Vokales Lernen führt zur Anpassung der Lautstruktur in einer mehrstufigen Pavian-Gesellschaft
Musikalische Meisterwerke wie die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts Die Zauberflöte, sind Beispiele dafür, welche Laute geschulte, menschliche Stimmen produzieren können. Die Voraussetzung für gesanglichen Meisterleistungen und jedes gesprochene Wort ist das vokale Lernen, also die Fähigkeit, gehörte Laute nachzuahmen. Einige Singvögel und Fledermäuse können dies, Menschen sind darin exzellent. Bis ins hohe Lebensalter können wir Sprachen erlernen. Um die Evolution des vokalen Lernens nachzuvollziehen, hat ein Team unter der Leitung von Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung die Lautstrukturen von Guineapavianen analysiert. Die Studie zeigt, dass die Grunzlaute von Pavianen, die derselben sozialen Gruppe angehören, einander ähnlicher sind als zwischen den sozialen Gruppen. Die Unterschiede waren jedoch nur mäßig und können bestenfalls als Akzent, jedoch nicht als eine andere Sprache aufgefasst werden (Proceedings of the Royal Society B).
Vokales Lernen ist die Grundlage allen Spracherwerbs, und es ist daher das Ziel vieler Forschungsanstrengungen die evolutionären Wurzeln dieser Fähigkeit aufzudecken. Ob unsere nächsten lebenden Verwandten vokales Lernen zeigen oder nicht, ist dabei Gegenstand vieler Debatten. Guineapaviane sind ein interessantes Modell, um der Frage nachzugehen, ob soziale und akustische Erfahrungen ihre Lautstrukturen prägen, denn diese Tierart lebt in einer mehrstufigen Gesellschaft. Mehrere Männchen mit dazugehörigen Weibchen und Jungtieren bilden „Parties", und zwei bis drei dieser „Parties“ bilden eine „Gang“.
Während kameradschaftlicher Interaktionen mit anderen Gruppenmitgliedern stoßen die Männchen tieffrequente Grunzlaute aus, die freundliche Absichten anzeigen. Das Team um Julia Fischer untersuchte die akustische Struktur dieser Grunzlaute und die Gruppenzugehörigkeit der jeweiligen Tiere. Zudem wurde der Verwandtschaftsgrad ermittelt. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Grunzlaute von Männchen, die der selben Gang oder Party, also der selben sozialen Einheit angehören, im Durchschnitt ähnlicher waren als die Grunzlaute von Männchen verschiedener sozialer Ebenen.
Genetische Verwandtschaft konnte die Ähnlichkeit der Grunzlaute nicht erklären. Die Forscher führen den „Akzent" der Paviane daher auf eine einfache Form des vokalen Lernens zurück, bei dem die Hörerfahrung die Produktion von Rufen fördert, die eher klingen, wie die der anderen Männchen in der Gruppe. „Menschen machen das auch: Sie passen oft unwillkürlich das Tempo oder ihre Tonlage an, um sich dem Gesprächspartner anzunähern“, sagt Julia Fischer. Beim Menschen ist diese stimmliche Anpassung bekannt. „Diesen Effekt scheinen nichtmenschliche Primaten und Menschen zu teilen. Aber das ist weit davon entfernt, das erste Wort zu lernen – oder eine ganze Sprache zu beherrschen. Wenn man die Evolution von Sprache verstehen will, ist es daher wichtig, zwischen verschiedenen Formen des vokalen Lernens zu unterscheiden“, schließt Julia Fischer.
Prof. Dr. Julia Fischer
Tel.: +49 (0) 551 3851-375
E-Mail: jfischer@dpz.eu
Fischer J , Wegdell F, Trede F, Dal Pesco F, Hammerschmidt K, (2020): Vocal convergence in a multi-level primate society: insights into the evolution of vocal learning. Proceedings of the Royal Society B. https://doi.org/10.1098/rspb.2020.2531
https://owncloud.dpz.eu/index.php/s/rUzNz7H4N3Sz9v7 Pressefotos; Video und Audios zum Download
https://www.dpz.eu/de/startseite/einzelansicht/news/guineapaviane-grunzen-mit-ak... Pressemitteilung auf der DPZ-Website
Prof. Julia Fischer ist Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am DPZ.
Karin Tilch
Deutsches Primatenzentrum
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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