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20.10.2020 14:00

Bestrahlung nach Prostatakrebs-Operation erst bei PSA-Anstieg

Dr. Bettina Albers Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.

    Prostatakrebs wird heute in der Mehrzahl der Fälle so rechtzeitig diagnostiziert, dass keine Fernmetastasen vorliegen, und kann daher oft vollständig geheilt werden, entweder durch eine Strahlentherapie oder durch eine Operation. Nach einer Operation kann zusätzlich eine Bestrahlung notwendig sein. Durch diese sich anschließende („adjuvante“) Strahlentherapie wird eine lange Rezidivfreiheit erreicht. Unklar war bisher, ob eine Strahlentherapie direkt erfolgen sollte oder erst, wenn der PSA-Wert* wieder ansteigt. Eine kürzlich publizierte Studie [1] zeigte, dass mit letzterem eine ähnlich hohe 5-Jahres-Rezidivfreiheit erzielt werden kann wie mit der adjuvanten Strahlentherapie.

    Prostatatumoren, die sich auf das Prostatagewebe beschränken und nicht weiter gestreut haben, werden mit kurativer Zielsetzung (Heilungsabsicht) behandelt. Dabei kann primär eine Operation oder eine Bestrahlung (Radiotherapie) erfolgen. Günstig beim Prostatakarzinom ist, dass durch die Messung des sogenannten PSA-Wertes* im Blut ein erneutes Tumorwachstum frühzeitig entdeckt wird.

    Nach einer Operation, bei der die gesamte Prostata und die Lymphknoten im Becken entfernt werden („radikale Prostatektomie mit Lymphadenektomie“) wird oft eine Strahlentherapie angeschlossen. Univ.-Prof. Dr. Rainer Fietkau, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) betont, dass die postoperative Strahelentherapie ein wichtige Ergänzung zur Operation ist. Doch der optimale Zeitpunkt dieser Bestrahlung wird immer wieder kontrovers diskutiert. „Wir wissen aus Studien, dass eine sogenannte adjuvante (d. h. „zur Sicherheit“ sich nach der Operation anschließende) Bestrahlung das Risiko eines biochemischen Rezidivs bei Hochrisiko-Patienten nach radikaler Prostatektomie halbiert.“

    Es gibt Hinweise und Berichte, dass anstelle der adjuvanten Bestrahlung eine frühzeitige Salvage-Radiotherapie (d. h. Bestrahlung erst bei erneutem Anstieg des PSA-Wertes) eine ähnlich gute langfristige biochemische Kontrolle ermöglichen könnte – bei niedrigerer Behandlungstoxizität. Die vorliegende Studie [1] sollte diese Frage klären und verglich die biochemische Kontrolle des Tumorwachstums (bzw. die biochemische Progression) bei Patienten nach adjuvanter und Salvage-Radiotherapie. Es handelte sich um eine randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie (Nicht-Unterlegenheits-Studie) in 32 onkologischen Zentren in Australien/Neuseeland. In die Studie eingeschlossen wurden 333 Patienten nach radikaler Prostatektomie mit hohem Risiko für ein Rezidiv (entsprechend den Risikokriterien in der feingeweblichen Untersuchung, d. h. nicht-tumorfreie Resektionsränder bzw. Ausdehnung über die Grenzen der Prostata hinaus). Die Patienen waren in gutem Allgemeinzustand (ECOG-Performance-Status 0-1) und hatten einen postoperativen PSA-Wert von maximal 0,1 ng/ml. Sie wurden zu gleichen Teilen elektronisch randomisiert und erhielten entweder innerhalb von sechs Monaten nach der radikalen Prostatektomie eine adjuvante Bestrahlung (n=166) oder eine frühzeitige Salvage-Bestrahlung bei einem PSA-Wert ab 0,2 ng/ml (n=167). Die Patienten wurden stratifiziert nach Bestrahlungszentrum, präoperativem PSA-Wert, Gleason-Score (feingeweblichem Befund), Status der Resektionsränder und Beteiligung der Samenbläschen. Die Bestrahlung des Prostatabettes war in beiden Gruppen gleich (64 Gy in 32 Fraktionen), eine Androgenentzugstherapie erfolgte nicht. Primärer Endpunkt war das Ausbleiben einer biochemischen Progression. Für eine Nicht-Unterlegenheit der Salvage-Bestrahlung war gefordert, dass die biochemische 5-Jahres-Progressionrate nicht mehr als 10% über der 5-Jahres-Progressionrate nach adjuvanten Radiotherapie lag. In der Salvage-Gruppe hatten 84 Patienten (50%) eine Bestrahlung wegen ansteigenden PSA-Werten erhalten. Die Nachbeobachtungszeit betrug median 6,1 Jahre (IQR 4,3–7,5). Ein unabhängiges Studien-Überwachungskommittee empfahl im Verlauf die vorzeitige Beendigung der Patientenrekrutierung wegen unerwartet geringer Ereignisraten.

    Die biochemische 5-Jahres-Rezidivfreiheit lag in der Gruppe mit adjuvanter Bestrahlung bei 86% und in der Salvage-Gruppe bei 87% (P-Wert für Nicht-Unterlegenheit: 0,15). Die Rate urogenitaler Toxizität (≥ Grad 2) war in der Salvage-Gruppe mit 90/167 Patienten (54%) niedriger als bei adjuvanter Bestrahlung mit 116/166 Patienten (70%). Die Rate gestrointestinaler Toxizität (≥ Grad 2) war in beiden Gruppen ähnlich (bei Salvage-Bestrahlung 16 Patienten [10%] und bei adjuvanter Bestrahlung 24 Patienten [14%]).

    „Obwohl die Studie formal-statistisch die präspezifizierte Nicht-Unterlegenheit der Salvage-Bestrahlung nicht belegen konnte, so zeigte sie trotzdem, dass die Salvage-Radiotherapie vergleichbare Ergebnisse liefert wie die adjuvante Bestrahlung“, kommentiert Frau Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). „Eine Bestrahlung nur bei Bedarf, also bei einem PSA-Anstieg, war nur bei jedem zweiten Patienten notwendig, ersparte also praktisch der Hälfte der Patienten eine Bestrahlung des Prostatabettes und die damit verbundenen Nebenwirkungen. Wir müssen daher individuell vorgehen und auch abhängig von Risikofaktoren die Entscheidung zur direkten postoperativen Strahlentherapie treffen. In manchen Fällen kann ein abwartendes Verhalten mit einer Salvage-Bestrahlung bei PSA-Anstieg genau so effektiv sein. “

    Univ.-Prof. Dr. Rainer Fietkau weist auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: Die Salvage-Bestrahlung erfolgte innerhalb von vier Monaten, nachdem der PSA-Wert über 0,2 ng/ml angestiegen war, also sehr bald, nachdem die PSA-Rezidiv-Diagnose gestellt wurde. „Dies ist sehr wichtig, da wir wissen, dass sich die Prognose der Patienten verschlechtert, wenn der PSA-Wert Werte von 0,5 - 0,8 ng/ml bis zur Rezidivbestrahlung übersteigt [2]. Dies müssen die Patientin wissen und entsprechend überwacht werden. „

    *Bei Prostatakrebs steigt im Blut der sogenannte PSA-Wert, das Prostata-spezifisches Antigen, an. Dieses Enzym wird von Prostatazellen gebildet, besonders von bösartig veränderten Zellen. Der Wert eignet sich daher zur Therapiekontrolle, denn er normalisiert sich wieder bei vollständiger Tumorentfernung. Ein Rückfall (Rezidiv) zeigt sich in der Regel als erstes durch einen erneuten Anstieg des PSA-Wertes. Da die Patienen meistens zu diesem Zeitpunkt keine Symptome eines Rezidivs haben, spricht man auch von biochemischem Rezidiv bzw. biochemischer Progression.

    Literatur
    [1] Kneebone A, Fraser-Browne C, Duchesne GM et al. Adjuvant radiotherapy versus early salvage radiotherapy following radical prostatectomy (TROG 08.03/ANZUP RAVES): a randomised, controlled, phase 3, non-inferiority trial. Lancet oncol 2020; 21 (10): 1331-1340 Published: October, 2020DOI:https://doi.org/10.1016/S1470-2045 (20)30456-3 https://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045(20)30456-3/fullt...

    [2] Lohm G, Bottke D, Jamil B et al. Salvage radiotherapy in patients with persistently detectable PSA or PSA rising from an undetectable range after radical prostatectomy gives comparable results. World J Urol 2013; 31 (2): 423-8

    DEGRO-Pressestelle
    Dr. Bettina Albers
    Tel. 03643/ 776423
    Mobil 0174/2165629
    albers@albersconcept.de


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