Was erleben Trans*personen, die ein Leben in ständiger Normabweichung leben müssen, oftmals seit früher Kindheit, die nicht in vorhandene soziale Kategorien passen und nicht nach den Regieanweisungen für Frau oder Mann greifen können? Wie kann Identität entstehen in einem Raum der Leere, schlimmer des Entzugs der Daseinsberechtigung? Diesen Fragen geht Karsten Lutz in seiner Thesis im Studiengang Soziale Arbeit nach, die mit dem Henriette-Fürth-Preis 2020 ausgezeichnet wurde. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Dr. Michael May vom Fachbereich Sozialwesen an der Hochschule RheinMain.
Dazu begibt er sich auf den ungewöhnlichen Weg einer gemeinsamen Erinnerungsarbeit mit seinem Freund Rolf aus Kindheitstagen, mit dem er vor vielen Jahren den Weg der Transition von einer Frau zu einem Mann erlebt hat. Mit Hilfe der Gesprächsaufzeichnungen rekonstruiert er, was es biografisch heißt, geschlechtlich nicht ‚richtig‘ zu sein. „Weißt Du … ich … also das Schwierigste ist, manchmal ein kleines bisschen noch heute, dass ich ohne … ohne das gefühlte Recht auf Selbstverständlichkeit zurechtkommen musste. Verstehst Du mich … ist das irgendwie nachvollziehbar?“ Es ist dies eine Äußerung, die das biografische Drama pointiert – ein Drama, das auch nach der Transition andauert, wie sichtbar wird: „Es ist die Art, wie sie agieren – das kleine schmutzige Lächeln, wenn Du zur Tür reinkommst, das kurze Auflachen, wenn Du etwas sagst. Das ganz selbstverständliche Unterbrechen, wenn Du am Reden bist, so als ob Du gar nicht da wärst.“
„Mit der akribischen, theoriegeleiteten, biografischen Rekonstruktion des Lebens eines Trans-Menschen gelingt es Karsten Lutz, dafür zu sensibilisieren, was es bedeutet, kein Recht auf Anerkennung für sich beanspruchen zu können in einer geschlechterbinären, heteronormativen und phallozentristischen Gesellschaft. Ebenso gelingt es ihm zu zeigen, dass dies nicht heißt, nur Opfer zu sein, sondern als Subjekt des eigenen Lebens sich auch mit aller Kraft gegen diese Zumutungen zu stemmen“, so Prof. Dr. Lotte Rose, Geschäftsführerin des Gender- und Frauenforschungszentrum der hessischen Hochschulen (gFFZ) in ihrer Laudatio. Karsten Lutz liefert demnach mit seiner Studie einen wichtigen Impuls zur gesellschaftspolitischen Debatte um Zweigeschlechtlichkeit und Queerness.
Zum Henriette-Fürth-Preis
Das Gender- und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen (gFFZ) verleiht den Henriette-Fürth-Preis seit 2003 für herausragende Abschlussarbeiten zur Frauen- und Genderforschung, die von Absolventinnen und Absolventen an einer Hessischen Hochschule für angewandte Wissenschaften verfasst wurden. Der Jury gehören Vertreterinnen der Hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Personen aus der Kommunalpolitik an. In der diesjährigen Bewerbungsrunde für den Henriette-Fürth-Preis wurden zehn studentische Abschlussarbeiten eingereicht. Ein weiterer Preis ging dieses Jahr an Teresa Novotny vom Fachbereich Gestaltung der Hochschule Darmstadt für die Entwicklung eines Unisex-Rasierers.
Das gFFZ ist ein Verbundprojekt der Hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW). Seine Aufgabe ist die Förderung der Frauen- und Genderforschung in Lehre und Forschung in allen Fachrichtungen.
Mehr zum Henriette-Fürth-Preis unter https://www.gffz.de/das-zentrum/henriette-fuerth-preis
Die Hochschule RheinMain
Über 70 Studienangebote an zwei Studienorten mit einem internationalen Netzwerk – das ist die Hochschule RheinMain. Rund 13.500 Studierende studieren in den Fachbereichen Architektur und Bauingenieurwesen, Design Informatik Medien, Sozialwesen und Wiesbaden Business School in Wiesbaden sowie im Fachbereich Ingenieurwissenschaften in Rüsselsheim am Main. Neben der praxisorientierten Lehre ist die Hochschule RheinMain anerkannt für ihre anwendungsbezogene Forschung.
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Karsten Lutz, Träger des Henriette-Fürth-Preises 2020.
© privat
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft
überregional
Personalia, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
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