hainaut und Williams haben zusammen mit Otarola (zuvor am Thirty-Meter International Observatory) zu dem neuen Bericht beigetragen, indem sie detaillierte Simulationsarbeiten durchführten, die Auswirkungen auf ESO-Einrichtungen zusammenfassten und an den Arbeitsgruppen zur Erstellung des Berichtes teilnahmen. Das VISTA-Teleskop der ESO wurde verwendet, um Beobachtungen von Starlink-Satelliten durchzuführen und damit die Simulationsarbeit zu unterstützen. Detaillierte Simulationen von Satellitenkonstellationen sind wichtig, da damit in Zukunft schnell Kollisionsberechnungen durchgeführt werden können und die Erstellung von Tools unterstützt wird, mit denen Teleskopbetreiber Beobachtungen planen und Satellitenspuren vermeiden können. Die Neuplanung von Beobachtungen kann nicht alle Auswirkungen vermeiden und ist auf genaue Informationen der Satellitenunternehmen angewiesen. Sie kann jedoch die Auswirkungen minimieren.
Die ESO wird ihre aktive und kontinuierliche Arbeit mit der internationalen Astronomiegemeinschaft fortsetzen, um die Auswirkungen von Megakonstellationen zu verstehen und in Zusammenarbeit mit der Industrie und Regierungsbehörden Lösungen zu entwickeln. SATCON2, das sich mit den wesentlichen Fragen der Richtlinien und Regulierung befassen wird, ist vorläufig für Anfang bis Mitte 2021 geplant.
Weitere Informationen
Der Bericht “Impact of Satellite Constellations on Optical Astronomy and Recommendations toward Mitigations” wurde der US National Science Foundation vorgelegt und heute, am 25. August 2020, veröffentlicht.
Das Team besteht aus C. Walker (NOIRLab, USA), J. Hall (Lowell Observatory, USA), L. Allen (NOIRLab, USA), R. Green (Universität von Arizona, USA), P. Seitzer (Universität von Michigan, USA), A. Tyson (Universität von Kalifornien, Davis, Vera C. Rubin Observatorium, USA), A. Bauer (Vera C. Rubin Observatorium, USA), K. Krafton (American Astronomical Society [AAS], USA), J. Lowenthal (Smith College, USA), J. Parriott (AAS, USA), P. Puxley (Association of Universities for Research in Astronomy [AURA], USA), T. Abbott (NOIRLab, USA), G. Bakos (Princeton University, USA), J. Barentine (The International Dark-Sky Association [IDA], USA), C. Bassa (ASTRON, Niederlande), J. Blakeslee (Gemini Observatory, USA), A. Bradshaw (SLAC, USA), J. Cooke (Swinburne University, Australien), D. Devost (Canada-France-Hawaii Telescope, USA), D. Galadí (Icosaedro-Arbeitsgruppe der Spanischen Astronomischen Gesellschaft, Spanien), F. Haase (NOIRLab, USA), O. Hainaut (Europäische Südsternwarte [ESO], Deutschland), S. Heathcote (NOIRLab, USA), M. Jah (Universität von Texas, Austin, USA), H. Krantz (Universität von Arizona, USA), D. Kucharski (Universität von Texas in Austin, USA), J. McDowell (CfA, USA), P. Mróz (Caltech, USA), A. Otarola (ESO, Chile), E. Pearce (Universität von Arizona, USA), M. Rawls (Universität Washington, Vera C. Rubin Observatorium, USA), C. Saunders (Princeton University, USA), R. Seemann (Catalina Sky Survey, USA), J. Siminski (ESA SpaceDebris Office, USA), A. Snyder (Stanford University, USA), L. Storrie-Lombardi (Las Cumbres Observatory, USA), J. Tregloan-Reed (Universität von Antofagasta, Chile), R. Wainscoat (Universität von Hawaii, USA), A. Williams (ESO, Deutschland), P. Yoachim (Universität Washington, Vera C. Rubin Observatorium, USA).
Pressekontakt
Bárbara Ferreira
ESO Public Information Officer
Garching bei München
Tel: 089 3200 6670
Email: pio@eso.org
Olivier R. Hainaut
ESO Astronomer
Garching bei München
Tel: 089 3200 6752
Cell: 0151 2262 0554
Email: ohainaut@eso.org
Andrew Williams
ESO External Relations Officer
Garching bei München
Tel: 089 320 062 78
Email: awilliam@eso.org
Angel Otarola
ESO Atmosphere Scientist
ESO La Silla Paranal Observatory, Chile
Tel: +56 55243 5311
Email: angel.otarola@eso.org
https://www.eso.org/public/germany/announcements/ann20022/ - Originalmitteilung der ESO
Atacama-Nächte
B. Tafreshi
Bild: ESO/B. Tafreshi (twanight.org)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).