idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.01.2021 11:37

Physiker der Universität Stuttgart lotsen einzelnes Ion durch ein Bose-Einstein-Kondensat

Andrea Mayer-Grenu Abteilung Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Transportprozesse in Materie geben immer noch viele Rätsel auf. Ein Forschungsteam um Florian Meinert am 5. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart hat eine neue Methode entwickelt, die ihnen erstmals erlaubt, ein einzelnes geladenes Teilchen auf seinem Weg durch eine dichte Wolke aus Quantenteilchen zu beobachten. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Physical Review Letters veröffentlicht und sind Thema im „Viewpoint“ des populärwissenschaftlichen Begleitjournals Physics.

    Das Team nutzt dafür ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC). In diesem exotischen Quantenzustand befinden sich die Atome in einer extrem dichten und ultrakalten Wolke. Mit ausgeklügelter Lasertechnik präparierten sie im BEC ein einzelnes Rydbergatom. In diesem Riesenatom befindet sich das äußerste Elektron tausendmal weiter weg vom Kern als im Grundzustand und ist nur noch schwach an den Kern gebunden. Mit einer speziellen Sequenz von elektrischen Feldpulsen entreißen die Forscher dem Atom dieses Elektron. Das vormals neutrale Atom verwandelt sich in ein positiv geladenes Ion, das bei diesem Kraftakt trotzdem ultrakalt bleibt. Im Anschluss wird das Ion mit Hilfe elektrischer Felder kontrolliert durch die dichte Atomwolke des BECs gezogen. Das Ion nimmt in dem elektrischen Feld an Fahrt auf und stößt auf seinem Weg mit anderen Atomen zusammen, wird abgebremst und durch das elektrische Feld wieder beschleunigt.
    Den Forschenden gelang es, über dieses Wechselspiel aus Beschleunigung und Abbremsen das Ion in einer konstanten Bewegung gezielt durch das BEC zu bewegen. „Wir können mit dieser neuen Methode erstmals die Mobilität eines einzelnen Ions in einem Bose-Einstein-Kondensat messen“, freut sich Thomas Dieterle, Doktorand am Experiment.

    An die Grenzen der Quantenmechanik

    Im nächsten Schritt möchten die Forschenden die Kollisionen zwischen dem Ion und den Atomen bei noch niedrigeren Temperaturen beobachten, bei denen die Gesetze der klassischen Mechanik keine Rolle mehr spielen und die Quantenmechanik die Prozesse bestimmt. „Mit dem Transport eines einzelnen Ions haben wir ein Modellsystem geschaffen, das es uns erlaubt, künftig auch komplexere Transportprozesse in Vielteilchensystemen besser zu verstehen“, ist sich Florian Meinert sicher, „dies könnte zum Beispiel in bestimmten Festkörpern oder für die Supraleitung relevant sein.“ Die Messungen sind dabei auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erforschung exotischer Quasiteilchen, sogenannter Polaronen, die durch Wechselwirkung von Atomen und Ionen entstehen können.

    Im Nachbarlabor am 5. Physikalischen Institut wird bereits an einem sogenannten Ionenmikroskop gearbeitet. Mit diesem lassen sich Kollisionen zwischen Atomen und einzelnen Ionen direkt beobachten. Während ein Elektronenmikroskop mit negativ geladenen Teilchen ein Bild erzeugt, geschieht das im Ionenmikroskop mit positiv geladenen Ionen. Die Ionen werden dabei mit elektrostatischen Linsen abgelenkt ähnlich wie Lichtstrahlen in einem klassischen optischen Mikroskop.

    Die Arbeit entstand im Zentrum für Integrierte Quantenwissenschaft und -technologie IQST. Im IQST haben sich die Universitäten Ulm und Stuttgart sowie das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung zusammen-geschlossen, um aus abstrakter Quantenphysik neue technologische Ansätze zu entwickeln. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Praktikerinnen und Praktiker aus den Bereichen Physik, Chemie, Biologie, Mathematik und Ingenieurwissenschaften erforschen darin die Welt der Quanten in ihrer ganzen Breite und kooperieren teilweise direkt mit der Industrie.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Florian Meinert, Universität Stuttgart, 5. Physikalisches Institut, Tel. +49 711 685-67893, E-Mail f.meinert @ physik.uni-stuttgart.de


    Originalpublikation:

    T. Dieterle, M. Berngruber, C. Hölzl, R. Löw, K. Jachymski, T. Pfau, and F. Meinert: Transport of a single cold ion immersed in a Bose-Einstein condensate, Physical Review Letters, 2021, https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.126.033401 Begleitartikel in Physics https://physics.aps.org/articles/v14/8


    Bilder

    Künstlerische Darstellung des Wegs des positiv geladenen Ions (gelb) durch das Bose-Einstein-Kondensat (grün).
    Künstlerische Darstellung des Wegs des positiv geladenen Ions (gelb) durch das Bose-Einstein-Kondens ...
    Celina Brandes
    Universität Stuttgart / PI5


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Künstlerische Darstellung des Wegs des positiv geladenen Ions (gelb) durch das Bose-Einstein-Kondensat (grün).


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).