Einem internationalen Forschungsteam gelang es, an den Beschleunigeranlagen des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt neue Erkenntnisse über das künstlich erzeugte superschwere Element Flerovium, das Element 114, zu gewinnen. Unter Federführung der Universität Lund in Schweden und unter maßgeblicher Beteiligung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sowie des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) und weiterer Partner wurde Flerovium erzeugt und daraufhin untersucht, ob es eine abgeschlossene Protonenschale hat. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass Flerovium entgegen der Erwartung kein sogenannter „magischer Kern“ ist.
Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Physical Review Letters, zusätzlich beleuchtet werden sie auch in einem Begleitartikel der American Physical Society.
In den späten 1960er-Jahren formulierte unter anderem Sven-Gösta Nilsson, damals Physik-Professor an der Universität Lund, eine Theorie über die mögliche Existenz noch unbekannter superschwerer Elemente. Mittlerweile wurden solche Elemente erzeugt und viele Vorhersagen bestätigt. Unter anderem gelang die Entdeckung der sechs neuen Elemente 107 bis 112 bei GSI in Darmstadt, weitere bis zu Element 118 sind bereits bekannt. Es wurde auch prognostiziert, dass eine „magische“ Kombination von Protonen und Neutronen bei den superschweren Elementen zu stark ansteigenden Halbwertszeiten führen sollte. Dies tritt dann auf, wenn die jeweils eine gewisse Anzahl an Protonen und Neutronen fassenden Schalen im Atomkern komplett gefüllt sind. „Auch für Flerovium, das Element 114, wurde eine solche abgeschlossene, ‚magische‘ Protonenschalenstruktur vorhergesagt. Stimmte dies, läge Flerovium im Zentrum der sogenannten ‚Insel der Stabilität‘, einem Bereich der Nuklidkarte, in dem die superschweren Elemente durch die Schalenabschlüsse besonders hohe Lebensdauern aufweisen müssten“, erläutert Prof. Dr. Dirk Rudolph von der Universität Lund, der Sprecher des internationalen Experiments.
Inspiriert von Nilssons Theorien untersuchte die von der Arbeitsgruppe in Lund geleitete internationale Kollaboration in Experimenten bei GSI in Darmstadt, ob Flerovium-Kerne die vorhergesagten magischen Eigenschaften zeigen. Dazu wurden im Rahmen des FAIR-Phase-0-Experimentierprogramms während 18 Tagen jede Sekunde vier Billionen Calcium-48-Kerne mit 20 Protonen vom GSI-Linearbeschleuniger UNILAC auf zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Sie wurden auf eine dünne Folie mit seltenem Plutonium-244 mit 94 Protonen geschossen, um so durch Kernverschmelzung Atomkerne des Fleroviums, das 114 Protonen besitzt, zu erzeugen. Dieses sogenannte Target wurde am Department Chemie der JGU mithilfe von Plutonium, das unter anderem vom Lawrence Livermore National Laboratory, USA, bereitgestellt wurde, hergestellt. Starke Magnete des GSI-Rückstoßseparators TASCA trennten die Flerovium-Kerne vom intensiven Calcium-Ionenstrahl ab, im Anschluss wurden sie in einer in Lund extra für dieses Experiment weiterentwickelte Detektionsapparatur registriert.
Der Detektor vermaß den radioaktiven Zerfall von 30 Flerovium-Kernen – also das Austreten von Kernbruchstücken von Flerovium – mit hoher Effizienz und Genauigkeit. Durch präzise Analyse dieser Bruchstücke und der Zeiten, innerhalb welcher sie emittiert wurden, gelang es dem Team, ungewöhnliche Zerfallswege der Atomkerne des Fleroviums zu bestimmen, die nicht mit seinen ursprünglich vorhergesagten „magischen“ Eigenschaften in Einklang zu bringen sind. „Unsere Studie zeigt, dass Element 114 nicht stabiler ist als andere in seiner Nähe. Dies ist ein sehr wichtiger Teil des Puzzles bei der weiteren Suche nach dem Zentrum der begehrten Insel der Stabilität“, sagt Prof. Dr. Christoph Düllmann, Professor für Kernchemie an der JGU und Leiter der Arbeitsgruppen bei GSI und am HIM.
Die neuen Ergebnisse werden der Wissenschaft von großem Nutzen sein. Anstatt weiter im Bereich von Element 114 nach dem Zentrum der Insel der Stabilität zu suchen, werden nun noch schwerere Elemente, beispielsweise das noch unentdeckte Element 120, verstärkt ins Rampenlicht rücken.
https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.126.032503
https://superheavies.de/ Webseite der Superschwere-Elemente-Forschung (Englisch)
https://physics.aps.org/articles/v14/s6 Begleitartikel bei APS Physics (Englisch)
Detektionsapparatur der Universität Lund: Mittels eines Siliziumdetektorsystem im Innern einer Vakuu ...
Foto: Anton Såmark-Roth/Universität Lund
Der Rückstoßseparator TASCA bei GSI: Der Calcium-Strahl des UNILAC-Beschleunigers gelangte durch das ...
Foto: Gabi Otto/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
Detektionsapparatur der Universität Lund: Mittels eines Siliziumdetektorsystem im Innern einer Vakuu ...
Foto: Anton Såmark-Roth/Universität Lund
Der Rückstoßseparator TASCA bei GSI: Der Calcium-Strahl des UNILAC-Beschleunigers gelangte durch das ...
Foto: Gabi Otto/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung
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