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25.11.2020 16:16

Endlagersuche: Wissenschaftliche Methodik für einen Standortvergleich

Sven Dokter Abteilung Kommunikation
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH

    Im „Zwischenbericht Teilgebiete“ wurden erstmals Regionen in Deutschland benannt, die für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle infrage kommen. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben Fachleute der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), der BGE Technology GmbH und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe methodische Grundlagen und Empfehlungen für das Standortauswahlverfahren erarbeitet. Der Synthesebericht und zehn ergänzende Fachberichte sind ab sofort auf der Website der GRS verfügbar.

    Am 28. September hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ihren „Zwischenbericht Teilgebiete“ veröffentlicht und damit den ersten von zwei Schritten der ersten Phase der Suche nach dem Standort eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle abgeschlossen. Teilgebiete sind diejenigen Regionen in Deutschland, die gemessen an den Anforderungen des Standortauswahlgesetzes (StandAG) „günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung“ erwarten lassen.

    Im zweiten Schritt der ersten Phase sind nun für alle Teilgebiete sogenannte repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen durchzuführen. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchungen und der Anwendung der gesetzlich vorgegebenen geowissenschaftlichen Abwägungskriterien werden dann die Standortregionen ermittelt, die in der zweiten Phase des Auswahlverfahrens übertätig erkundet werden sollen. Aus den Standortregionen, die sich dabei als geeignet erweisen, werden wiederum potenzielle Standorte für die untertägige Erkundung in der dritten und letzten Phase ausgewählt.

    Im Auftrag der BGE haben im Forschungsprojekt RESUS Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der GRS gemeinsam mit Fachleuten der BGE Technology GmbH und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wesentliche methodische Grundlagen für vorläufige Sicherheitsuntersuchungen entwickelt und Empfehlungen für die Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien bei der Beurteilung von Standortregionen beziehungsweise Standorten erarbeitet.

    Das Ziel: sicher über eine Million Jahre

    In allen drei Phasen des Auswahlverfahrens sind vorläufige Sicherheitsuntersuchungen durchzuführen. Deren Ziel ist es zu bewerten, ob in der jeweiligen Standortregion bzw. an dem jeweiligen Standort ein sicherer Einschluss der radioaktiven Abfälle erwartet werden kann. Dabei müssen die jeweiligen geologischen Bedingungen und, darauf aufbauend, diejenigen Eigenschaften eines Endlagers berücksichtigt werden, die sich aus diesen Bedingungen ergeben. Vereinfacht ausgedrückt müssen Fachleute zuerst fiktive, an die jeweilige Geologie angepasste Endlager planen, um die vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen durchführen zu können. Solche sogenannten Endlagerkonzepte beschreiben die konkrete Auslegung eines Endlagers – angefangen von den Strecken und Schächten über die Abfallbehälter bis hin zu geotechnischen Einrichtungen wie den Verschlussbauwerken.

    Im Projekt RESUS haben die Forschenden den Fokus auf die zentralen Elemente der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gelegt. Dabei geht es um die Frage, ob und gegebenenfalls welche Mengen an radioaktiven Stoffen über einen Zeitraum von bis zu einer Million Jahren aus dem Endlager austreten könnten. Grundlage dafür sind komplexe Berechnungen, in denen mit Simulationsmodellen unter anderem der Transport radioaktiver Stoffe von den Abfallbehältern durch das umliegende Wirtsgestein berechnet wird. Dabei wird auch überprüft, ob die Integrität der geologischen Barriere – das heißt die Fähigkeit des Wirtsgesteins, die radioaktiven Stoffe einzuschließen – erhalten bleibt.

    Für derartige Berechnungen haben die Forschenden methodische Empfehlungen erarbeitet. Eine der größten Herausforderungen hierbei lag darin, dass sich die Endlagerkonzepte je nach Wirtsgestein erheblich unterscheiden, wie Dr. Jörg Mönig, der Projektleiter von RESUS, erläutert: „Während beispielsweise in einem Endlager in Salz oder Tongestein der Einschluss der radiologischen Stoffe in erster Linie durch das Wirtsgestein selbst erzielt werden soll, müssen in einem Endlager in Kristallingestein in der Regel die Abfallbehälter diese Aufgabe übernehmen.“

    Für die Wirtsgesteine Ton und Salz konnten die Fachleute in größerem Umfang auf den Ergebnissen früherer Forschungs- und Entwicklungsprojekte aufbauen, in denen bereits die methodischen Grundlagen für derartige Untersuchungen gelegt wurden. Für Kristallingestein – oft ist hier vom „Granit“ als einem dieser Gesteine die Rede – konnten sie neben eigenen Entwicklungsarbeiten auch auf den internationalen Stand von Wissenschaft und Technik zurückgreifen. Dabei profitierten sie unter anderem von der langjährigen Zusammenarbeit der GRS mit wissenschaftlichen Institutionen aus Ländern wie Finnland oder Schweden, in denen Endlager in Kristallingestein errichtet werden.

    Einheitliche Kriterien für unterschiedliche Wirtsgesteine

    Auch bei der Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien bilden die unterschiedlichen Eigenschaften der drei möglichen Wirtsgesteine und die daraus resultierenden Unterschiede zwischen den jeweiligen Endlagerkonzepten eine der grundlegenden Herausforderungen. Insgesamt elf dieser Kriterien gibt das StandAG vor, anhand derer in allen drei Phasen des Auswahlprozesses bewertet werden soll, ob in einer Region beziehungsweise an einem Standort eine „günstige geologische Gesamtsituation“ erwartet werden kann. Zu diesen Kriterien gehören beispielsweise die Durchlässigkeit der geologischen Formation für Grundwasser oder die Größe des Gebirgsbereichs, der für den Einschluss der radioaktiven Abfälle vorgesehen ist. Diesen Kriterien sind im Gesetz insgesamt 40 Indikatoren zugeordnet, mit denen bewertet werden soll, ob die geologische Gesamtsituation „günstig“ ist.

    Obwohl die geowissenschaftlichen Abwägungskriterien nach dem StandAG für alle Wirtsgesteine anzuwenden sind, kann sich ihre jeweilige Bedeutung für die Sicherheit eines Endlagers je nach Wirtsgestein beziehungsweise Endlagerkonzept zum Teil erheblich unterscheiden. „Damit ein sachgerechter, quasi ‚fairer‘ Vergleich zwischen Regionen oder Standorten mit verschiedenen Wirtsgesteinen geführt werden kann, braucht es also eine Methode, mit der wir diese Unterschiede bei der Bewertung der geologischen Gesamtsituation angemessen berücksichtigen können“, so Mönig.

    Um die Relevanz der einzelnen geowissenschaftlichen Abwägungskriterien für die unterschiedlichen Wirtsgesteine bzw. Endlagerkonzepte zu ermitteln und damit auch die Grundlagen der von ihnen entwickelten Methodik nachvollziehbar zu machen, haben die Forschenden zunächst zehn verschiedene Anwendungsfälle entwickelt, die typischen geologischen Situationen in Deutschland entsprechen. Jedem dieser Fälle legten sie dann ein Endlagerkonzept zugrunde, wie es nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik in Deutschland vorstellbar wäre. Auf dieser Grundlage stellten die Forschenden für jedes geowissenschaftliche Abwägungskriterium umfangreiche Berechnungen zur Integrität des Barrieregesteins sowie zum Einschluss der Radionuklide an, wie sie auch bei einer vorläufigen Sicherheitsuntersuchung durchzuführen sind.

    Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind in die Entwicklung von insgesamt drei Schemata eingeflossen. Mit diesen Schemata können die Ergebnisse aus der Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien so zusammengefasst werden, dass sie als Grundlage für die gesetzlich geforderte sicherheitsgerichtete Bewertung der geologischen Gesamtsituation genutzt werden können.

    Projektergebnisse beziehen Feedback aus der Fachwelt mit ein

    Die ersten Ergebnisse des zweijährigen Forschungsprojekts wurden im Frühjahr dieses Jahres in Form von Berichtsentwürfen zur Diskussion gestellt. Über die Webseite der GRS wurde Interessierten die Möglichkeit geboten, zu den Entwürfen Stellung zu nehmen und Änderungen vorzuschlagen. „Dabei ging es uns zum einen natürlich darum, fachlichen Input aus unserem wissenschaftlichen Umfeld zu bekommen. Wir wollten damit aber auch zeigen, dass wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler uns darum bemühen, unsere Arbeit möglichst nachvollziehbar zu machen“, erklärt Mönig.

    Die eingegangenen Rückmeldungen sind in die jetzt veröffentlichten Ergebnisse eingeflossen. Der zusammenfassende Synthesebericht und die zehn dazugehörigen Einzelberichte stehen ab sofort unter https://www.grs.de/aktuelles/Endlagersuche-Wissenschaftliche_Methodik_fuer_einen... zum Download zur Verfügung.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geowissenschaften, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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