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11.02.2021 11:41

Mit Smartphone-App die eigene Persönlichkeit gezielt verändern

Melanie Nyfeler Kommunikation
Universität Zürich

    Wie schnell lassen sich gewisse Persönlichkeitsmerkmale beeinflussen? Ein internationa-les Forschungsteam unter Leitung der Universität Zürich zeigt, dass eine Smartphone-App in drei Monaten zu gewünschten Persönlichkeitsänderungen führen kann. Diese sind auch drei Monate nach den täglichen Interventionen noch spürbar.

    Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Geselligkeit sind Erlebens- und Verhal-tensmuster, die sich im Verlauf des Lebens ändern können. Individuelle Veränderungen erfolgen dabei meist langsam, man passt sich schrittweise den Anforderungen von Gesellschaft und Um-feld an. Unklar ist jedoch, ob sich gewisse Persönlichkeitsausprägungen auch kurzfristig und ge-zielt psychologisch beeinflussen lassen.

    Forschende der Universitäten Zürich, St. Gallen, Brandeis und Illinois sowie der ETH Zürich ha-ben dies nun mit einer digitalen Intervention untersucht: In einer Studie haben sie rund 1’500 Teilnehmenden ab 18 Jahren während drei Monaten eine eigens entwickelte Smartphone-App zur Verfügung gestellt und gemessen, ob und wie sich die Persönlichkeit der Teilnehmenden veränderte. Untersucht wurden dabei die fünf grossen Persönlichkeitsmerkmale wie Aufgeschlos-senheit (Offenheit), Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit (Extraversion), Rücksichtnahme (Verträglich-keit) und emotionale Verletzlichkeit. Die App beinhaltete Elemente der Wissensvermittlung, Ver-haltens- und Ressourcenaktivierung, Selbstreflexion und Feedback zum Fortschritt. Die Kommu-nikation mit dem digitalen Coach und Begleiter («Chatbot») fand ausschliesslich virtuell statt. Die-ser unterstützte die Teilnehmenden täglich darin, sich in die gewünschte Richtung zu verändern.

    Veränderungen nach drei Monaten

    Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, dass sie ihre emotionale Verletzlichkeit verringern, ihre Gewissenhaftigkeit erhöhen oder ihre Extraversion steigern wollten. Jene von ihnen, die über drei Monate an der Intervention teilgenommen hatten, berichteten über einen grösseren Erfolg beim Erreichen ihrer Veränderungsziele als die Kontrollgruppe, die nur zwei Monate dabei war. Enge Vertraute wie Freunde und Familienmitglieder beobachteten ebenfalls Veränderungen bei den Teilnehmenden, die eine Merkmalsausprägung verstärken wollten. Bei jenen, die eine Ausprä-gung verringern wollten, fielen den Bezugspersonen jedoch kaum Veränderungen auf. In dieser Gruppe waren vor allem diejenigen Leute drin, die weniger emotional verletzlich werden wollten. Dieser innere Prozess lässt sich von aussen weniger gut beobachten.

    «Sowohl die Teilnehmenden wie auch ihre Freunde berichteten, dass die durch die App erarbei-tete Persönlichkeitsänderung auch drei Monate nach Ende der Intervention anhielt», sagt Ma-thias Allemand, Professor für Psychologie an der UZH. «Die Resultate überraschen und zeigen auf, dass wir unserer Persönlichkeit nicht einfach so ausgeliefert sind. Wir können gezielt Erle-bens- und Verhaltensmuster, die durch Routine gekennzeichnet sind, in die gewünschte Rich-tung verändern.»

    Wichtig für Gesundheitsförderung und Prävention

    Die Ergebnisse zeigen auch auf, dass eine Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur schneller er-folgen kann als bisher gedacht. «Zudem können die Veränderungsprozesse durch digitale Be-gleiter im Alltag in Gang gesetzt werden», erklärt die Erstautorin Mirjam Stieger von der amerika-nischen Brandeis University, die an der UZH promoviert hat. Es brauche jedoch noch weitere Be-lege für die Wirksamkeit von digitalen Interventionen. Beispielsweise sei unklar, ob die erzielten Veränderungen permanent seien oder nur temporäre Schwankungen reflektierten.

    Die vorliegenden Studienergebnisse sind nicht nur für die Forschung interessant, sie lassen sich auch in verschiedenen Lebensbereichen anwenden. In der Gesundheitsförderung und Präventi-on könnten solche Apps die Gesundheitsressourcen stärken, da die Einstellung zur Umwelt und Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit die Gesundheit und das gesunde Altern beein-flussen.

    Die Smartphone-App PEACH (PErsonality coACH)

    Die Smartphone-Applikation PEACH wurde im Rahmen eines vom Schweizerischen National-fonds (SNF) geförderten Projektes entwickelt, um die Persönlichkeitsveränderung durch eine digitale Intervention zu untersuchen. Die Anwendung bietet skalierbare Kommunikationsfunk-tionen mit Hilfe eines digitalen Agenten, der eine Unterhaltung mit einem Menschen imitiert. Weiter umfasste PEACH das Führen eines Tagebuchs, eine Erinnerung an individuelle Um-setzungsabsichten, Videoclips zur Psychoedukation, Verhaltensaktivierungen, Selbstreflexi-on, Ressourcenaktivierung und ein individuelles Fortschrittsfeedback. Wöchentliche Kernthe-men sowie kleine Interventionen zielten darauf ab, die vorgeschlagenen gemeinsamen Ver-änderungsfaktoren und damit die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen anzusprechen und zu aktivieren.

    Die App wurde als Forschungsinstrument entwickelt. In Zukunft sollen jedoch Forschungs-Apps zur Persönlichkeitsänderung wie PEACH auch allgemein zugänglich gemacht werden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Mathias Allemand
    Psychologisches Institut
    Universitärer Forschungsschwerpunkt
    «Dynamik Gesunden Alterns»
    Universität Zürich
    Email: mathias.allemand@uzh.ch


    Originalpublikation:

    Literatur
    Stieger, M., Flückiger, C., Rüegger, D., Kowatsch, D., Roberts, B. W. & Allemand, M. Changing personality traits with the help of a digital personality change intervention. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America PNAS, February 2021. DOI: 10.1073/pnas.2017548118


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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