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18.02.2021 08:54

Wohnort Plastikmüll: Neue Biodiversität in der Tiefsee

Dr. Eva-Maria Natzer Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    Ein internationales Forscherteam findet einen neuen Hotspot der Biodiversität – und zwar ausgerechnet im Plastikmüll, der sich seit Jahrzehnten in den Tiefseegräben der Erde ansammelt. An der Bestimmung der Müllbewohner war auch der SNSB-Zoologe Bernhard Ruthensteiner beteiligt. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Wissenschaftler*innen kürzlich in der zoologischen Fachzeitschrift Environmental Science & Technology Letters.

    Plastikmüll in den Ozeanen der Erde sammelt sich auch in der Tiefsee und gefährdet die dort lebenden Organismen. Forscher berichten, dass sich Anhäufungen von größeren Plastikteilen über Jahrzehnte hinweg sogar in Tiefseegräben finden. Laut einer neuen Studie entwickelt sich in den untermeerischen Müllansammlungen allerdings ein artenreiches Ökosystem. Die Wissenschaftler*innen sprechen von einem „neuen Hotspot der Biodiversität“.

    Ein internationales Forscherteam um Xikun Song von der Universität Xiamen in China, ehemaliger Gastwissenschaftler an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) hat nun unter anderem Plastikmüll in einem Tiefseegraben im Südchinesischen Meer mit Hilfe eines bemannten Tauchboots untersucht. In einer Tiefe von 1.700-3.200 m lagern dort rund 52.000 Plastikteile pro Quadratkilometer.

    Den Forscher*innen gelang es insgesamt 33 Plastikstücke aus Tiefen bis zu 3.200 m vom Meeresboden an die Oberfläche zu befördern. Interessant für die Zoolog*innen war aber nicht der Müll an sich, sondern die insgesamt fast 1.200 Organismen, die offensichtlich auf und in den Lebensmittelverpackungen, Tüten oder Flaschen lebten.

    Im Gegensatz zu bisherigen Studien zu Tiefseeplastik wurde hier eine genaue Erfassung der assoziierten Fauna vorgenommen. Zur Bestimmung wurden unter anderem modernste molekularbiologische und bildgebende Methoden herangezogen. Hierbei war auch der Münchner Zoologe Bernhard Ruthensteiner, Kurator an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), beteiligt – bestimmte Organismengruppen konnten insbesondere mit Hilfe von Mikro-Computertomographischen 3D Rekonstruktionen identifiziert werden. Insgesamt fanden die Forscher*innen 49 Arten von auf dem Meeresboden lebenden Organismen. Darunter waren etliche festsitzend lebende Tiere wie Pilze, Korallen oder Seepocken, aber auch freilebende parasitische Flachwürmer und Schnecken. Häufigste Bewohner waren die festsitzenden Polypen von Schirmquallen (Scyphozoa) sowie zumeist noch nicht ausgewachsene Armfüßer (Brachiopoden), das sind Schalentiere, die äußerlich den Muscheln ähneln. „Die Formenfülle aber auch die Individuendichte auf einzelnen Stücken hat uns überrascht. Auffallend häufig waren Reproduktionsstadien wie Schneckeneier oder die Bildungsstadien von Quallen“, erklärt Bernhard Ruthensteiner.

    Die Forscher*innen vermuten, dass die Ansammlungen von Plastikmüll in der Tiefsee die Ausbreitung bestimmter Meeresorganismen fördern und damit auch zu Veränderungen in Meeresökosystemen führen können.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Bernhard Ruthensteiner
    Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
    Münchhausenstraße 21, 81247 München
    Tel.: 089 8107-135
    E-Mail: ruthensteiner@snsb.de


    Originalpublikation:

    Xikun Song, Mingxin Lyu, Xiaodi Zhang, Bernhard Ruthensteiner, In-Young Ahn, Guido Pastorino, Yunan Wang, Yifan Gu, Kaiwen Ta, Jie Sun, Xi Liu, Jian Han, Caihuan Ke, and Xiaotong Peng (2021) Large Plastic Debris Dumps: New Biodiversity Hot Spots Emerging on the Deep-Sea Floor. Environmental Science & Technology Letters
    https://doi.org/10.1021/acs.estlett.0c00967


    Weitere Informationen:

    http://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (SNSB)
    http://www.zsm.mwn.de - Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)


    Bilder

    Der weit verbreitete Tiefwasserarmfüßer Pelagodiscus atlanticus auf einem Stück Plastikfolie aus der Tiefsee.
    Der weit verbreitete Tiefwasserarmfüßer Pelagodiscus atlanticus auf einem Stück Plastikfolie aus der ...
    Xikun Song, Universität Xiamen

    Der Polyp einer Schirmqualle (Scyphozoa) bzw. deren Hornhülle, welcher durch Abschnürung Quallen bildet.
    Der Polyp einer Schirmqualle (Scyphozoa) bzw. deren Hornhülle, welcher durch Abschnürung Quallen bil ...
    B. Ruthensteiner
    SNSB-ZSM


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der weit verbreitete Tiefwasserarmfüßer Pelagodiscus atlanticus auf einem Stück Plastikfolie aus der Tiefsee.


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    Der Polyp einer Schirmqualle (Scyphozoa) bzw. deren Hornhülle, welcher durch Abschnürung Quallen bildet.


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