Weltweit verändert der Mensch die Umwelt, meist zu Lasten anderer Arten. Es gibt aber auch Arten die erfolgreich in diesen neuen Ökosystemen überdauern. Forschende des Museums für Naturkunde Berlin publizierten nun im Fachmagazin „Global Change Biology“, wie der Grasfrosch in den letzten 150 Jahren in Berlin und Brandenburg zurechtgekommen ist. Anhand von Tieren aus der Forschungssammlung des Museums für Naturkunde Berlin entdeckten sie, dass es dem Grasfrosch in der Stadt nun sogar besser zu gehen scheint als vor 100 Jahren.
Durch das Wachstum von Städten werden viele natürliche Habitate versiegelt. Straßen und Bahnstrecken zerschneiden die Landschaft, in der Städte als Wärmeinseln liegen. Gleichzeitig führt ein steigender Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche ebenfalls zur Verminderung naturnaher Lebensräume und oft zu erhöhter Emission von Treibhausgasen. Der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden vermindert die Wasserqualität, mit negativen Auswirkungen auf die an Gewässer gebundenen Organismen. Eine Tiergruppe, die weltweit besonders negativ von Umweltveränderungen betroffen ist, sind die Amphibien.
Dennoch gibt es auch unter ihnen Arten, die in veränderten Lebensräumen überdauern. In Mitteleuropa trifft dies u.a. für den Grasfrosch zu. Wie Arten langfristig mit Veränderungen zurechtkommen und ob sie sich dabei verändern, ist oft schwer oder wegen der langen Zeiträume gar nicht direkt zu untersuchen. Für den langfristigen Erhalt der Biodiversität und ihre Serviceleistungen benötigen wir aber genau dieses Wissen. Hilfe bei der Beantwortung solcher Fragen können naturkundliche Sammlungen liefern. Forschende des Museums für Naturkunde Berlin haben jetzt in einer im Fachmagazin „Global Change Biology“ veröffentlichten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF Verbundprojekt: Bridging in Biodiversity Science – BIBS, Förderkennzeichen: 01LC1501A-H) geförderten Studie untersucht, wie sich zunehmende Urbanisierung und landwirtschaftliche Intensität auf den Grasfrosch auswirken. Hierfür erfassten sie Daten zur Körpergröße, fluktuierender Asymmetrie und der Biochemie von Fröschen, die aus Berlin und Brandenburg in den letzten 150 Jahren in die Sammlung des Museums für Naturkunde gekommen sind.
Die Forschenden nahmen an, dass sich die Bedingungen für den Grasfrosch, sowohl in der Stadt, als auch in zunehmend intensiver genutzten landwirtschaftlichen Flächen über die Zeit verschlechtert haben. Die Ergebnisse zeigten aber ein gänzlich unerwartetes Bild. In Berlin wurden die Frösche nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichsweise größer als früher. Sie scheinen also eher bessere Wachstumsbedingungen anzutreffen als im vermutlich sehr umweltbelasteten Vorkriegsberlin. Im ländlichen Brandenburg hingegen waren und blieben die Frösche kleiner. Bei der fluktuierenden Asymmetrie, die Abweichung von perfekter Körpersymmetrie gilt als Zeichen für Umweltstress, zeigte sich eine ähnliche Tendenz. Berliner Frösche aus jüngerer Zeit hatten niedrigere Werten und somit wohl geringeren Stress, als Tiere vor dem Zweiten Weltkrieg und aus Brandenburg. Die Anreicherung schwerer Stickstoff-Isotopen nahm in Berlin und Brandenburg mit der Zeit ab, war jedoch allgemein höher und weniger variabel an Standorten mit landwirtschaftlicher Nutzung. Dies erklären die Autoren mit dem Einsatz von Düngemitteln und einer geringeren Heterogenität von Lebensräumen in der Agrarlandschaft. Zusammengenommen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Lebensraumbedingungen für Grasfrösche in Berlin, trotz zunehmender Bebauung und Verdichtung des Straßennetzes, sogar verbessert haben.
„Es hat uns zunächst schon sehr verwundert, dass sich die zunehmende Urbanisierung Berlins nicht negativ auf den Grasfrosch ausgewirkt hat“, erklärt die Erstautorin der Studie Stephanie Niemeier. Die detaillierte Analyse der Daten löste das Rätsel. Verantwortlich für das gute Abschneiden der Berliner Grasfrösche in jüngerer Zeit sind die städtischen Grünflächen, wie Parkanlagen, Friedhöfe und Kleingärten. Je höher der Anteil an Grünflächen, desto größer waren die Frösche und desto niedriger waren die Werte der fluktuierenden Asymmetrie und der schweren Stickstoff-Isotope. Die Studie zeigt somit beispielhaft, dass eine zunehmende Verstädterung nicht unbedingt und ausschließlich mit einer Verschlechterung der Bedingungen für städtische Arten einhergehen muss. Gebiete mit intensiver Landwirtschaft bieten hingegen nur Lebensräume mit geringerer Qualität. Wie der Leiter der Studie, Mark-Oliver Rödel, außerdem bemerkt, zeigt diese Arbeit auch wie „wichtig naturwissenschaftliche Sammlungen als ‚Zeitzeugen‘ der Veränderung sind; decken solche Sammlungen und die in ihr enthaltenen Informationen doch Zeiträume ab, die die Lebensspanne einzelner Forschender weit überdauern.“
Publikation: Niemeier S, Müller J, Struck U, Rödel M-O (2020, early view). Superfrogs in the city: 150 year impact of urbanization and agriculture on the European Common Frog. Global Change Biology; 00:1–13. https://doi.org/10.1111/gcb.15337
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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