Migräneattacken bereits im Vorfeld ausschalten – das wünschen sich viele der etwa sechs Millionen Migränepatienten in Deutschland. Hoffnung dafür machen monoklonale Antikörper, die jüngst für die Migräneprophylaxe in Europa zugelassen worden sind. Doch noch werden diese Substanzen oft zögerlich in der Therapie eingesetzt. Warum das so ist, erklären Schmerzexperten auf der Online-Pressekonferenz zum Deutschen Schmerzkongress 2020, die heute von 11 bis 12 Uhr stattfindet. Sie fordern größere prospektive Studien, wie sie durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) mit dem DMKG-Kopfschmerzregister begonnen wurden.
Migränepatienten leiden unter starken Kopfschmerzen und zahlreichen Begleitsymptomen wie Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Da dadurch ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt ist, haben neben Medikamenten gegen akute Attacken auch Medikamente für die Migräneprophylaxe eine zentrale Bedeutung. „In den vergangenen Monaten sind drei neuartige Medikamente für die Migräneprophylaxe in Europa zugelassen worden“, sagt PD Dr. med. Tim Jürgens, Präsident der DMKG und Ärztlicher Leiter des Kopfschmerzzentrums Nord-Ost, Universitätsmedizin Rostock. „Ärzte dürfen sie bei Patienten einsetzen, die nicht auf andere vorbeugende Therapien ansprechen.“
Die neuen Medikamente gehören zur Gruppe der monoklonalen Antikörper (mAb). Diese richten sich gegen wichtige Botenstoffe, die bei der Entstehung von Migräneattacken eine zentrale Rolle spielen. Ziel der zugelassenen mAbs ist das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), das aus Nervenzellen freigesetzt wird und in der Übertragung von Schmerzsignalen eine entscheidende Rolle spielt. Die monoklonalen Antikörper zirkulieren als immunologisch aktive Eiweiße im Körper und erkennen eine bestimmte Oberflächenstruktur des Botenstoffs CGRP beziehungsweise des CGRP-Rezeptors, binden daran und blockieren somit die Weiterleitung von schmerzhaften Signalen. Zugelassen sind zwei monoklonale Antikörper gegen CGRP (Fremanezumab, Galcanezumab) und ein monoklonaler Antikörper gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab).
„Während in Bereichen wie der Onkologie und Rheumatologie sowie der Behandlung der multiplen Sklerose monoklonale Antikörper seit vielen Jahren als klinisch hocheffektive neue Therapieformen etabliert sind, sind sie in der Indikation Migräne in der Schmerzmedizin noch recht neu und werden noch selten verschrieben“, erklärt Jürgens. Auch bedingt durch die sozialrechtlichen Vorgaben sind diese Therapien Patienten vorbehalten, die auf herkömmliche Kopfschmerzprophylaktika nicht ansprachen. „Ein personalisierter Einsatz mit dem Ziel, jedem Patienten möglichst früh das bei ihm mutmaßlich wirksamste Medikament zukommen zu lassen, wird aktuell nicht praktiziert.
Ursächlich dafür ist die weitestgehend fehlende Kenntnis paraklinischer und klinischer Erfahrungswerte für den Einsatz der monoklonalen Antikörper, was jedoch gerade bei neuen kostspieligen Therapieformen wünschenswert wäre“, erklärt Jürgens. „Zusammenfassend ist die aktuelle Datenlage für einen personalisierten Einsatz der neuen monoklonalen Antikörper dürftig“, so der Schmerzexperte. Sie sei selbst für bereits länger verfügbare Substanzen nicht so gut, dass ein personalisierter Einsatz im klinischen Alltag implementiert ist. „Dies ist nur durch größere prospektive Studien – idealerweise im Rahmen von Registern – zu klären, wie sie durch die DMKG mit dem DMKG-Kopfschmerzregister begonnen wurden.“
Neben der Antikörpertherapie in der Schmerzmedizin ist passend zum diesjährigen Kongress-Motto „Gleich und doch verschieden“ die individualisierte Schmerztherapie auch in anderen Bereichen der Schmerzmedizin Thema der virtuellen Veranstaltung. Die Referenten informieren beispielsweise über die Digitalisierung in der Kopfschmerzmedizin und über das Projekt PAIN2020. Zudem geht es um den Einsatz von Opioiden in der Schmerzmedizin.
Terminhinweis:
Online-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses
(21. bis 24. Oktober 2020) der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der
Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG)
„Gleich und doch verschieden – personalisierte Schmerzmedizin“
Termin: Mittwoch, 21. Oktober, 11:00 bis 12:00 Uhr
Anmeldung und Link für die Teilnahme an der Online-Pressekonferenz: https://register.gotowebinar.com/register/2515898518007216397
Vorläufige Themen und Referenten:
Neue Wundermittel gegen den Schmerz? Über die Wirkung der personalisierten Antikörpertherapie in der Schmerzmedizin
PD Dr. med Tim Jürgens, Präsident der DMKG, Ärztlicher Leiter des Kopfschmerzzentrums Nord-Ost, Universitätsmedizin Rostock
Projekt PAIN2020: Der Patient im Fokus – wie eine individualisierte Diagnostik chronischen Schmerzen entgegenwirken kann
Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrike Kaiser, Universitätsklinikum Dresden
UniversitätsSchmerzCentrum
Apps, Kopfschmerzregister und Co.: Über die Digitalisierung in der Kopfschmerzmedizin
Priv.-Doz. Dr. med. Ruth Ruscheweyh, Zertifizierte DMKG -Kopfschmerzexpertin, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum der Universität München
Opioide – wirkungsvolle Mittel im Kampf gegen den Schmerz?! Neueste Erkenntnisse über Vor- und Nachteile
Prof. Dr. Frank Petzke, Klinik für Anästhesiologie, Abteilung Schmerzmedizin, Universitätsmedizin Göttingen
Moderation: Friederike Gehlenborg, Pressestelle des Deutschen Schmerzkongresses
Medienvertreter können sich jetzt noch unter:
https://register.gotowebinar.com/register/2515898518007216397 für die virtuelle Pressekonferenz anmelden. Der Schmerzkongress findet in diesem Jahr online statt. Veranstalter sind die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. und die DMKG.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Pressetermine
Deutsch
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