idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.10.2020 09:00

Die Invasion der Aliens geht weiter: Gebietsfremde Arten nehmen bis 2050 weltweit um 36 Prozent zu

Sabine Wendler Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Pressestelle
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

    Die Anzahl gebietsfremder Arten wird bis Mitte des Jahrhunderts weltweit um 36 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 steigen. Ein Großteil dieser Neuankömmlinge sind Insekten. Das berichtet ein internationales Team unter der Leitung von Senckenberg-Wissenschaftler Dr. Hanno Seebens heute im Fachmagazin „Global Change Biology“. Das Team hat erstmals auf globaler Ebene und über alle Arten hinweg berechnet, wie sich gebietsfremde Arten bis zum Jahr 2050 ausbreiten könnten. In Europa erwarten die Forscher*innen eine relative Zunahme von 64 Prozent, was rund 2.500 neuen gebietsfremden Arten entspricht. Durch strengere Regulierungen könne die Invasion gebietsfremder Arten aber noch verlangsamt werden.

    Rund um den Globus sind die Aliens los. Doch anders als im Science-Fiction Film sind sie nicht mit dem Ufo gelandet, sondern per Schiff, Flugzeug oder LKW angekommen. Im Jahr 2005 waren es weltweit bereits mehr als 35.000 an der Zahl. Die Rede ist von gebietsfremden Pflanzen- und Tier-Arten, die von Fachleuten auch als „alien species“ (dt. „gebietsfremde Arten“) bezeichnet werden. Sie erobern dank des weltweiten Handel- und Verkehrsnetzes in zunehmendem Maße neue Lebensräume außerhalb ihrer Heimat.

    Dr. Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum hat gemeinsam mit einem Team internationaler Kolleg*innen basierend auf den Beobachtungen der letzten Jahrzehnte ein Computermodell entwickelt, das die Anzahl neuer, gebietsfremder Arten bis 2050 vorhersagt. „Die Anzahl gebietsfremder Arten wird weiter steigen. Weltweit werden wir im Jahr 2050 im Mittel 36 Prozent mehr gebietsfremde Tiere und Pflanzen haben als im Jahr 2005“, so Seebens. Mit ihrer Prognose betreten die Forscher*innen Neuland, denn bislang deckten Studien zur Ausbreitung von gebietsfremden Arten nur einzelne Organismengruppen oder Länder ab.

    Weltweit gibt es offenbar große regionale Unterschiede. So werden die stärksten Anstiege voraussichtlich in Europa zu finden sein. Hier nimmt die Anzahl gebietsfremder Arten bis zur Mitte des Jahrhunderts im Vergleich zum Jahr 2005 laut der Prognosen um 64 Prozent zu. Weitere Hotspots sind demnach die gemäßigten Breiten Asiens, Nordamerika und Südamerika. Den geringsten relativen Zuwachs gebietsfremder Arten erwarten die Forscher*innen demgegenüber in Australien.

    Auch in absoluten Zahlen werden weltweit die meisten Arten in Europa einwandern. Die Expert*innen rechnen hier mit rund 2.500 neuen, gebietsfremden Arten. Seebens dazu: „Dabei handelt es sich zum größten Teil um weniger auffällige Neuankömmlinge wie Insekten, Weichtiere und Krebstiere. Im Gegensatz dazu wird es kaum neue, gebietsfremde Säugetierarten wie beispielsweise den bereits eingewanderten Waschbär geben.“

    „Schaut man sich an, welche Pflanzen- und Tiergruppen weltweit demnächst neue Lebensräume erobern, sind das vor allem Insekten und andere Gliederfüßer wie Spinnen oder Krebstiere. Die Anzahl neuer, gebietsfremder Arten dieser ausgewählten Tiergruppen wird bis zur Mitte des Jahrhunderts in jeder Region der Erde deutlich zunehmen – in den gemäßigten Breiten von Asien sogar um 117 Prozent“, erklärt Ko-Autor Dr. Franz Essl von der Universität Wien.

    Die Berechnung zeigt darüber hinaus, dass die Invasion neuer Arten bei einzelnen Tiergruppen noch an Fahrt aufnimmt. Weltweit gesehen werden bis 2050 – im Vergleich zum Zeitraum 1960 bis 2005 – vor allem Gliederfüßer- und Vogel-Arten schneller als bisher in neuen Gebieten eintreffen. Säugetiere und Fische demgegenüber werden weltweit langsamer als bisher neue Lebensräume erobern. Anders sieht es in Europa aus: Hier wird die Rate des Auftauchens neuer, gebietsfremder Arten für alle Pflanzen und Tiere mit Ausnahme der Säugetiere ansteigen.

    Eine Umkehr der Invasion gebietsfremder Arten ist nicht in Sicht, denn der globale Handel und Verkehr, der vielen Arten als Mitfahrgelegenheit in neue Lebensräume dient, dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten noch verstärken. „Wir können die Einschleppung gebietsfremder Arten nicht gänzlich verhindern, denn das würde starke Einschränkungen des Handels bedeuten. Aber mit strengeren Regularien und deren strikter Umsetzung können wir die Flut der neuen Arten eindämmen. Der Nutzen entsprechender Maßnahmen ist durch Studien belegt. Gerade in Europa, wo die Regelungen noch vergleichsweise locker sind, gibt es noch viele Möglichkeiten, die Einbringung neuer Arten zu vermeiden“, konstatiert Seebens abschließend.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Hanno Seebens
    Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
    Tel. +49 (0)69- 7542 1874
    hanno.seebens@senckenberg.de


    Originalpublikation:

    Seebens, H. et al. (2020): Projecting the continental accumulation of alien species through to 2050.Global Change Biology, doi:10.1111/gcb.15333


    Bilder

    In Europa erwarten die Forscher*innen eine relative Zunahme von gebietsfremden Arten (im Bild: Grauhörnchen) von 64 Prozent bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 2005.
    In Europa erwarten die Forscher*innen eine relative Zunahme von gebietsfremden Arten (im Bild: Grauh ...

    Copyright: Tim Blackburn

    Das entspricht rund 2.500 neuen gebietsfremden Arten in Europa bis 2050. Darunter ist beispielsweise die 2008 erstmals in Belgien registrierte Asiatische Mücke Aedes koreicus.
    Das entspricht rund 2.500 neuen gebietsfremden Arten in Europa bis 2050. Darunter ist beispielsweise ...

    Copyright: Dorian Dörge


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Gesellschaft, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    In Europa erwarten die Forscher*innen eine relative Zunahme von gebietsfremden Arten (im Bild: Grauhörnchen) von 64 Prozent bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 2005.


    Zum Download

    x

    Das entspricht rund 2.500 neuen gebietsfremden Arten in Europa bis 2050. Darunter ist beispielsweise die 2008 erstmals in Belgien registrierte Asiatische Mücke Aedes koreicus.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).