Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts SimRa zeigen, wo es für Radfahrer*innen in Berlins Straßenverkehr gefährlich ist
Abbiegende PKW, überholende Busse oder zugeparkte Radwege bringen Radfahrer*innen häufig in gefährliche Situationen. Doch „Beinahe-Unfälle“ werden in Unfallstatistiken nicht erfasst und Fahrrädern fehlen Sensoren, die entsprechende Daten liefern könnten. Im Rahmen des Projekts „SimRa – Sicherheit im Radverkehr“ von Prof. Dr. David Bermbach vom Fachgebiet Mobile Cloud Computing der TU Berlin und vom Einstein Center Digital Future (ECDF) liegen nun erste Ergebnisse zur Gefahrensituation für Radfahrer*innen auf Berlins Straßen vor.
SimRa-App fährt auf dem Fahrradsattel mit
David Bermbach und seine Kolleg*innen haben eine App entwickelt, um Daten von „Beinahe-Unfällen“ zwischen Radfahrer*innen und anderen Verkehrsteilnehmenden zu erfassen. Dazu konnte jede*r Bürger*in die SimRa-App kostenlos im App-Store auf das Smartphone laden, wo die App mittels GPS-Daten Fahrtrouten aufzeichnete und die Beschleunigungssensoren zum Detektieren von Gefahrensituationen nutzte. Inzwischen wurden für Berlin circa 20.000 Fahrten erfasst und analysiert. Dabei wurde u. a. deutlich, dass für Radfahrende Straßen, in denen Autos in beiden Richtungen unterwegs sind, mit Parkstreifen, aber ohne Radweg, besonders gefährlich sind. Dort werden Radfahrer*innen von Autofahrenden oft sehr eng und mit hoher Geschwindigkeit überholt oder sie fahren dicht an die Radler*innen heran.
Wo in Berlin am gefährlichsten?
Dass der Kurfürstendamm oder die Friedrichstraße sich nicht für eine gemütliche Radtour anbieten, überraschte die Wissenschaftler*innen der TU Berlin und des ECDF bei der Auswertung ihrer Daten und dem Abgleich mit der Fahrradunfallstatistik von 2019 nicht.
Doch auch Straßen wie beispielsweise die Weichselstraße in Friedrichshain-Kreuzberg oder die Elsenstraße in Treptow-Köpenick stuften die Wissenschaftler*innen in der Gefährlichkeit als „mittel-hoch“ und „hoch“ ein. Ebenso wurde der Abschnitt zwischen Havelchaussee und Königstraße auf dem Kronprinzessinnenweg in Steglitz-Zehlendorf als „mittel-hoch“ in der Gefährlichkeit bewertet. Eine häufige Gefahr, die die Radfahrenden an dieser Stelle via App dokumentierten, war das dichte Überholen durch Autos. Derzeit ist der Kronprinzessinnenweg zwischen Hüttenweg und Havelchaussee für den motorisierten Verkehr gesperrt. Diese Regelung, so rät das Forschungsteam, sollte auf den gesamten Kronprinzessinnenweg ausgeweitet werden, da dieser sehr beliebt bei Ausflügler*innen ist.
„Es gibt nicht die drei oder vier gefährlichen Ecken in Berlin, sondern Gefährlichkeit in der Breite. Es lassen sich aber ähnliche Lösungen für ähnliche Probleme anwenden“, erklärt David Bermbach, der mit seinem Team solche Lösungsansätze für bestimmte Straßenabschnitte und Kreuzungen erarbeitet hat. Diese sind als Diskussionsbasis und nicht als unmittelbare Umsetzungsempfehlung zu sehen, denn entsprechende Analysen vor Ort durch Verkehrsplanungsexpert*innen stehen bislang noch aus.
Ergebniskarten helfen bei Lokalisierung von Gefahrenherden
Visualisiert werden die Forschungsergebnisse durch eine interaktive Straßenkarte, die alle Straßenabschnitte und Kreuzungen anzeigt, für die entweder a) mindestens 50 Fahrten oder b) mindestens 10 Fahrten und ein Gefahrenscore von 0,25 oder mehr vorliegen. „Auf der Karte können Nutzer*innen Straßenabschnitte und Kreuzungen anklicken, um sich die erfassten Incidents anzeigen zu lassen“, erklärt Informatiker Bermbach. Zu den untersuchten Incidents zählen zu dichtes Überholen oder Auffahren, ein- oder ausparkende Fahrzeuge, Beinahe-Abbiegeunfälle, entgegenkommende Verkehrsteilnehmer*innen, Beinahe-Dooring und Hindernisse.
https://simra-project.github.io/berlin_geojson_2.html
Eine weitere Ergebniskarte zeigt alle Straßenabschnitte und Kreuzungen in Berlin an, für die mindestens 10 Fahrten vorliegen. Auch auf dieser können Straßenabschnitte und Kreuzungen angeklickt werden, um die erfassten Incidents anzuzeigen, hier liegen jedoch für viele Straßenabschnitte noch nicht genug Daten vor.
https://simra-project.github.io/berlin_geojson_2020-08_min10rides.html
„Die beiden Ergebniskarten haben wir zur Analyse genutzt, um die Gefahrenstellenreports zu erstellen. Die Forschungsergebnisse veröffentlichen wir auf der Plattform GitHub, um Daten frei zugreifbar zu machen und dabei die Datensets dennoch kontinuierlich aktualisieren zu können“, so David Bermbach. „Aktuell arbeiten wir daran, die Daten in Halbjahrespaketen in ein Open-Data-Repository zu migrieren.“ Es handelt sich dabei um große frei zugängliche Datenbanken zur dauerhaften Archivierung von Forschungsdaten, die meist von Bibliotheken betrieben werden.
In den kommenden Monaten werden die Wissenschaftler*innen die neue Machine-Learning-basierte Incident-Erkennung releasen. Hierbei werden Verfahren der Künstlichen Intelligenz genutzt, um wiederkehrende Muster wie beispielsweise eine Vollbremsung in den per App erfassten Beschleunigungsdaten zu erkennen. Außerdem sollen bald auch für andere Regionen erste Ergebnisse erarbeitet und vorgelegt werden. Aktuell hat das Projekt zwölf Partnerregionen – darunter München, das Ruhrgebiet und Bern in der Schweiz.
SimRa-Forschungsergebnisse zum Download: https://simra-project.github.io/
Mehr Informationen zum Projekt SimRa: https://www.digital-future.berlin/forschung/projekte/simra/
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. David Bermbach
Fachgebiet Mobile Cloud Computing
TU Berlin
Einstein Center Digital Future
E-Mail: david.bermbach@tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Umwelt / Ökologie, Verkehr / Transport
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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