Parkinson ist nicht gleich Parkinson: Ein Parkinson-Formenkreis, das genetisch bedingte Parkinson-Syndrom, kann umso besser behandelt werden, je besser seine genetischen Merkmale bekannt sind. Grundlage hierfür ist die molekulare Diagnostik.
Auf dem virtuellen Kongress „Parkinson und Bewegungsstörungen – Highlights Digital“ berichtete Prof. Dr. med. Christine Klein, Direktorin des Instituts für Neurogenetik der Universität zu Lübeck und Past-Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), über erste klinische Studien, in denen genspezifische Therapien an genetisch stratifizierten Patienten untersucht werden. „Ziel unserer Bemühungen ist, maßgeschneiderte Therapien für Patienten mit genetischen Parkinson-Formen zu ermöglichen“, so Prof. Klein.
Genmutationen und genetische Risikofaktoren ermöglichen eine Stratifizierung
Parkinson-Patienten können aufgrund genetischer Merkmale unterschiedlichen Gruppen zugeordnet – also stratifiziert – werden. Insgesamt finden sich bei ca. 10 % aller Parkinson-Patienten Mutationen in Genen, für die aktuell erste klinische Studien durchgeführt werden. Monogene, also auf einem einzelnen Gendefekt beruhende Parkinson-Syndrome (PS), machen ca. 5 % aller Parkinson-Erkrankungen aus. Hier konnten in den letzten 20 Jahren drei autosomal-dominant (SNCA, LRRK2, VPS35) und drei autosomal-rezessiv (Parkin, PINK1, DJ-1) vererbte kausale Parkinson-Gene identifiziert und validiert werden [1]. Dabei sind pathogene Varianten in LRRK2 unter den monogenen PS am häufigsten und die Patienten sind klinisch nicht von solchen mit idiopathischem Parkinson-Syndrom zu unterscheiden. Sehr selten sind hingegen pathogene Veränderungen in SNCA, sie beginnen früh und können mit einer Demenz einhergehen.
Neben den monogenen Formen gibt es genetische Risikofaktoren für PS. Dabei können sowohl einzelne starke Risikofaktoren zur Stratifizierung genutzt werden (z. B. GBA-Mutationen) als auch ein sogenannter Polygener Risikoscore, der aus vielen verschiedenen genetischen Varianten gebildet wird, die in eine gemeinsame Risikoberechnung eingehen.
Molekulare Diagnostik ist nur bei ausgewählten Patienten sinnvoll
Voraussetzung für diese genetische Stratifizierung ist die molekulare Diagnostik. „Diese kann im Rahmen von klinisch-diagnostischen Tests aktuell nur bei sehr ausgewählten Patientengruppen empfohlen werden, weil die Mutationen insgesamt selten sind und sich aktuell noch keine spezifischen Therapieempfehlungen daraus ableiten lassen“, erklärt Prof. Klein. Hierzu gehören Patienten mit frühem Erkrankungsalter, positiver Familienanamnese oder Herkunft aus einer Bevölkerungsgruppe mit starkem Vorkommen von Parkinson-Genmutationen. Bei Patienten mit Erkrankungsbeginn vor dem 40. Lebensjahr sollte zunächst an Veränderungen im Parkin- und PINK1-Gen gedacht werden und, ebenso wie bei Patienten mit positiver Familienanamnese, eine genetische Beratung erfolgen.
Studien zu LRRK2-positiven Patienten und Trägern von Risikovarianten
Um Patienten für klinische Studien genetisch zu stratifizieren, werden derzeit umfangreiche Testungen innerhalb von Studien durchgeführt. Sowohl beim klinisch-diagnostischen Testen als auch beim Testen im Rahmen von Studien wird aktuell hauptsächlich die sogenannte Panel-Diagnostik angewandt, das heißt, die bekannten Parkinson-Gene werden in einem Experiment gleichzeitig auf Mutationen untersucht, sodass das Ergebnis für eine Reihe von Genen und nicht für einzelne Mutationen oder Gene vorliegt.
In der multizentrischen ROPAD-Studie (Rostock International Parkinson’s Disease) wird der genetische Hintergrund von 10.000 Parkinson-Patienten mittels Hochdurchsatzverfahren charakterisiert [2]. Ziel ist die Analyse der Prävalenz von LRRK2-positiven Patienten und von Patienten mit PD-bedingten Genveränderungen (außer LRRK2-Gen). „Wird im Rahmen der Studie bei einem Teilnehmer eine LRRK2-Mutation nachgewiesen, kann dieser an zukünftigen klinischen Studien mit unserem Partner in den USA eingeschrieben werden. Aktuell kann ein solcher Proband an unserer LIPAD-Studie (LRRK2 International Parkinson’s Disease) in Lübeck teilnehmen“, sagt Prof. Klein.
In einer weiteren Studie aus Lübeck wird untersucht, ob eine genetisch stratifizierte Untergruppe von Parkinson-Patienten mit mehreren Risikovarianten in mitochondrialen Genen auf eine maßgeschneiderte Therapie mit Koenzym Q10 anspricht [3]. Dazu nutzen die Forscher Bildgebungsverfahren wie Magnetresonanzspektroskopie zur Energiemessung im Gehirn. „Die Studie könnte ein erster Schritt in Richtung einer erfolgreichen Vorhersage des Therapieansprechens auf der Grundlage des genetischen Status von Parkinson-Patienten sein“, sagt Prof. Klein.
Hustensaft als molekularer Schalter
Einer der wichtigsten genetischen Risikofaktoren, von denen angenommen wird, dass sie zur Entstehung von Parkinson beitragen, ist eine Mutation im Gen GBA1 (Glukozerebrosidase). Das geschädigte Gen kann seine Aufgabe nicht korrekt erfüllen und führt zur Anreicherung von Alpha-Synuclein im Gehirn. Eine 2020 publizierte Studie hat nun untersucht, ob der Hustensaft Ambroxol bei Parkinson-Patienten die Blut-Hirn-Schranke überwinden und als molekulares Chaperon fungieren kann [4]. Es zeigte sich, dass Ambroxol sicher und gut verträglich war und dass die Alpha-Synuclein-Spiegel im Liquor anstiegen. Nun muss in weiteren Studien untersucht werden, ob die Therapie mit Ambroxol mit Veränderungen der Krankheitsprogression assoziiert ist.
Referenzen
1. Borsche M. & Klein C. Med Gen 30 (2018) https://link.springer.com/article/10.1007/s11825-018-0197-z
2. Klein C. et al. Mov Dis (online) 14.12.2020 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33314351/
3. Prasuhn J. et al. Neur Res 23.8.2019 https://doi.org/10.1186/s42466-019-0033-1
4. Mullin S. et al. JAMA Neur 13.1.2020 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31930374/
Fachlicher Kontakt
Prof. Dr. Christine Klein
Direktorin des Instituts für Neurogenetik, Universität Lübeck
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