idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.01.2021 11:29

SARS-CoV-2: Bioinformatiker entdecken eine neue Schwachstelle des Virus

Karola Neubert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung

    Die Suche nach wirksamen antiviralen Mitteln gegen das neue Coronavirus läuft auf Hochtouren. Mit einem neuartigen Ansatz haben Tübinger Bioinformatiker nun eine Schwachstelle des Virus entdeckt, die für die Wirkstoffentwicklung genutzt werden könnte. In einem Computermodell identifizierte der DZIF-Wissenschaftler Andreas Dräger und sein Team ein menschliches Enzym, das für das Virus entscheidend ist. Wurde es im Modell ausgeschaltet, konnte sich das Virus nicht mehr vermehren.

    „Wenn wir das Enzym – die Guanylatkinase 1 – ausschalteten, wurde die Virusvermehrung gestoppt, ohne die Wirtszelle zu beeinträchtigen“, bringt Dr. Andreas Dräger das Ergebnis auf den Punkt. Mit einer Juniorprofessur des DZIF an der Uni Tübingen betreibt Dräger rechnerbasierte Systembiologie und ist mit seinem Team bereits im Januar in die Coronaforschung eingestiegen. Für ihren Ansatz entwickelten die Bioinformatiker ein integriertes Computermodell mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und menschlichen Alveolarmakrophagen. Letztere sind in den Lungenbläschen für die Abwehr von Fremdstoffen zuständig. „Für diese Makrophagen existierte bereits ein komplexes Computermodell, das wir für diesen Zweck weiterentwickeln konnten“, so Dräger.

    Ganz ohne Zellen und Versuchstiere

    Die Ausgangssituation im Modell war, dass das Virus in den Wirt, hier die menschliche Alveolarmakrophage, eingedrungen ist und diese bereits umprogrammiert hat. „Biochemische Reaktionen, die das Virus im Wirt verwendet, sind also bereits in das Modell integriert“, so Dräger. Das Modell geht nun davon aus, dass das Virus neue Viruspartikel herstellen und sich ausbreiten will. Dazu nutzt es Materialien aus dem Wirt und zwingt die Wirtszellen zur Produktion neuer Virusbestandteile. „Wir haben zunächst die Zusammensetzung des Virus analysiert und daraus berechnet, welches Material benötigt wird, um ein Viruspartikel herzustellen“, beschreibt der Bioinformatiker das Vorgehen. Und er fügt hinzu: „Wenn man das weiß, kann man verschiedene Szenarien durchspielen und sehen, wie sich die biochemischen Reaktionen in den Wirtszellen während einer Virusinfektion verändern.“

    Das Enzym Guanylatkinase als möglicher Angriffspunkt antiviraler Wirkstoffe

    In sog. Flussbilanzanalysen haben die Tübinger Wissenschaftler daraufhin systematisch getestet, welche biochemischen Reaktionen in infizierten Zellen anders ablaufen als in nicht-infizierten Zellen. Bei diesen Reaktionen konnten sie in ihren weiteren Versuchen ansetzen. Indem sie die ausgewählten Reaktionen gezielt ausschalteten, kamen sie den Prozessen auf die Spur, die für das Virus besonders wichtig sind. So die Guanylatkinase (GK1), die beim Ausschalten die Vermehrung des Virus komplett stoppte.

    GK1 ist auch bei anderen Viruserkrankungen von Bedeutung. Das Enzym, das in den Alveolarmakrophagen vorkommt, spielt eine wichtige Rolle im Metabolismus der Bausteine von Ribonukleinsäuren (RNA) und ist damit auch maßgeblich am Aufbau viraler RNA, wie der von SARS-CoV-2 beteiligt. „Während die Virusvermehrung ohne GK1 nicht mehr stattfindet, kann die menschliche Zelle auf andere biochemische Stoffwechselwege ausweichen“, erklärt Dräger. Das aber ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man das Enzym mit einem Wirkstoff hemmen wollte, ohne nachteilige Nebenwirkungen beim Menschen auszulösen. Es sind bereits einige Hemmstoffe des Enzyms bekannt und die Bioinformatiker planen nun, möglichst bald mit ihrem Hamburger Kooperationspartner Dr. Bernhard Ellinger vom Fraunhofer IME ScreeningPort (IME) bereits zugelassene Hemmstoffe auf ihre Wirksamkeit gegen das neue Coronavirus zu testen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Andreas Dräger
    Universität Tübingen
    draeger@informatik.uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    Renz A, Widerspick L und Dräger A: FBA reveals guanylate kinase as a potential target for antiviral therapies against SARS-CoV-2. Bioinformatics Dez. 2020.
    https://doi.org/10.1093/bioinformatics/btaa813


    Weitere Informationen:

    Erklärvideo mit Andreas Dräger


    Bilder

    Alina Renz, Lina Widerspick und Andreas Dräger (von li nach re)
    Alina Renz, Lina Widerspick und Andreas Dräger (von li nach re)

    Uni Tübingen


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Alina Renz, Lina Widerspick und Andreas Dräger (von li nach re)


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).