Wie wirksam sind Reisebeschränkungen gegen COVID-19? Wissenschaftler der LMU haben das im Auftrag der WHO analysiert. Bisherige Studien, so das Fazit, lassen sichere Aussagen nach den strengen Standards der evidenzbasierten Medizin nicht zu.
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Reisen drastisch verändert. Weltweit wurden teils massive Reisebeschränkungen bis hin zu kompletten Einreiseverboten angeordnet, um die Verbreitung des Virus zu stoppen. Dazu gehören auch Quarantänemaßnahmen für Reisende, Corona-Tests an der Grenze oder das Symptom-Screening am Flughafen. Seit Monaten fahren die politischen Entscheidungsträger bei diesen und anderen Präventionsmaßnahmen gegen das neuartige Virus auf Sicht, ständig bereit, die Auflagen dem Infektionsgeschehen anzupassen.
Und seit Monaten versuchen Mediziner und Epidemiologen, solche Strategien wissenschaftlich weiter zu unterfüttern. So auch das internationale Cochrane-Netzwerk, das seinerseits wissenschaftliche Untersuchungen in Metastudien, sogenannten Cochrane-Reviews nach besonders strengen wissenschaftlichen Standards unter die Lupe nimmt. Jetzt hat es seiner Special Collection zu COVID-19 drei weitere Studien hinzugefügt. In einer der drei Arbeiten haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO die Tauglichkeit von Reisebeschränkungen gegen COVID-19 untersucht.
"Die Studienlage ist dünn"
Immerhin: „Es gibt Hinweise darauf, dass Maßnahmen, die grenzübergreifenden Reiseverkehr beschränken, dabei helfen können, COVID-19 einzudämmen“, schreiben die Autoren um Eva Rehfuess, Professorin für Public Health und Versorgungsforschung an der Pettenkofer School of Public Health der LMU. Das gelte ebenso für „eine Kombination von Maßnahmen, etwa Screenen auf Symptome mit Quarantäne, Testen und Beobachtung im Anschluss“. Bei den Reisenden allein eine Symptomkontrolle zu machen, scheint dagegen wenig wirksam zu sein. Ihr Gesamturteil lautet: „Derzeit sind noch keine gesicherten Aussagen möglich.“
Dass das Urteil so verhalten ausfällt, mag allerdings nicht zwingend daran liegen, dass die Maßnahmen nicht wirksam wären, sondern eher an der Qualität und Verwertbarkeit der untersuchten Untersuchungen. Schließlich ist es nicht zuletzt eine Folge der sich überstürzender Ereignisse, dass wissenschaftliche Untersuchungen zu vielen relevanten Fragen der Praxis notwendig nachlaufen. „Die Studienlage ist dünn“, schreiben die LMU-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler. Sie fanden 36 infrage kommende Studien, in denen Reisebeschränkungen bei Coronavirus-Ausbrüchen untersucht wurden. Davon bezogen sich obendrein 11 nicht auf das derzeit grassierende Coronavirus SARS-CoV-2, sondern auf Ausbrüche von SARS und MERS, zwei Atemwegsinfektionen, die ebenfalls durch Coronaviren ausgelöst werden. Insgesamt, so sagt der Epidemiologe Jacob Burns, einer der Hauptautoren, seien die Studien „sehr unterschiedlich“ im Design. „Das macht es schwer, allgemeine Schlüsse zu ziehen.“ Viele Fragen blieben offen, nicht zuletzt, weil „ein großer Teil der betrachteten Studien auf Modellierungen und den darin enthaltenen Annahmen beruhten, nicht auf Beobachtungen“.
Jacob Burns
Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie
Pettenkofer School of Public Health, LMU München
Telefon: +49 (0) 89/2180-78178
https://www.ibe.med.uni-muenchen.de/aktuelles/news/travel-restrictions/index.htm...
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Verkehr / Transport
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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