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25.02.2021 10:49

Keine Experimente mit der Patientensicherheit!

Nina Meckel, Pressesprecherin der DIVI Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.

    Notfallmedizinische Fachgesellschaften und Marburger Bund: Gesetzespläne der Bundesregierung konterkarieren sichere Ersteinschätzung von Notfallpatienten

    Alle Patienten, die eine Krankenhaus-Notaufnahme oder Rettungsstelle aufsuchen, müssen darauf vertrauen können, dass ihnen – ihren Beschwerden entsprechend – schnell geholfen wird. Dieses Vertrauen wird aber erschüttert, wenn Patienten zukünftig ohne ärztliche Abklärung allein aufgrund eines Software-Algorithmus abgewiesen werden können, befürchten notfallmedizinische Fachgesellschaften sowie der Marburger Bund. Grund für ihre Sorge ist eine Regelung im Entwurf für das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), mit der ein zusätzliches Ersteinschätzungssystem für Notfallpatienten eingeführt werden soll. Der Entwurf wird am Freitag (26. Februar) in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten.

    Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und der Marburger Bund werfen der Bundesregierung vor, den Krankenhäusern ein standardisiertes Abfragesystem vorzuschreiben, das Patienten Versorgungsebenen außerhalb der Klinik zuweist, ohne dass vorher ein Arztkontakt stattgefunden hat. Es existiert derzeit kein wissenschaftlich validiertes Ersteinschätzungssystem, das automatisiert die Behandlungsdringlichkeit feststellen und zusätzlich auch die Steuerung in die richtige Versorgungsebene sicher gewährleisten kann. Der Gesetzgeber würde zudem die komplette Verantwortung für haftungsrechtliche Konsequenzen dem Krankenhaus übergeben, das für ein nicht validiertes Ersteinschätzungs- und Patientensteuerungssystem schlicht keine Verantwortung übernehmen kann.

    Häufig haben Patienten, die aufgrund vielfältiger Symptome und Beschwerden gezielt die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, ein höheres Gesundheitsrisiko als Patienten, die den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der bundesweiten Rufnummer 116117 in Anspruch nehmen. Auch deshalb ist beim Einsatz von Ersteinschätzungssystemen im Krankenhaus besondere Vorsicht im Interesse der Patientensicherheit geboten. Jede Fehleinschätzung aufgrund eines bloßen Abfragemoduls kann fatale Folgen für den einzelnen Patienten haben.

    Zur Ersteinschätzung werden in den Krankenhäusern bereits heute zuverlässig anwendbare und wissenschaftlich validierte Instrumente eingesetzt, die die Behandlungsdringlichkeit des Patienten einschätzen. Es erfolgt jedoch in jedem Fall ein Arztkontakt, der das Ergebnis der ersten Einschätzung auch korrigieren kann. Mit Einführung des gestuften Systems von Notfallstrukturen in Krankenhäusern sind diese Ersteinschätzungssysteme für Notfallkrankenhäuser darüber hinaus seit 2018 verpflichtend.

    Die jetzt geplante gesetzliche Regelung steht auch im Widerspruch zu den ursprünglichen Bekundungen des Bundesgesundheitsministeriums, eine Reform der Notfallversorgung auf den Weg zu bringen, die dem Gedanken der Integration und Kooperation aller beteiligten Versorgungsebenen verpflichtet ist. Eine solche Neuordnung der Notfallversorgung ist dringend geboten und muss die bestmögliche und bedarfsgerechte akut- und notfallmedizinische Versorgung der Bevölkerung im Blick haben:

    Ein schlüssiges Gesamtkonzept zur sektorübergreifenden Strukturierung der Notfallversorgung ist im zur Debatte stehenden Gesetzentwurf aber nicht mehr erkennbar. Stattdessen soll ein einzelner Baustein der Reform vorab isoliert geregelt und den Kliniken oktroyiert werden. Wichtig ist es, zunächst die Versorgungsstrukturen klar zu definieren. Solange nicht geklärt ist, wie die unterschiedlichen Versorgungsebenen vernetzt sind und welches Leistungsspektrum sie aufweisen, ist die Etablierung eines Ersteinschätzungssystems zur Patientensteuerung nicht sinnvoll.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Hans-Jörg Freese
    Pressesprecher Marburger Bund

    Tel. 030 746 846-41


    Bilder

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    Anhang
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Politik
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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