MHH-Forschungsteam setzt Telomerase zur Sauerstoffentgiftung in Herzmuskelzellen ein
Nach einer Schätzung des Robert Koch-Instituts erkrankten im vergangenen Jahr in Deutschland rund 510.000 Menschen neu an Krebs. Dank verbesserter Therapien lassen sich Krebserkrankungen zwar immer erfolgreicher behandeln – doch was den Tumoren nachhaltig schadet, hat oft auch schwere Nebenwirkungen. Die hochwirksamen Therapeutika aus der Gruppe der Anthracycline etwa verhindern, dass sich die Krebszellen teilen können. Dabei fördern sie jedoch gleichzeitig die Bildung freier Sauerstoffradikale. Diese auch als reaktive Sauerstoffverbindungen bezeichneten Moleküle (reactive oxygen species, ROS) sind giftig für die Zellen und schädigen unter anderem den Herzmuskel.
Das betrifft auch den Wirkstoff Doxorubicin, der Krebszellen erfolgreich bekämpft, gleichzeitig aber auch ein Absterben von Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) verursachen kann. Mögliche Folgen sind chronische Herzschwäche oder sogar Herzversagen. Bislang gibt es kaum Therapieansätze gegen die Kardiotoxizität bei der Chemotherapie. Eine Forschungsgruppe des Instituts für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun einen Ansatz gefunden, die Herzfunktion zu retten. Die Studie unter der Leitung von Institutsdirektor Professor Dr. Dr. Thomas Thum und Dr. Christian Bär ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert worden und in der Fachzeitschrift Molecular Therapy veröffentlicht. Erstautorin ist Dr. Shambhabi Chatterjee.
„Unsterblichkeitsenzym“ befreit Zellen von giftigen Sauerstoffverbindungen
Die Forschungsgruppe hat dabei die Telomerase in den Fokus gerückt. Das Enzym schützt die Enden der Chromosomen, die Telomere, vor Schädigung und Verkürzung während der Zellteilung. So behält die Zelle ihre Teilungsfähigkeit und altert nicht. Daher ist die Telomerase auch bekannt als „Unsterblichkeitsenzym“ und Gegenstand der Anti-Aging-Forschung. „Bei Erwachsenen ist dieses Enzym normalerweise abgeschaltet“, erklärt Dr. Bär. Nur in bestimmten Zelltypen wie etwa Blutstammzellen ist die Telomerase noch aktiv. In vorherigen Untersuchungen an Mäusen hatte der Molekularbiologe bereits festgestellt, dass ein Wiederanschalten der Telomerase gegen altersbedingte Erkrankungen hilft und das Herz schützt. Da sich die Herzmuskelzellen bei erwachsenen Säugetieren nicht teilen, vermutete das Forschungsteam, dass Telomerase die Zellen durch eine über ihre Funktion hinausgehende „extra-telomerische Aufgabe“ von den toxischen Sauerstoffradikalen befreit. Sie setzten Doxorubicin ein, um zunächst den ROS-Spiegel zu erhöhen und kardiotoxische Effekte hervorzurufen. Die Gabe von Telomerase über eine Genfähre führte im Mausmodell dazu, dass Herzmuskelzellen entgiftet wurden, vor dem Zelltod besser geschützt waren und somit die Herzfunktion verbessert werden konnte. Dieser schützende Effekt konnte in Versuchen mit humanen Herzmuskelzellen bestätigt werden, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen hergestellt worden warem.
Telomerase schützt auch die „Kraftwerke“ der Zellen
„Die Gentherapie mit Telomerase verhindert offenbar den Zelltod der Herzmuskelzellen“, sagt Dr. Bär. Gleichzeitig schützt sie auch die Mitochondrien vor den schädlichen Nebenwirkungen durch das Chemotherapeutikum. Mitochondrien liefern als „Kraftwerke der Zelle“ die nötige Energie für alle Stoffwechselprozesse und reagieren ebenfalls empfindlich auf die Doxorubicin-geförderte ROS-Bildung. „Wenn die Zelle unter Stress steht, wandert die Telomerase vom Zellkern in die Mitochondrien und schützt sie vor Schäden“, erläutert der Forscher. Die Entgiftung der Zellkraftwerke sorgt in den Herzmuskelzellen dafür, dass sich die Pumpfunktion des Herzens verbessert. Die Telomerase-Gentherapie könnte eine neue Strategie sein, um der Herzschädigung durch Chemotherapeutika vorzubeugen.
Weitere Informationen erhalten Sie bei Dr. Christian Bär, baer.christian@mh-hannover.de, Telefon (0511) 532-2883.
Die Originalarbeit „Telomerase therapy attenuates cardiotoxic effects of doxorubicin” finden Sie unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1525001620307280?via%3Dihub
Dr. Christian Bär (links) und Dr. Shambhabi Chatterjee vor einem Monitor mit grün angefärbten Mitoch ...
Copyright: „Karin Kaiser/MHH"
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
Dr. Christian Bär (links) und Dr. Shambhabi Chatterjee vor einem Monitor mit grün angefärbten Mitoch ...
Copyright: „Karin Kaiser/MHH"
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).