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09.11.2020 11:05

Bessere Diagnose von chronischer Niereninsuffizienz - Cystatin C bei risikoarmen Patienten genauer als Kreatinin

Daniela Stang Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Chronische Nierenerkrankungen (chronic kidney disease) gelten als weltweites Gesundheitsproblem und betreffen einen großen Teil der erwachsenen Bevölkerung. Die Erkrankung ist häufig Folge von Diabetes oder Bluthochdruck und gilt als eigenständiger Risikofaktor für Herzinfarkt oder Schlaganfall. In einer Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ulmer Universitätsmedizin und dem Deutschen Herzzentrum der Technischen Universität München gezeigt, dass eine auf dem Marker Cystatin C-basierende Messmethode unter bestimmten Umständen genauer sein kann, als die bislang verwendete Messung mittels Kreatinin. Veröffentlicht wurde die Arbeit im Fachjournal BMC Medicine.

    Bislang gilt das Stoffwechselprodukt Kreatinin als Hauptmarker für die Nierenfunktion. Reichert sich die Substanz, die normalerweise über den Urin ausgeschieden wird, im Blut an, kann eine chronische Nierenerkrankung vorliegen. Jedoch variiert die Genauigkeit der Messmethode mit dem Alter, dem Geschlecht und der Muskelmasse der Testpersonen. Vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten ist die Methode mit Einschränkungen verbunden und in den Diagnose-Grenzbereichen einer chronischen Nierenfunktion sehr fehleranfällig.

    Das inzwischen ebenfalls als Marker für die Funktion der Nieren eingesetzte Cystatin C liefert bei jüngeren und Personen ohne weitere Erkrankungen verlässlichere Ergebnisse. „Die richtige Klassifizierung – Niereninsuffizienz ja oder nein – ist vor allem beim Screening dieser Bevölkerungsgruppen von Bedeutung, um weniger falsch positiv klassifizierte Personen zu erhalten“, so Professor Dietrich Rothenbacher, der das Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie der Uni Ulm leitet. Falsch positive getestete Personen erhalten eine Diagnose zu Unrecht und müssen dann oft unnötig weiter medizinisch abgeklärt werden.

    Für die Studie wurden die Daten von insgesamt 80 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 23 europäischen Kohorten ausgewertet. „Insbesondere die lange Nachbeobachtungzeit von bis zu 20 Jahren liefert besonders verlässliche Ergebnisse“, so Professor Wolfgang Koenig, Oberarzt und Leiter der „Cardiometabolic Unit“ am Deutschen Herzzentrum München, der lange am Universitätsklinik Ulm tätig war. So konnten die Forschenden außerdem zeigen, dass eine chronische Niereninsuffizienz ein wichtiger Risikofaktor für weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit für einen frühen Tod ist. „Das Risiko dieser Patientinnen und Patienten für Herz-Kreislauf-Komplikationen ist vergleichbar mit dem Risiko eines Betroffenen, der bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall durchgemacht hat“, erläutert Professor Rothenbacher. Rothenbacher und Koenig waren die Ersten, die bereits im Jahr 2005 auf die Vorteile von Cystatin C bei der Diagnose von Nierenerkrankungen hingewiesen, und im Jahr 2013 an einem Artikel mit hauptsächlich US-amerikanischen Kohorten mitgearbeitet hatten. Nun konnten sie diese Ergebnisse auch in europäischen Studienpopulationen, in denen genügend Personen mit Diabetes und mit höherem Alter vertreten waren, bestätigen.

    Zudem fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, dass der Schwellenwert von 60 ml/min/1,73 m2, ab dem von einer konventionellen Niereninsuffizienz gesprochen werden kann, auch für Betroffene über 65 Jahre gilt. Dieser Wert wurde in letzter Zeit immer wieder in Frage gestellt.

    Die Arbeit entstand im Rahmen des „Biomarker for Cardiovascular Risk Assessment across Europe“ (BiomarCaRE) Konsortiums unter der Koordination von Professor Stefan Blankenberg (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), an dem 24 europäische Universitäten und Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Finanziert wird BiomarCaRE von der EU (Seventh Framework Programme (FP7/2007-2013)).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Dietrich Rothenbacher, Leiter des Instituts für Epidemiologie und Medizinische Biometrie; Tel.: 0731/50-31060, dietrich.rothenbacher@uni-ulm.de


    Originalpublikation:

    Rothenbacher D, Rehm M, Iacoviello L, Costanzo S, Tunstall-Pedoe H, Belch JJF, Söderberg S, Hultdin J, Salomaa V, Jousilahti P, Linneberg A, Sans S, Padró T, Thorand B, Meisinger C, Kee F, McKnight AJ, Palosaari T, Kuulasmaa K, Waldeyer C, Zeller T, Blankenberg S, Koenig W and on behalf of the BiomarCaRE consortium: Contribution of cystatin C- and creatinine-based definitions of chronic kidney disease to cardiovascular risk assessment in 20 population-based and 3 disease cohorts: the BiomarCaRE project. BMC Med 18, 300 (2020). https://doi.org/10.1186/s12916-020-01776-7


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    Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen verstärken sich gegenseitig und erhöhen das Sterblichkeitsrisiko. Der Serumbiomarker Cystatin C zeigt das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zum herkömmlichen Kreatinin besser an.
    Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen verstärken sich gegenseitig und erhöhen das Sterbli ...

    Grafik: Uni Ulm

    Prof. Wolfgang Koenig und Prof. Dietrich Rothenbacher (v.l.)
    Prof. Wolfgang Koenig und Prof. Dietrich Rothenbacher (v.l.)

    Foto: Universitätsklinikum Ulm/H. Grandel


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenerkrankungen verstärken sich gegenseitig und erhöhen das Sterblichkeitsrisiko. Der Serumbiomarker Cystatin C zeigt das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zum herkömmlichen Kreatinin besser an.


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