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09.11.2020 13:11

Perspektiven der Tumorbehandlung: Forschende untersuchen Kombination von Kohlenstoffionen- und Immuntherapie

Dr. Ingo Peter Öffentlichkeitsarbeit
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH

    Noch ist es ein Blick in die Zukunft: Die Kombination von Kohlenstoffionen- und Immuntherapie könnte zu einem effektiven Instrument im Kampf gegen Krebs werden. Vielversprechende Ergebnisse für den möglichen Nutzen dieser Behandlungskombination hat jetzt ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Abteilung Biophysik des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt und unter Einbeziehung der Universität Parthenope in Neapel und des japanischen nationalen Institut für Radiologische Wissenschaften NIRS-QST in Chiba veröffentlicht.

    Auch wenn es sich erst um präklinische Ergebnisse handelt und der Weg zur klinischen Anwendung noch weit ist, weisen die aktuellen Befunde in eine aussichtsreiche Richtung: Dabei konnte gezeigt werden, dass Kohlenstoffionen, wie sie in der bei GSI entwickelten Krebstherapie zum Einsatz kommen, sehr effektiv sein können, wenn sie in Kombination mit spezifischen Molekülen, so genannten Checkpoint-Blockern, eingesetzt werden, die das Immunsystem gegen die Tumormetastasen stimulieren.

    Ziel der veröffentlichten Forschungsarbeit war es, die Wirksamkeit von konventioneller Strahlentherapie (hochenergetische Röntgenstrahlung) und Kohlenstoffionentherapie in Kombination mit einer Immuntherapie zu vergleichen. Das Immunsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Krebs. Im Normalfall erkennt es entartete Zellen und kann diese „aussortieren“. Doch zugleich besitzt es hochkomplexe Kontrollmechanismen, um Überreaktionen zu vermeiden. Gerade dies können Krebszellen manchmal für sich nutzen und die Immunüberwachung herunterregulieren. Sie verschwinden damit gleichsam vom Radar. Eine Immuntherapie kann das Immunsystem im Kampf gegen den Krebs wieder aktivieren. Sie wird inzwischen häufig bei fortgeschrittenen Malignomen und metastasierenden Patienten eingesetzt, ist aber leider nur bei einigen Tumorarten wirksam.

    In den anderen Fällen kommt die konventionelle Strahlentherapie als zweite Komponente hinzu, die unter bestimmten Bedingungen solche Bremsen des Immunsystems wieder lösen kann. Die strahleninduzierte Auslösung einer Immunantwort und deren Verstärkung durch eine Immuntherapie kann vor allem bei der Kontrolle von Metastasen zu guten Ergebnissen – etwa zu einer Verlangsamung des Wachstums – führen. Aber nur ein Teil der Patienten spricht auf diese Therapiekombination an.

    Kann die Strahlentherapie mit Kohlenstoffionen, die bei GSI sehr erfolgreich entwickelt wurde und mittlerweile in Heidelberg und Marburg sowie in neun weiteren Zentren weltweit für bestimmte Tumorformen in der klinischen Anwendung ist, hier neue Perspektiven eröffnen und dabei helfen, die Metastasierung besser zu kontrollieren? Möglicherweise ist diese Therapieform immunogener, könnte also eine noch stärkere Immunantwort auslösen als eine konventionelle Strahlentherapie und gemeinsam mit einer Immuntherapie dazu führen, dass mehr Patienten auf diese Therapiekombination ansprechen. Aufgrund solcher Überlegungen hat das Team mit Hauptautor Dr. Alexander Helm (GSI) in dem aktuellen Experiment, das am Beschleuniger in Chiba, Japan, durchgeführt wurde, erstmals direkt Kohlenstoffionen mit konventioneller Röntgenstrahlung in einem Mausmodell verglichen.

    Bei der Kontrolle des Primärtumors (hier ein Osteosarkom, ein Knochentumor) lieferten Kohlenstoffionen und Röntgenstrahlen, jeweils mit einer Immuntherapie kombiniert, zunächst ähnliche Resultate. Betrachtet man jedoch das Wachstum der Metastasen, zeigte sich, dass die Metastasierung deutlich reduziert wird, wenn der Primärtumor mit Kohlenstoffionen bestrahlt wird und dann eine Immuntherapie folgt. Die Forschenden konnten demonstrieren, dass Kohlenstoffionen plus Immuntherapie bei der Kontrolle von Lungenmetastasen wirksamer sind als beide Therapien für sich allein genommen und auch wirksamer als Röntgenstrahlen plus Immuntherapie.

    Um dieses Potenzial besser ermessen zu können, muss noch viel weitere Forschung erfolgen und gemeinsam mit internationalen Partnern schließlich auch der Einsatz in klinischen Studien getestet werden. Der Leiter der GSI-Forschungsabteilung Biophysik, Professor Marco Durante, erläuterte die zukünftige Forschung: „Bei GSI/FAIR liegt der Fokus unserer Forschung darauf, die zellulären und molekularen Mechanismen, die eine starke Immunantwort auslösen, zu verstehen. Ziel ist es, die zentrale Frage zu beantworten: Wie soll bestrahlt werden, um die effizienteste, die beste Immunantwort zu bekommen im Kampf gegen den Krebs?“

    Die Möglichkeiten, auf dem GSI/FAIR-Campus und am künftigen Beschleunigerzentrum FAIR modernste Molekularbiologie und hochenergetische Schwerionenphysik zu kombinieren, versprechen einzigartigen Erkenntnisgewinn. Der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino betonte: „Die vorliegenden Ergebnisse zeigen das große Potenzial der Kohlenstoffionentherapie, das noch längst nicht ausgeschöpft ist. Gemeinsam mit unseren nationalen und internationalen Partnern wird auch in den nächsten Jahren an diesem hoch relevanten Thema weiter geforscht. Bereits die erste Stufe des FAIR-Experimentierprogramms, die FAIR-Phase 0, bietet dafür herausragende Möglichkeiten.“


    Originalpublikation:

    https://doi.org/10.1016/j.ijrobp.2020.09.041


    Bilder

    Die Arbeit mit Zellkulturen ist ein wichtiger Bestandteil der Tumorforschung auf dem GSI-/FAIR-Campus, im Foto Dr. Alexander Helm aus der Abteilung Biophysik.
    Die Arbeit mit Zellkulturen ist ein wichtiger Bestandteil der Tumorforschung auf dem GSI-/FAIR-Campu ...

    Adrian Rodríguez Rodríguez/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Die Arbeit mit Zellkulturen ist ein wichtiger Bestandteil der Tumorforschung auf dem GSI-/FAIR-Campus, im Foto Dr. Alexander Helm aus der Abteilung Biophysik.


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