Die Moral von Finanzprofis und Bankern steht regelmäßig in der öffentlichen Kritik. Eine experimentelle Studie von Wirtschaftsforschern der Universität Innsbruck zeigt nun: Die Finanzexperten agieren im Rahmen ihrer Branche ehrlicher als in abstrakten Entscheidungssituationen. Unterschiedliche soziale Normen und die Sorge um einen möglichen Reputationsverlust der Branche könnten dieses Verhalten erklären.
Unehrliches Verhalten in der Finanzindustrie, wie Bilanzbetrug oder Insiderhandel, beschäftigen immer wieder die Öffentlichkeit. Hohe Kosten für Private und Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes sind die Folge. Christoph Huber und Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck haben nun in einem kontrollierten Experiment mit 415 Bankern und Finanzprofis sowie 270 Studierenden als Kontrollgruppe die Einstellungen zum Thema Ehrlichkeit in der Finanzindustrie untersucht. Dabei zeigte sich, dass für Finanzexperten und leitende Bankmitarbeiter die Situation, in der Entscheidungen getroffen werden, eine wichtige Rolle spielt. „Sie verhalten sich ehrlicher in einem Finanzkontext oder einer neutralen Situation und unehrlicher in einem abstrakten Umfeld“, sagt Christoph Huber. „Bei den Studierenden fanden die Forscher dagegen keine solchen Unterschiede - sie verhalten sich meist unehrlicher als die Banker.“
Sorge um Reputationsverlust
Die Innsbrucker Wirtschaftsforscher zeigen in ihrer Studie, die jetzt im Journal of Economic Behavior & Organization veröffentlicht wurde, dass unterschiedliche Situationen unterschiedliche soziale Normen hervorrufen. Dies kann das Entscheidungsverhalten zumindest teilweise erklären. „Weiters fürchten die Banker offenbar einen möglichen Reputationsverlust. Sie wollen vermeiden, als ‚unehrliche Branche‘ angesehen zu werden“, schildert Jürgen Huber seine Schlussfolgerungen. „Dies führt zu einem ehrlicheren Verhalten.“ Die Finanzindustrie erlebt eine zunehmend negative Berichterstattung und ist einer immer strengeren öffentlichen Kontrolle unterworfen – ein Prozess, der im Zuge der Finanzkrise von 2008/09 begann und unter anderem strengere Regulierungen wie die europäische Market in Financial Instruments Directive II (MiFID II) oder den US-amerikanischen Dodd–Frank Act hervorbrachte. „Die in der Studie gemessenen Präferenzen könnten in einem daraus erwachsenden zunehmenden Streben nach moralischen Standards in der Finanzindustrie begründet liegen“, sagt Jürgen Huber.
Verhalten im Labor simuliert
Im Experiment mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils eine von zwei Zahlen berichten: davon war eine wahr, die andere falsch; und Ehrlichkeit war dabei kostspielig. „Wir haben dabei den Situationskontext variiert, in dem die Teilnehmer ihre Entscheidungen in unterschiedlich formulierten Zusammenhängen treffen mussten: in einem abstrakten Kontext (es wurden nur die Zahlen genannt), einem neutralen Kontext (Rolle als Museumswärter, der Besucher zählt) oder einem Finanzkontext (CEO, der Gewinn melden muss)“, erläutert Christoph Huber den Ablauf des Verhaltensexperiments.
Die Studie ist Teil einer umfassenden Untersuchung zum Verhalten von Finanzexperten im Rahmen des FWF-Spezialforschungsbereichs zu Vertrauensgütern an der Universität Innsbruck.
Christoph Huber
Institut für Banken und Finanzen
Universität Innsbruck
Telefon: +43 512 507 73015
E-Mail: christoph.huber@uibk.ac.at
Web: https://www.uibk.ac.at/ibf/
Bad bankers no more? Truth-telling and (dis)honesty in the finance industry. Christoph Huber, Jürgen Huber. Journal of Economic Behavior & Organization 2020 doi: https://doi.org/10.1016/j.jebo.2020.10.020
Jürgen Huber (li.) und Christoph Huber (re.)
Christian Flatz
Uni Innsbruck
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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