Multiethnische Unterschiede: Genetische Risikofaktoren lassen sich nicht einfach von einer Population auf eine andere übertragen
Alle Menschen sind gleich, und doch ist jeder Mensch einzigartig. Das liegt zum Teil an Erziehung und Umwelt, aber größtenteils auch an der Herkunft unserer Gene, die in der DNA, dem Bauplan des Lebens, kodiert sind. Die genetische Ausstattung des Menschen unterscheidet sich weltweit und bestimmt nicht nur das Aussehen, sondern auch die Anfälligkeit für Krankheiten und das Ansprechen auf Medikamente. Um diese Unterschiede zur Entwicklung einer individuellen Präzisionsmedizin zu untersuchen wurden in den letzten Jahren verschiedene Projekte zur Populationsgenetik in Europa, Nordamerika, Asien und dem südlichen Afrika ins Leben gerufen. Eine sogenannte Genomreferenz für die rund 250 Millionen in Nordafrika fehlte bisher.
Um diesen weißen Fleck auf der Weltkarte der Humangenetik zu füllen, hat ein deutsch-ägyptisches Team unter der Leitung von Saleh Ibrahim und Hauke Busch von der Universität zu Lübeck zusammen mit Mohamed Salama von der American University in Kairo und Universität Mansoura das erste ägyptisch-nordafrikanische Referenzgenom erstellt. Dazu wurden mittels neuester Alignmentmethoden mehr als 270 Milliarden DNA-Basen zu einem de novo Genom eines neuzeitlichen Ägypters zusammengesetzt. Dieses Referenzgenom haben die Wissenschaftler dann um einem umfassenden Katalog der genetischen Variation von mehr als 100 Ägyptern ergänzt.
Weißer Fleck auf der Weltkarte der Humangenetik gefüllt
Die Ergebnisse des deutsch-ägyptischen Teams deuten darauf hin, dass genetische Risikofaktoren, die bisher in Genomen europäischer Herkunft gefunden wurden, sich nicht einfach auf die ägyptische Population übertragen lassen. Die Unterschiede in der Häufigkeit und der Kombination genetischer Varianten unterstreichen die Notwendigkeit multiethnische Genomreferenzen zu erstellen.
"Dieses Projekt hat bereits jetzt eine Fülle von Informationen geliefert", sagt die leitende Bioinformatikerin der Studie, Dr. Inken Wohlers. "Wir können nicht nur die modernen Ägypter als genetische Vermittler zwischen Europa, Asien und Afrika bestätigen, sondern auch eine gemeinsame Abstammung mit Menschen vom Mittelmeer bis zum Schwarzen Meer bis hin zum Viktoriasee in Zentralafrika. Die Studie wird die Diagnose seltener Krankheiten und die genetische Risikoabschätzung von Volkskrankheiten, insbesondere für Ägypter und Nordafrikaner, verbessern. Darüber hinaus können unsere Erfahrungen mit den neuesten Sequenziertechnologien und Algorithmen wieder in laufende, internationale Sequenzierungsprojekte in der ganzen Welt einfließen".
Die Ergebnisse dieser ersten Studie ihrer Art können sofort genutzt werden, um die persönliche Genomik und die Genetik seltener und häufiger Krankheiten eingehend zu untersuchen. Sie wird den Weg zu einem besseren Verständnis der ägyptischen, afrikanischen und globalen Genomlandschaft für die Präzisionsmedizin weiter ebnen.
Prof. Saleh Ibrahim: saleh.ibrahim@uni-luebeck.de
Prof. Hauke Busch: hauke.busch@uni-luebeck.de
Prof. Mohamed Salama: mohamed-salama@aucegypt.edu
An integrated personal and population-based Egyptian genome reference. Inken Wohlers, Axel Künstner, Matthias Munz, Michael Olbrich, Anke Fähnrich, Verónica Calonga-Solís, Caixia Ma, Misa Hirose, Shaaban El-Mosallamy, Mohamed Salama, Hauke Busch, Saleh Ibrahim. Nature Communications. DOI https://doi.org/10.1038/s41467-020-17964-1
https://doi.org/10.1038/s41467-020-17964-1
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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