Prof. Gabriel Felbermayr (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw/gabriel-felbermayr/), Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel), kommentiert Medienberichte zu einer Einigung der Großen Koalition auf ein Lieferkettengesetz:
„Ein Lieferkettengesetz belastet die Falschen, wenn es auf gesetzliche Vorgaben für deutsche Unternehmen setzt, um im Ausland Menschenrechtsverletzungen oder Verletzungen von Mindeststandards im Umweltschutz oder Sozialbereich zu verhindern. Besser wäre es, ein Fehlverhalten ausländischer Unternehmen direkt mit geeigneten Sanktionen zu ahnden. Ein Negativlistenansatz wäre besser, der allen Unternehmen in der Welt, denen ein Fehlverhalten nachgewiesen wird, die Beteiligung an deutschen – besser europäischen – Wertschöpfungsketten untersagt. Dass ein solcher Ansatz wirkt, zeigt das Vorbild der USA. Mit einem Kaskadenprinzip könnte man die Prüfpflichten für eigene Unternehmen auf direkte Zulieferer begrenzen.
Nun geht der deutsche Gesetzgeber einen anderen Weg. Es ist gut, dass das nun offenbar vereinbarte Lieferkettengesetz deutlich entschärft wurde und die Unternehmen nicht für Menschenrechtsverletzungen im Ausland haften müssen, die sie oft gar nicht beeinflussen können. Auch die Schonung des Mittelstandes ist positiv. Aber viele Dinge sind noch unklar: Soll das Gesetz auch für deutsche Unternehmen gelten, die ihren Sitz im Ausland haben? Wie werden Tochterunternehmen bei der Bestimmung der Unternehmensgröße berücksichtigt? Ein seit 2017 geltendes ähnliches Gesetz in Frankreich hat für viel Unsicherheit gesorgt, weil Begrifflichkeiten unklar blieben. Hier sollte der deutsche Gesetzgeber auf Klarheit achten. Außerdem ist unklar, wie sich das deutsche Gesetz zu dem geplanten europäischen Gesetz verhält. Gut möglich, dass es dadurch obsolet wird, bevor es seine eigene Wirksamkeit entfaltet.
Ein striktes Lieferkettengesetz, würde auch Bemühungen konterkarieren, Lieferantenbeziehungen widerstandsfähiger zu machen. Wie wichtig das ist, haben wir gerade in der Corona-Krise erlebt. Wenn Unternehmen jede Lieferbeziehung überwachsen müssen, ist das teuer und schafft Risiken. Dann reduzieren deutsche Unternehmen die Anzahl ihrer Lieferanten, was sie in Krisenfällen anfälliger macht. Außerdem wird es für neue Anbieter, zum Beispiel aus Afrika, schwerer, in deutsche Lieferketten eingebunden zu werden. Wenn deutsche Unternehmen weniger in Entwicklungs- und Schwellenländern einkaufen, dann könnten Firmen aus China oder Russland ihren Platz einnehmen. Das würde die Situation in den Ländern vermutlich nicht verbessern. Es könnte außerdem passieren, dass Jobs im formellen Sektor in den informellen Sektor abwandern. Dort sind die Bedingungen häufig sehr viel schlechter. Am Ende ist nicht auszuschließen, dass das Gesetz die Situation für die Menschen in den Ländern verschlechtert. Die wissenschaftliche Literatur belegt diese Möglichkeit.
Die vertiefte Einbettung der Entwicklungs- und Schwellenländer in westliche Lieferketten hat in den letzten Jahrzehnten die Armut in diesen Ländern massiv verringert. Werden nun diese Verbindungen zurückgebaut, droht dieser positive Effekt verloren zu gehen.“
Medienansprechpartner:
Guido Warlimont
Leiter Kommunikation
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guido.warlimont@ifw-kiel.de
Institut für Weltwirtschaft
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Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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