Im Magen-Darm-Trakt liegen vereinzelt die sogenannten Bürstenzellen, deren Funktion bislang unbekannt ist. Wissenschaftler vom Anatomischen Institut der Universität Würzburg haben jedoch neue Erkenntnisse über diesen Zelltyp gewonnen: Sie vermuten, daß die Bürstenzellen Nahrungsbestandteile "schmecken" können.
Die Geruchs- und Geschmackseindrücke, die der Mensch mit Nase und Zunge aufnimmt, vermitteln ihm nicht nur ein Warnsignal vor unverträglichen Speisen, sondern darüber hinaus auch den nötigen "Spaß am Essen". Außerdem überprüft die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts nach dem Hinunterschlucken eines Bissens die Speisen nochmals auf unterschiedliche Nahrungsbestandteile, wie der Würzburger Anatom Dr. Dirk Höfer erläutert. Dadurch sollen, je nach Zusammensetzung der Nahrung, die entsprechenden Verdauungsmechanismen in Gang kommen.
Doch bis heute rätselt die Wissenschaft darüber, welche Zellen der Magen-Darm-Schleimhaut an der Wahrnehmung der Nährstoffsubstanzen beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die Arbeitsgruppe um Dr. Höfer mit den Bürstenzellen. Diese kommen nicht nur im Verdauungs-, sondern auch im Atemtrakt vor und fallen im Elektronenmikroskop durch ihre ungewöhnliche Flaschenform und durch ein bürstenartiges Büschel von Zellfortsätzen auf.
Zunächst haben die Würzburger Forscher Proteine identifiziert, die im inneren Zellskelett speziell der Bürstenzellen in hohen Mengen vorkommen. Dadurch lassen sich die Bürstenzellen, die bislang nur mit dem Elektronenmikroskop erfaßt werden konnten, nun auch im Lichtmikroskop sichtbar machen: Die Zellskelett-Proteine können mit Antikörpern markiert werden, welche wiederum mit einem fluoreszierenden Stoff verbunden sind.
Mit dieser Methode wurden die Zellen eingehender untersucht. Dabei zeigte sich laut Dr. Höfer, daß Bürstenzellen der Ratte wichtige Enzyme zur Herstellung von Stickoxid (NO) besitzen. Dieses Gas werde in vielen Zellen des Körpers als Botenstoff verwendet, um innerhalb kürzester Zeit Signale zwischen Zellen zu übermitteln. Die NO-Produktion spreche dafür, daß die Bürstenzellen ihrer Umgebung Informationen übermitteln können.
Außerdem entdeckten die Anatomen in Bürstenzellen der Ratte Gustducin, ein Protein, das sonst nur in den Geschmackszellen der Zunge vorkommt und dort eine wichtige Funktion bei der Übertragung des Geschmacksignals übernimmt. "Dabei ist Gustducin in der Zunge offensichtlich besonders bei der Wahrnehmung von süßen und bitteren Geschmacksstoffen von entscheidender Bedeutung", sagt Dr. Höfer. Die Würzburger Wissenschaftler vermuten, daß die Bürstenzellen des Magen-Darm-Traktes ähnlich wie die Geschmackszellen der Zunge funktionieren, also Nahrungsbestandteile wahrnehmen können.
Am Anatomischen Institut soll nun untersucht werden, ob Gustducin auch in den Bürstenzellen des Menschen vorkommt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, auf welche Art von Nährstoffsubstanzen diese Zellen möglicherweise reagieren. Zunächst müssen die Bürstenzellen jedoch isoliert und in Kultur gebracht werden. Dieses Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Weitere Informationen: Dr. Dirk Höfer, T (0931) 31-2346, Fax (0931) 1 59 88, E-Mail:
dirk.hoefer@mail.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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